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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Martinprocess.
tief genug eintauchte, Eisenkügelchen von einigen Millimetern Durch-
messer befinden. Man taucht die Stange in Wasser, und schlägt mit
einem Hammer die Schlacke ab. Die Farbe derselben giebt den ersten
und, wenn man Einsätze von bekanntem Verhalten verarbeitete, ziem-
lich sicheren Anhalt, wie weit die Entkohlung vorgeschritten ist. Mit
abnehmendem Kohlenstoffgehalte des Eisens nimmt der Eisengehalt der
Schlacke zu, dieselbe wird schwarz, blasig, während sie bei geringerem
Eisengehalte auf dem Bruche eine olivengrüne bis graugrüne Färbung,
durch den gewöhnlich reichlichen Mangangehalt hervorgerufen, zu be-
sitzen pflegt, an der Aussenfläche aber gewöhnlich ebenfalls schwarz ist.

Sondert man durch Zerklopfen der Schlacke die Eisenkügelchen
von derselben und schlägt sie auf einem Ambose mit dem Hammer
flach, so erhält man durch den Widerstand, welchen sie dem Hämmern
entgegensetzen, einen Maassstab für die Härte oder die Dehnbarkeit
derselben, welche Eigenschaften, wie bekannt, vornehmlich von dem
noch anwesenden Kohlenstoffgehalte abhängig sind. Kohlenstoffärmeres
Eisen lässt sich mit Leichtigkeit und ohne Kantenrisse zu bekommen
platt schlagen, härterer Stahl reisst. 1)

Häufig auch nimmt man mit einer schmiedeeisernen, mit Thon-
wasser ausgestrichenen und etwas angewärmten Schöpfkelle -- in ihrer
Form einer grossen Suppenkelle ähnlich -- einige Kilogramm des
Metalles aus der Mitte des Bades heraus, nachdem dasselbe gut durch-
gerührt wurde, giesst die Probe in eine eiserne Form, kühlt den Block
in Wasser ab und zerbricht ihn unter dem Dampfhammer, um nach
dem Bruchaussehen die Beschaffenheit des Eisens zu beurtheilen. Je
feinkörniger der Bruch ist, desto grösser ist noch der Kohlenstoffgehalt.

Sicherer noch führt eine Schmiedeprobe (S. 663) mit einem Stücke
des gegossenen Blockes zum Ziele; dieselbe erfordert jedoch etwas
längere Zeit und wird deshalb häufig unterlassen oder nur als spätere
Controle der Beschaffenheit des Metalles benutzt.

Besonders wichtig ist die Anstellung solcher Proben bei dem Zu-
satze reichlicher Erzmengen zum Eisenbade, weil hier die Beschaffen-
heit mehr noch als bei der Arbeit ohne Erz von Zufälligkeiten --
Temperatur des Ofens, Zusammensetzung der Erze u. s. w. -- abhängt.
Gewöhnlich nimmt man hierbei mehrere Proben nach einander in be-
stimmten Zeitabschnitten und richtet dann den ferneren Erzzusatz nach
dem Ausfalle der Probe ein.

Hat man sich nun überzeugt, dass die gewünschte Beschaffenheit
des Eisens erreicht ist, und ist das Bad vollständig dünnflüssig ge-
worden, so erfolgt der Zusatz der Manganlegirung zur Entziehung des
gelösten Sauerstoffgehaltes. Der Verschiedenheit des Erfolges, je nach-
dem man eine manganärmere Legirung (Spiegeleisen) oder eine mangan-
reichere für diesen Zweck verwendet, ist schon oben gedacht worden:
von der manganärmeren gebraucht man grössere Mengen und man
führt demnach auch eine grössere Kohlenstoffmenge in das Eisen. Auch

1) Die Probe mit den Eisenkörnchen ist für Bessemereisen seit Jahrzehnten auf
der Königin-Marienhütte in Anwendung und hat den Vortheil grosser Einfachheit.
Ob sie beim Martinbetriebe irgendwo angewendet wird, ist mir nicht bekannt; sie
dürfte dort nicht minder brauchbar sein als beim Bessemerbetriebe.

Der Martinprocess.
tief genug eintauchte, Eisenkügelchen von einigen Millimetern Durch-
messer befinden. Man taucht die Stange in Wasser, und schlägt mit
einem Hammer die Schlacke ab. Die Farbe derselben giebt den ersten
und, wenn man Einsätze von bekanntem Verhalten verarbeitete, ziem-
lich sicheren Anhalt, wie weit die Entkohlung vorgeschritten ist. Mit
abnehmendem Kohlenstoffgehalte des Eisens nimmt der Eisengehalt der
Schlacke zu, dieselbe wird schwarz, blasig, während sie bei geringerem
Eisengehalte auf dem Bruche eine olivengrüne bis graugrüne Färbung,
durch den gewöhnlich reichlichen Mangangehalt hervorgerufen, zu be-
sitzen pflegt, an der Aussenfläche aber gewöhnlich ebenfalls schwarz ist.

Sondert man durch Zerklopfen der Schlacke die Eisenkügelchen
von derselben und schlägt sie auf einem Ambose mit dem Hammer
flach, so erhält man durch den Widerstand, welchen sie dem Hämmern
entgegensetzen, einen Maassstab für die Härte oder die Dehnbarkeit
derselben, welche Eigenschaften, wie bekannt, vornehmlich von dem
noch anwesenden Kohlenstoffgehalte abhängig sind. Kohlenstoffärmeres
Eisen lässt sich mit Leichtigkeit und ohne Kantenrisse zu bekommen
platt schlagen, härterer Stahl reisst. 1)

Häufig auch nimmt man mit einer schmiedeeisernen, mit Thon-
wasser ausgestrichenen und etwas angewärmten Schöpfkelle — in ihrer
Form einer grossen Suppenkelle ähnlich — einige Kilogramm des
Metalles aus der Mitte des Bades heraus, nachdem dasselbe gut durch-
gerührt wurde, giesst die Probe in eine eiserne Form, kühlt den Block
in Wasser ab und zerbricht ihn unter dem Dampfhammer, um nach
dem Bruchaussehen die Beschaffenheit des Eisens zu beurtheilen. Je
feinkörniger der Bruch ist, desto grösser ist noch der Kohlenstoffgehalt.

Sicherer noch führt eine Schmiedeprobe (S. 663) mit einem Stücke
des gegossenen Blockes zum Ziele; dieselbe erfordert jedoch etwas
längere Zeit und wird deshalb häufig unterlassen oder nur als spätere
Controle der Beschaffenheit des Metalles benutzt.

Besonders wichtig ist die Anstellung solcher Proben bei dem Zu-
satze reichlicher Erzmengen zum Eisenbade, weil hier die Beschaffen-
heit mehr noch als bei der Arbeit ohne Erz von Zufälligkeiten —
Temperatur des Ofens, Zusammensetzung der Erze u. s. w. — abhängt.
Gewöhnlich nimmt man hierbei mehrere Proben nach einander in be-
stimmten Zeitabschnitten und richtet dann den ferneren Erzzusatz nach
dem Ausfalle der Probe ein.

Hat man sich nun überzeugt, dass die gewünschte Beschaffenheit
des Eisens erreicht ist, und ist das Bad vollständig dünnflüssig ge-
worden, so erfolgt der Zusatz der Manganlegirung zur Entziehung des
gelösten Sauerstoffgehaltes. Der Verschiedenheit des Erfolges, je nach-
dem man eine manganärmere Legirung (Spiegeleisen) oder eine mangan-
reichere für diesen Zweck verwendet, ist schon oben gedacht worden:
von der manganärmeren gebraucht man grössere Mengen und man
führt demnach auch eine grössere Kohlenstoffmenge in das Eisen. Auch

1) Die Probe mit den Eisenkörnchen ist für Bessemereisen seit Jahrzehnten auf
der Königin-Marienhütte in Anwendung und hat den Vortheil grosser Einfachheit.
Ob sie beim Martinbetriebe irgendwo angewendet wird, ist mir nicht bekannt; sie
dürfte dort nicht minder brauchbar sein als beim Bessemerbetriebe.
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[869/0953] Der Martinprocess. tief genug eintauchte, Eisenkügelchen von einigen Millimetern Durch- messer befinden. Man taucht die Stange in Wasser, und schlägt mit einem Hammer die Schlacke ab. Die Farbe derselben giebt den ersten und, wenn man Einsätze von bekanntem Verhalten verarbeitete, ziem- lich sicheren Anhalt, wie weit die Entkohlung vorgeschritten ist. Mit abnehmendem Kohlenstoffgehalte des Eisens nimmt der Eisengehalt der Schlacke zu, dieselbe wird schwarz, blasig, während sie bei geringerem Eisengehalte auf dem Bruche eine olivengrüne bis graugrüne Färbung, durch den gewöhnlich reichlichen Mangangehalt hervorgerufen, zu be- sitzen pflegt, an der Aussenfläche aber gewöhnlich ebenfalls schwarz ist. Sondert man durch Zerklopfen der Schlacke die Eisenkügelchen von derselben und schlägt sie auf einem Ambose mit dem Hammer flach, so erhält man durch den Widerstand, welchen sie dem Hämmern entgegensetzen, einen Maassstab für die Härte oder die Dehnbarkeit derselben, welche Eigenschaften, wie bekannt, vornehmlich von dem noch anwesenden Kohlenstoffgehalte abhängig sind. Kohlenstoffärmeres Eisen lässt sich mit Leichtigkeit und ohne Kantenrisse zu bekommen platt schlagen, härterer Stahl reisst. 1) Häufig auch nimmt man mit einer schmiedeeisernen, mit Thon- wasser ausgestrichenen und etwas angewärmten Schöpfkelle — in ihrer Form einer grossen Suppenkelle ähnlich — einige Kilogramm des Metalles aus der Mitte des Bades heraus, nachdem dasselbe gut durch- gerührt wurde, giesst die Probe in eine eiserne Form, kühlt den Block in Wasser ab und zerbricht ihn unter dem Dampfhammer, um nach dem Bruchaussehen die Beschaffenheit des Eisens zu beurtheilen. Je feinkörniger der Bruch ist, desto grösser ist noch der Kohlenstoffgehalt. Sicherer noch führt eine Schmiedeprobe (S. 663) mit einem Stücke des gegossenen Blockes zum Ziele; dieselbe erfordert jedoch etwas längere Zeit und wird deshalb häufig unterlassen oder nur als spätere Controle der Beschaffenheit des Metalles benutzt. Besonders wichtig ist die Anstellung solcher Proben bei dem Zu- satze reichlicher Erzmengen zum Eisenbade, weil hier die Beschaffen- heit mehr noch als bei der Arbeit ohne Erz von Zufälligkeiten — Temperatur des Ofens, Zusammensetzung der Erze u. s. w. — abhängt. Gewöhnlich nimmt man hierbei mehrere Proben nach einander in be- stimmten Zeitabschnitten und richtet dann den ferneren Erzzusatz nach dem Ausfalle der Probe ein. Hat man sich nun überzeugt, dass die gewünschte Beschaffenheit des Eisens erreicht ist, und ist das Bad vollständig dünnflüssig ge- worden, so erfolgt der Zusatz der Manganlegirung zur Entziehung des gelösten Sauerstoffgehaltes. Der Verschiedenheit des Erfolges, je nach- dem man eine manganärmere Legirung (Spiegeleisen) oder eine mangan- reichere für diesen Zweck verwendet, ist schon oben gedacht worden: von der manganärmeren gebraucht man grössere Mengen und man führt demnach auch eine grössere Kohlenstoffmenge in das Eisen. Auch 1) Die Probe mit den Eisenkörnchen ist für Bessemereisen seit Jahrzehnten auf der Königin-Marienhütte in Anwendung und hat den Vortheil grosser Einfachheit. Ob sie beim Martinbetriebe irgendwo angewendet wird, ist mir nicht bekannt; sie dürfte dort nicht minder brauchbar sein als beim Bessemerbetriebe.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 869. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/953>, abgerufen am 18.05.2024.