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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Martinprocess.
ein Roheisen zu verwenden, welches wenigstens gewisse Mengen
Mangan und Silicium enthält. Ein Mangangehalt verzögert die Ent-
kohlung beim Einschmelzen und verhütet dadurch, dass die Schmelz-
temperatur des Eisens allzu rasch steige, wodurch das Metall leicht
beim Beginne des Processes einen dickflüssigen, für die Auflösung der
später zu gebenden Zusätze wenig geeigneten Zustand annehmen würde.
Häufig aber beabsichtigt man sogar, ein etwas manganhaltiges End-
erzeugniss mit verhältnissmässig niedrigem Kohlenstoffgehalte herzu-
stellen (für Eisenbahnschienen, Formguss und andere Zwecke); und
dieses Ziel wird offenbar leichter erreicht werden, wenn schon von
vorn herein ein gewisser Mangangehalt zugegen war. Silicium ver-
leiht theils schon unmittelbar dem Eisen, mit dem es legirt ist, eine
gewisse Dünnflüssigkeit und erleichtert hierdurch das Verfahren, theils
ruft es bei seiner Verbrennung eine bedeutende Temperaturerhöhung
des Eisenbades hervor, welche ebenfalls nicht wenig förderlich für die
Durchführung des Processes ist.

Den Beweis für die letztere, schon bei Besprechung des Puddel-
verfahrens kurz erwähnte Einwirkung eines Siliciumgehaltes liefert nicht
allein die praktische Beobachtung, sondern mit einiger Annäherung
lässt sich auch aus der Verbrennungswärme des Siliciums (S. 23) und
der specifischen Wärme des Metalles diese Temperatursteigerung be-
rechnen. 1 kg Silicium liefert bei seiner Verbrennung 7830 W.-E.;
enthält also das Roheisen 1 Proc. Silicium, so würden durch die Ver-
brennung desselben 78.3 W.-E. entwickelt werden. Diese Wärmeent-
wickelung kommt grösstentheils dem Eisenbade zu Gute; setzt man
die specifische Wärme des hocherhitzten Eisens = 0.2, so würde dem-
nach die Temperatursteigerung desselben, welche durch jedes Procent
verbrennenden Siliciums hervorgerufen wird, [Formel 1] Grad C. sein.
Ein Theil der entwickelten Wärme freilich wird zur Erhitzung der sich
bildenden Schlacke und auch zur Höhererhitzung der die Oxydation
veranlassenden Ofengase verbraucht; immerhin ist die durch Verbren-
nung des Siliciums hervorgerufene Temperatursteigerung beträchtlich.
Geringer ist der Einfluss eines Mangangehaltes in dieser Beziehung
wegen der geringeren Verbrennungswärme desselben; unwesentlich der
Einfluss des Kohlenstoffgehaltes, welcher nicht nur langsamer ver-
brennt, sondern dessen Verbrennungserzeugniss auch rasch aus dem
Bade entweicht, ohne einen Wärmeausgleich zu ermöglichen.

Ein aus Quarzsand hergestellter Herd würde durch das entstehende
Manganoxydul stark angegriffen werden, wenn man ein manganreiches
Roheisen ohne Siliciumgehalt einschmelzen wollte; ein basischer, für
die Entphosphorung bestimmter Herd würde stark leiden und das Ver-
fahren würde erschwert werden, wenn man siliciumreiches Roheisen
ohne Mangan verarbeiten wollte.

Nach Maassgabe dieser Einflüsse der chemischen Zusammensetzung,
sowie des Gewichtsverhältnisses zwischen Roheisen und schmiedbarem
Eisen, welches man anwenden will, trifft man die Wahl des einzu-
setzenden Roheisens. Häufig verwendet man ein Roheisen mit etwa
2 Proc. Silicium und 3 Proc. oder noch mehr Mangan; nicht selten

Der Martinprocess.
ein Roheisen zu verwenden, welches wenigstens gewisse Mengen
Mangan und Silicium enthält. Ein Mangangehalt verzögert die Ent-
kohlung beim Einschmelzen und verhütet dadurch, dass die Schmelz-
temperatur des Eisens allzu rasch steige, wodurch das Metall leicht
beim Beginne des Processes einen dickflüssigen, für die Auflösung der
später zu gebenden Zusätze wenig geeigneten Zustand annehmen würde.
Häufig aber beabsichtigt man sogar, ein etwas manganhaltiges End-
erzeugniss mit verhältnissmässig niedrigem Kohlenstoffgehalte herzu-
stellen (für Eisenbahnschienen, Formguss und andere Zwecke); und
dieses Ziel wird offenbar leichter erreicht werden, wenn schon von
vorn herein ein gewisser Mangangehalt zugegen war. Silicium ver-
leiht theils schon unmittelbar dem Eisen, mit dem es legirt ist, eine
gewisse Dünnflüssigkeit und erleichtert hierdurch das Verfahren, theils
ruft es bei seiner Verbrennung eine bedeutende Temperaturerhöhung
des Eisenbades hervor, welche ebenfalls nicht wenig förderlich für die
Durchführung des Processes ist.

Den Beweis für die letztere, schon bei Besprechung des Puddel-
verfahrens kurz erwähnte Einwirkung eines Siliciumgehaltes liefert nicht
allein die praktische Beobachtung, sondern mit einiger Annäherung
lässt sich auch aus der Verbrennungswärme des Siliciums (S. 23) und
der specifischen Wärme des Metalles diese Temperatursteigerung be-
rechnen. 1 kg Silicium liefert bei seiner Verbrennung 7830 W.-E.;
enthält also das Roheisen 1 Proc. Silicium, so würden durch die Ver-
brennung desselben 78.3 W.-E. entwickelt werden. Diese Wärmeent-
wickelung kommt grösstentheils dem Eisenbade zu Gute; setzt man
die specifische Wärme des hocherhitzten Eisens = 0.2, so würde dem-
nach die Temperatursteigerung desselben, welche durch jedes Procent
verbrennenden Siliciums hervorgerufen wird, [Formel 1] Grad C. sein.
Ein Theil der entwickelten Wärme freilich wird zur Erhitzung der sich
bildenden Schlacke und auch zur Höhererhitzung der die Oxydation
veranlassenden Ofengase verbraucht; immerhin ist die durch Verbren-
nung des Siliciums hervorgerufene Temperatursteigerung beträchtlich.
Geringer ist der Einfluss eines Mangangehaltes in dieser Beziehung
wegen der geringeren Verbrennungswärme desselben; unwesentlich der
Einfluss des Kohlenstoffgehaltes, welcher nicht nur langsamer ver-
brennt, sondern dessen Verbrennungserzeugniss auch rasch aus dem
Bade entweicht, ohne einen Wärmeausgleich zu ermöglichen.

Ein aus Quarzsand hergestellter Herd würde durch das entstehende
Manganoxydul stark angegriffen werden, wenn man ein manganreiches
Roheisen ohne Siliciumgehalt einschmelzen wollte; ein basischer, für
die Entphosphorung bestimmter Herd würde stark leiden und das Ver-
fahren würde erschwert werden, wenn man siliciumreiches Roheisen
ohne Mangan verarbeiten wollte.

Nach Maassgabe dieser Einflüsse der chemischen Zusammensetzung,
sowie des Gewichtsverhältnisses zwischen Roheisen und schmiedbarem
Eisen, welches man anwenden will, trifft man die Wahl des einzu-
setzenden Roheisens. Häufig verwendet man ein Roheisen mit etwa
2 Proc. Silicium und 3 Proc. oder noch mehr Mangan; nicht selten

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[865/0949] Der Martinprocess. ein Roheisen zu verwenden, welches wenigstens gewisse Mengen Mangan und Silicium enthält. Ein Mangangehalt verzögert die Ent- kohlung beim Einschmelzen und verhütet dadurch, dass die Schmelz- temperatur des Eisens allzu rasch steige, wodurch das Metall leicht beim Beginne des Processes einen dickflüssigen, für die Auflösung der später zu gebenden Zusätze wenig geeigneten Zustand annehmen würde. Häufig aber beabsichtigt man sogar, ein etwas manganhaltiges End- erzeugniss mit verhältnissmässig niedrigem Kohlenstoffgehalte herzu- stellen (für Eisenbahnschienen, Formguss und andere Zwecke); und dieses Ziel wird offenbar leichter erreicht werden, wenn schon von vorn herein ein gewisser Mangangehalt zugegen war. Silicium ver- leiht theils schon unmittelbar dem Eisen, mit dem es legirt ist, eine gewisse Dünnflüssigkeit und erleichtert hierdurch das Verfahren, theils ruft es bei seiner Verbrennung eine bedeutende Temperaturerhöhung des Eisenbades hervor, welche ebenfalls nicht wenig förderlich für die Durchführung des Processes ist. Den Beweis für die letztere, schon bei Besprechung des Puddel- verfahrens kurz erwähnte Einwirkung eines Siliciumgehaltes liefert nicht allein die praktische Beobachtung, sondern mit einiger Annäherung lässt sich auch aus der Verbrennungswärme des Siliciums (S. 23) und der specifischen Wärme des Metalles diese Temperatursteigerung be- rechnen. 1 kg Silicium liefert bei seiner Verbrennung 7830 W.-E.; enthält also das Roheisen 1 Proc. Silicium, so würden durch die Ver- brennung desselben 78.3 W.-E. entwickelt werden. Diese Wärmeent- wickelung kommt grösstentheils dem Eisenbade zu Gute; setzt man die specifische Wärme des hocherhitzten Eisens = 0.2, so würde dem- nach die Temperatursteigerung desselben, welche durch jedes Procent verbrennenden Siliciums hervorgerufen wird, [FORMEL] Grad C. sein. Ein Theil der entwickelten Wärme freilich wird zur Erhitzung der sich bildenden Schlacke und auch zur Höhererhitzung der die Oxydation veranlassenden Ofengase verbraucht; immerhin ist die durch Verbren- nung des Siliciums hervorgerufene Temperatursteigerung beträchtlich. Geringer ist der Einfluss eines Mangangehaltes in dieser Beziehung wegen der geringeren Verbrennungswärme desselben; unwesentlich der Einfluss des Kohlenstoffgehaltes, welcher nicht nur langsamer ver- brennt, sondern dessen Verbrennungserzeugniss auch rasch aus dem Bade entweicht, ohne einen Wärmeausgleich zu ermöglichen. Ein aus Quarzsand hergestellter Herd würde durch das entstehende Manganoxydul stark angegriffen werden, wenn man ein manganreiches Roheisen ohne Siliciumgehalt einschmelzen wollte; ein basischer, für die Entphosphorung bestimmter Herd würde stark leiden und das Ver- fahren würde erschwert werden, wenn man siliciumreiches Roheisen ohne Mangan verarbeiten wollte. Nach Maassgabe dieser Einflüsse der chemischen Zusammensetzung, sowie des Gewichtsverhältnisses zwischen Roheisen und schmiedbarem Eisen, welches man anwenden will, trifft man die Wahl des einzu- setzenden Roheisens. Häufig verwendet man ein Roheisen mit etwa 2 Proc. Silicium und 3 Proc. oder noch mehr Mangan; nicht selten

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 865. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/949>, abgerufen am 18.05.2024.