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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Gussformen.

Die seit Jahrhunderten entwickelte Technik der Gusswaarendar-
stellung aus Roheisen zeigte den Weg zur Auswahl eines geeigneten
Formmateriales auch für diesen Zweck; aber die höhere Temperatur des
geschmolzenen schmiedbaren Eisens machte strengere Anforderungen als
dort an die Beschaffenheit des Materiales erforderlich. Gussformen aus
sogenanntem nassen Formsande, die in den Eisengiessereien, ohne
getrocknet zu werden, vielfache Verwendung finden, sind für diesen
Fall nur selten benutzbar. Man muss ein Material wählen, welches,
nachdem es im feuchten und dadurch bildsamen Zustande geformt
wurde, eine starke Trocknung in hoher Temperatur erträgt, ohne an
Festigkeit zu verlieren.

Das üblichste Formmaterial ist Masse (S. 134), bestehend aus feuer-
festem Thon mit Zusatz von so viel Magerungsmitteln, dass derselbe
die Eigenschaft verliert, beim Trocknen zu schwinden, und eine ge-
wisse Durchlässigkeit gegen Gase wie auch, selbst im gebrannten Zu-
stande, eine gewisse Nachgiebigkeit gegenüber dem Schwinden des
Metalles bekommt. In Rücksicht auf den Umstand, dass die Menge
des frisch zugesetzten Thones weit hinter der Menge der als Mage-
rungsmittel dienenden Körper zurückzustehen pflegt, lässt sich die
"Masse" vielleicht noch richtiger bezeichnen als ein Gemisch von
feuerfesten, beim Trocknen und Brennen nicht schwindenden Kör-
pern in Körnerform mit so viel feuerfestem Thon, dass das Ganze,
mit etwas Wasser angefeuchtet, Bindekraft bekommt, d. h. sich for-
men lässt.

Die letztere Erklärung des Begriffes Masse macht es begreiflich,
dass man als Grundbestandtheil derselben das Material der schon be-
nutzten Gussformen zu verwenden pflegt, d. h. alte Masse, welche durch
das stattgehabte Brennen die Eigenschaft zu schwinden, zugleich aber
die Fähigkeit verloren hat, durch Befeuchtung mit Wasser bildsam zu
werden. Man vermengt sie also mit soviel frischem feuerfestem Thon
als erforderlich ist, diese letztere Eigenschaft wieder hervorzurufen.
Ausserdem pflegt man gewisse Mengen Steinkohle, auch wohl Holz-
kohle oder Koks, dem Gemische zuzusetzen. Man beabsichtigt damit,
einestheils die Masse durchlässiger für Gase, nachgiebiger für die
Schwindung des Metalles zu machen, hauptsächlich aber auch das Zu-
sammensintern der Masse und das Festbrennen derselben an dem Ab-
gusse zu erschweren. Jene Zusätze wirken hierbei theils mechanisch,
indem sie als vollständig unschmelzbare Körper die Berührung der
anderen Bestandtheile einschränken, theils auch, indem sie im Augen-
blicke des Giessens kleine Mengen Gase entwickeln, welche ebenfalls
die innige Berührung besonders zwischen dem Abgusse und dem Form-
materiale erschweren.

Die Masseformen werden nach ihrer Herstellung in besonderen
Trockenkammern getrocknet und mitunter bis zur beginnenden Roth-
gluth erhitzt, um den Wassergehalt zu verflüchtigen. Man pflegt in
die noch warme Gussform das Metall einzugiessen.

Für das Giessen von Eisensorten mit hoher Schmelztemperatur
hat man in neuerer Zeit als Gussformmaterial mit Vortheil möglichst
chemisch reinen Quarzsand angewendet, dem man durch Zusatz organi-

Die Gussformen.

Die seit Jahrhunderten entwickelte Technik der Gusswaarendar-
stellung aus Roheisen zeigte den Weg zur Auswahl eines geeigneten
Formmateriales auch für diesen Zweck; aber die höhere Temperatur des
geschmolzenen schmiedbaren Eisens machte strengere Anforderungen als
dort an die Beschaffenheit des Materiales erforderlich. Gussformen aus
sogenanntem nassen Formsande, die in den Eisengiessereien, ohne
getrocknet zu werden, vielfache Verwendung finden, sind für diesen
Fall nur selten benutzbar. Man muss ein Material wählen, welches,
nachdem es im feuchten und dadurch bildsamen Zustande geformt
wurde, eine starke Trocknung in hoher Temperatur erträgt, ohne an
Festigkeit zu verlieren.

Das üblichste Formmaterial ist Masse (S. 134), bestehend aus feuer-
festem Thon mit Zusatz von so viel Magerungsmitteln, dass derselbe
die Eigenschaft verliert, beim Trocknen zu schwinden, und eine ge-
wisse Durchlässigkeit gegen Gase wie auch, selbst im gebrannten Zu-
stande, eine gewisse Nachgiebigkeit gegenüber dem Schwinden des
Metalles bekommt. In Rücksicht auf den Umstand, dass die Menge
des frisch zugesetzten Thones weit hinter der Menge der als Mage-
rungsmittel dienenden Körper zurückzustehen pflegt, lässt sich die
„Masse“ vielleicht noch richtiger bezeichnen als ein Gemisch von
feuerfesten, beim Trocknen und Brennen nicht schwindenden Kör-
pern in Körnerform mit so viel feuerfestem Thon, dass das Ganze,
mit etwas Wasser angefeuchtet, Bindekraft bekommt, d. h. sich for-
men lässt.

Die letztere Erklärung des Begriffes Masse macht es begreiflich,
dass man als Grundbestandtheil derselben das Material der schon be-
nutzten Gussformen zu verwenden pflegt, d. h. alte Masse, welche durch
das stattgehabte Brennen die Eigenschaft zu schwinden, zugleich aber
die Fähigkeit verloren hat, durch Befeuchtung mit Wasser bildsam zu
werden. Man vermengt sie also mit soviel frischem feuerfestem Thon
als erforderlich ist, diese letztere Eigenschaft wieder hervorzurufen.
Ausserdem pflegt man gewisse Mengen Steinkohle, auch wohl Holz-
kohle oder Koks, dem Gemische zuzusetzen. Man beabsichtigt damit,
einestheils die Masse durchlässiger für Gase, nachgiebiger für die
Schwindung des Metalles zu machen, hauptsächlich aber auch das Zu-
sammensintern der Masse und das Festbrennen derselben an dem Ab-
gusse zu erschweren. Jene Zusätze wirken hierbei theils mechanisch,
indem sie als vollständig unschmelzbare Körper die Berührung der
anderen Bestandtheile einschränken, theils auch, indem sie im Augen-
blicke des Giessens kleine Mengen Gase entwickeln, welche ebenfalls
die innige Berührung besonders zwischen dem Abgusse und dem Form-
materiale erschweren.

Die Masseformen werden nach ihrer Herstellung in besonderen
Trockenkammern getrocknet und mitunter bis zur beginnenden Roth-
gluth erhitzt, um den Wassergehalt zu verflüchtigen. Man pflegt in
die noch warme Gussform das Metall einzugiessen.

Für das Giessen von Eisensorten mit hoher Schmelztemperatur
hat man in neuerer Zeit als Gussformmaterial mit Vortheil möglichst
chemisch reinen Quarzsand angewendet, dem man durch Zusatz organi-

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[831/0911] Die Gussformen. Die seit Jahrhunderten entwickelte Technik der Gusswaarendar- stellung aus Roheisen zeigte den Weg zur Auswahl eines geeigneten Formmateriales auch für diesen Zweck; aber die höhere Temperatur des geschmolzenen schmiedbaren Eisens machte strengere Anforderungen als dort an die Beschaffenheit des Materiales erforderlich. Gussformen aus sogenanntem nassen Formsande, die in den Eisengiessereien, ohne getrocknet zu werden, vielfache Verwendung finden, sind für diesen Fall nur selten benutzbar. Man muss ein Material wählen, welches, nachdem es im feuchten und dadurch bildsamen Zustande geformt wurde, eine starke Trocknung in hoher Temperatur erträgt, ohne an Festigkeit zu verlieren. Das üblichste Formmaterial ist Masse (S. 134), bestehend aus feuer- festem Thon mit Zusatz von so viel Magerungsmitteln, dass derselbe die Eigenschaft verliert, beim Trocknen zu schwinden, und eine ge- wisse Durchlässigkeit gegen Gase wie auch, selbst im gebrannten Zu- stande, eine gewisse Nachgiebigkeit gegenüber dem Schwinden des Metalles bekommt. In Rücksicht auf den Umstand, dass die Menge des frisch zugesetzten Thones weit hinter der Menge der als Mage- rungsmittel dienenden Körper zurückzustehen pflegt, lässt sich die „Masse“ vielleicht noch richtiger bezeichnen als ein Gemisch von feuerfesten, beim Trocknen und Brennen nicht schwindenden Kör- pern in Körnerform mit so viel feuerfestem Thon, dass das Ganze, mit etwas Wasser angefeuchtet, Bindekraft bekommt, d. h. sich for- men lässt. Die letztere Erklärung des Begriffes Masse macht es begreiflich, dass man als Grundbestandtheil derselben das Material der schon be- nutzten Gussformen zu verwenden pflegt, d. h. alte Masse, welche durch das stattgehabte Brennen die Eigenschaft zu schwinden, zugleich aber die Fähigkeit verloren hat, durch Befeuchtung mit Wasser bildsam zu werden. Man vermengt sie also mit soviel frischem feuerfestem Thon als erforderlich ist, diese letztere Eigenschaft wieder hervorzurufen. Ausserdem pflegt man gewisse Mengen Steinkohle, auch wohl Holz- kohle oder Koks, dem Gemische zuzusetzen. Man beabsichtigt damit, einestheils die Masse durchlässiger für Gase, nachgiebiger für die Schwindung des Metalles zu machen, hauptsächlich aber auch das Zu- sammensintern der Masse und das Festbrennen derselben an dem Ab- gusse zu erschweren. Jene Zusätze wirken hierbei theils mechanisch, indem sie als vollständig unschmelzbare Körper die Berührung der anderen Bestandtheile einschränken, theils auch, indem sie im Augen- blicke des Giessens kleine Mengen Gase entwickeln, welche ebenfalls die innige Berührung besonders zwischen dem Abgusse und dem Form- materiale erschweren. Die Masseformen werden nach ihrer Herstellung in besonderen Trockenkammern getrocknet und mitunter bis zur beginnenden Roth- gluth erhitzt, um den Wassergehalt zu verflüchtigen. Man pflegt in die noch warme Gussform das Metall einzugiessen. Für das Giessen von Eisensorten mit hoher Schmelztemperatur hat man in neuerer Zeit als Gussformmaterial mit Vortheil möglichst chemisch reinen Quarzsand angewendet, dem man durch Zusatz organi-

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 831. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/911>, abgerufen am 18.05.2024.