Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Darstellung des Flusseisens.

In noch einfacherer Weise erreicht W. Siemens einen gleichen
Zweck. In Fig. 239 ist g ein Deckel, welcher auf die entsprechend
starke Gussform aufgelegt und durch einen Keil wie gewöhnlich fest-
gehalten wird. Oben auf dem Deckel befindet sich eine mit Hahn
versehene Oeffnung I und eine zweite Oeffnung H, auf welcher ein

[Abbildung] Fig. 239.
gewöhnliches Sicherheitsventil wie bei Dampfkesseln
angebracht ist. Damit der eiserne Deckel nicht durch
das flüssige Eisen angegriffen werde, bestreicht man
ihn mit Graphit. Die Gussform wird soweit mit Metall
gefüllt, dass der an der Unterseite des Deckels be-
findliche Bord in dasselbe eintaucht, nachdem der
Deckel aufgelegt und durch Anziehen des Verschluss-
keiles befestigt wurde. Nun lässt man durch den
Hahn I Wasser auf die Oberfläche des Metalles
fliessen, worauf der Hahn sofort geschlossen wird. Da in der ausser-
ordentlich hohen Temperatur des Metalles das Wasser nicht sofort
verdampft, sondern zunächst Tropfenform annimmt (Leidenfrost'sche
Tropfen), kann man das Einlassen desselben ohne Schwierigkeit aus-
führen. Alsdann aber beginnt die Verdampfung. Das in dem inneren
Raume des Deckels befindliche Metall wird, wie die Skizze es darstellt,
niedergedrückt und in den Raum ausserhalb des Deckelbordes ge-
drängt, woselbst es rasch erstarrt, hier einen dampfdichten Abschluss
bewirkend; und das übrige Metall erstarrt nun unter dem Drucke des
entwickelten Dampfes, der vermittelst des Sicherheitsventiles regulirbar
ist und bis auf 75 kg per qcm oder darüber gesteigert werden kann. 1)

Statt des Dampfes wendet Fr. Krupp Kohlensäuregas an, welches
aus flüssiger oder fester Kohlensäure entwickelt wird. Die Gussform,
welche durch einen Deckel verschlossen ist, steht durch ein seitliches,
unterhalb des Deckels mündendes Rohr mit dem durch ein Ventil ge-
schlossenen schmiedeeisernen Behälter in Verbindung, welcher die
flüssige oder feste Kohlensäure enthält. Nach dem Eingiessen des Eisens
wird auf die Oberfläche Sand oder Schlacke als schlechter Wärme-
leiter geschüttet, dann wird der Deckel aufgelegt und das Ventil des
Kohlensäurebehälters geöffnet. Letzterer steht in Wasser, Oel oder der-
gleichen, welche Flüssigkeit durch Zuleiten von Dampf beliebig erwärmt
werden kann; durch die Erwärmung wird die Spannung des sich bei
Oeffnung des Ventiles sofort entwickelnden Gases regulirt. Der von
der flüssigen Kohlensäure ausgeübte Druck beträgt bei 15°C. 52 kg,
bei 35°C. 82 kg, bei 100°C. 400 kg, bei 200°C. 800 kg per qcm.

Trotz des unleugbaren Erfolges, welcher durch Anwendung kräf-
tigen Druckes auf das im Erstarren befindliche Metall unter gewissen
Verhältnissen erreicht werden kann, sind doch die Fälle, wo man ohne
Anwendung dieses Mittels arbeitet (abgesehen von dem durch Fig. 238
auf S. 821 erläuterten einfachen Verfahren), weit häufiger als die Fälle
mit Anwendung desselben. Die Schwierigkeiten, welche sich der An-
wendung hydraulischen Druckes entgegensetzen, wurden schon oben
geschildert; aber auch die Anwendung von Dampfdruck oder Gasdruck

1) Patentschrift des deutschen Reiches Nr. 12037.
Die Darstellung des Flusseisens.

In noch einfacherer Weise erreicht W. Siemens einen gleichen
Zweck. In Fig. 239 ist g ein Deckel, welcher auf die entsprechend
starke Gussform aufgelegt und durch einen Keil wie gewöhnlich fest-
gehalten wird. Oben auf dem Deckel befindet sich eine mit Hahn
versehene Oeffnung I und eine zweite Oeffnung H, auf welcher ein

[Abbildung] Fig. 239.
gewöhnliches Sicherheitsventil wie bei Dampfkesseln
angebracht ist. Damit der eiserne Deckel nicht durch
das flüssige Eisen angegriffen werde, bestreicht man
ihn mit Graphit. Die Gussform wird soweit mit Metall
gefüllt, dass der an der Unterseite des Deckels be-
findliche Bord in dasselbe eintaucht, nachdem der
Deckel aufgelegt und durch Anziehen des Verschluss-
keiles befestigt wurde. Nun lässt man durch den
Hahn I Wasser auf die Oberfläche des Metalles
fliessen, worauf der Hahn sofort geschlossen wird. Da in der ausser-
ordentlich hohen Temperatur des Metalles das Wasser nicht sofort
verdampft, sondern zunächst Tropfenform annimmt (Leidenfrost’sche
Tropfen), kann man das Einlassen desselben ohne Schwierigkeit aus-
führen. Alsdann aber beginnt die Verdampfung. Das in dem inneren
Raume des Deckels befindliche Metall wird, wie die Skizze es darstellt,
niedergedrückt und in den Raum ausserhalb des Deckelbordes ge-
drängt, woselbst es rasch erstarrt, hier einen dampfdichten Abschluss
bewirkend; und das übrige Metall erstarrt nun unter dem Drucke des
entwickelten Dampfes, der vermittelst des Sicherheitsventiles regulirbar
ist und bis auf 75 kg per qcm oder darüber gesteigert werden kann. 1)

Statt des Dampfes wendet Fr. Krupp Kohlensäuregas an, welches
aus flüssiger oder fester Kohlensäure entwickelt wird. Die Gussform,
welche durch einen Deckel verschlossen ist, steht durch ein seitliches,
unterhalb des Deckels mündendes Rohr mit dem durch ein Ventil ge-
schlossenen schmiedeeisernen Behälter in Verbindung, welcher die
flüssige oder feste Kohlensäure enthält. Nach dem Eingiessen des Eisens
wird auf die Oberfläche Sand oder Schlacke als schlechter Wärme-
leiter geschüttet, dann wird der Deckel aufgelegt und das Ventil des
Kohlensäurebehälters geöffnet. Letzterer steht in Wasser, Oel oder der-
gleichen, welche Flüssigkeit durch Zuleiten von Dampf beliebig erwärmt
werden kann; durch die Erwärmung wird die Spannung des sich bei
Oeffnung des Ventiles sofort entwickelnden Gases regulirt. Der von
der flüssigen Kohlensäure ausgeübte Druck beträgt bei 15°C. 52 kg,
bei 35°C. 82 kg, bei 100°C. 400 kg, bei 200°C. 800 kg per qcm.

Trotz des unleugbaren Erfolges, welcher durch Anwendung kräf-
tigen Druckes auf das im Erstarren befindliche Metall unter gewissen
Verhältnissen erreicht werden kann, sind doch die Fälle, wo man ohne
Anwendung dieses Mittels arbeitet (abgesehen von dem durch Fig. 238
auf S. 821 erläuterten einfachen Verfahren), weit häufiger als die Fälle
mit Anwendung desselben. Die Schwierigkeiten, welche sich der An-
wendung hydraulischen Druckes entgegensetzen, wurden schon oben
geschildert; aber auch die Anwendung von Dampfdruck oder Gasdruck

1) Patentschrift des deutschen Reiches Nr. 12037.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0902" n="822"/>
            <fw place="top" type="header">Die Darstellung des Flusseisens.</fw><lb/>
            <p>In noch einfacherer Weise erreicht W. <hi rendition="#g">Siemens</hi> einen gleichen<lb/>
Zweck. In Fig. 239 ist <hi rendition="#i">g</hi> ein Deckel, welcher auf die entsprechend<lb/>
starke Gussform aufgelegt und durch einen Keil wie gewöhnlich fest-<lb/>
gehalten wird. Oben auf dem Deckel befindet sich eine mit Hahn<lb/>
versehene Oeffnung <hi rendition="#i">I</hi> und eine zweite Oeffnung <hi rendition="#i">H</hi>, auf welcher ein<lb/><figure><head>Fig. 239.</head></figure><lb/>
gewöhnliches Sicherheitsventil wie bei Dampfkesseln<lb/>
angebracht ist. Damit der eiserne Deckel nicht durch<lb/>
das flüssige Eisen angegriffen werde, bestreicht man<lb/>
ihn mit Graphit. Die Gussform wird soweit mit Metall<lb/>
gefüllt, dass der an der Unterseite des Deckels be-<lb/>
findliche Bord in dasselbe eintaucht, nachdem der<lb/>
Deckel aufgelegt und durch Anziehen des Verschluss-<lb/>
keiles befestigt wurde. Nun lässt man durch den<lb/>
Hahn <hi rendition="#i">I</hi> Wasser auf die Oberfläche des Metalles<lb/>
fliessen, worauf der Hahn sofort geschlossen wird. Da in der ausser-<lb/>
ordentlich hohen Temperatur des Metalles das Wasser nicht sofort<lb/>
verdampft, sondern zunächst Tropfenform annimmt (Leidenfrost&#x2019;sche<lb/>
Tropfen), kann man das Einlassen desselben ohne Schwierigkeit aus-<lb/>
führen. Alsdann aber beginnt die Verdampfung. Das in dem inneren<lb/>
Raume des Deckels befindliche Metall wird, wie die Skizze es darstellt,<lb/>
niedergedrückt und in den Raum ausserhalb des Deckelbordes ge-<lb/>
drängt, woselbst es rasch erstarrt, hier einen dampfdichten Abschluss<lb/>
bewirkend; und das übrige Metall erstarrt nun unter dem Drucke des<lb/>
entwickelten Dampfes, der vermittelst des Sicherheitsventiles regulirbar<lb/>
ist und bis auf 75 kg per qcm oder darüber gesteigert werden kann. <note place="foot" n="1)">Patentschrift des deutschen Reiches Nr. 12037.</note></p><lb/>
            <p>Statt des Dampfes wendet <hi rendition="#g">Fr. Krupp</hi> Kohlensäuregas an, welches<lb/>
aus flüssiger oder fester Kohlensäure entwickelt wird. Die Gussform,<lb/>
welche durch einen Deckel verschlossen ist, steht durch ein seitliches,<lb/>
unterhalb des Deckels mündendes Rohr mit dem durch ein Ventil ge-<lb/>
schlossenen schmiedeeisernen Behälter in Verbindung, welcher die<lb/>
flüssige oder feste Kohlensäure enthält. Nach dem Eingiessen des Eisens<lb/>
wird auf die Oberfläche Sand oder Schlacke als schlechter Wärme-<lb/>
leiter geschüttet, dann wird der Deckel aufgelegt und das Ventil des<lb/>
Kohlensäurebehälters geöffnet. Letzterer steht in Wasser, Oel oder der-<lb/>
gleichen, welche Flüssigkeit durch Zuleiten von Dampf beliebig erwärmt<lb/>
werden kann; durch die Erwärmung wird die Spannung des sich bei<lb/>
Oeffnung des Ventiles sofort entwickelnden Gases regulirt. Der von<lb/>
der flüssigen Kohlensäure ausgeübte Druck beträgt bei 15°C. 52 kg,<lb/>
bei 35°C. 82 kg, bei 100°C. 400 kg, bei 200°C. 800 kg per qcm.</p><lb/>
            <p>Trotz des unleugbaren Erfolges, welcher durch Anwendung kräf-<lb/>
tigen Druckes auf das im Erstarren befindliche Metall unter gewissen<lb/>
Verhältnissen erreicht werden kann, sind doch die Fälle, wo man ohne<lb/>
Anwendung dieses Mittels arbeitet (abgesehen von dem durch Fig. 238<lb/>
auf S. 821 erläuterten einfachen Verfahren), weit häufiger als die Fälle<lb/>
mit Anwendung desselben. Die Schwierigkeiten, welche sich der An-<lb/>
wendung hydraulischen Druckes entgegensetzen, wurden schon oben<lb/>
geschildert; aber auch die Anwendung von Dampfdruck oder Gasdruck<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[822/0902] Die Darstellung des Flusseisens. In noch einfacherer Weise erreicht W. Siemens einen gleichen Zweck. In Fig. 239 ist g ein Deckel, welcher auf die entsprechend starke Gussform aufgelegt und durch einen Keil wie gewöhnlich fest- gehalten wird. Oben auf dem Deckel befindet sich eine mit Hahn versehene Oeffnung I und eine zweite Oeffnung H, auf welcher ein [Abbildung Fig. 239.] gewöhnliches Sicherheitsventil wie bei Dampfkesseln angebracht ist. Damit der eiserne Deckel nicht durch das flüssige Eisen angegriffen werde, bestreicht man ihn mit Graphit. Die Gussform wird soweit mit Metall gefüllt, dass der an der Unterseite des Deckels be- findliche Bord in dasselbe eintaucht, nachdem der Deckel aufgelegt und durch Anziehen des Verschluss- keiles befestigt wurde. Nun lässt man durch den Hahn I Wasser auf die Oberfläche des Metalles fliessen, worauf der Hahn sofort geschlossen wird. Da in der ausser- ordentlich hohen Temperatur des Metalles das Wasser nicht sofort verdampft, sondern zunächst Tropfenform annimmt (Leidenfrost’sche Tropfen), kann man das Einlassen desselben ohne Schwierigkeit aus- führen. Alsdann aber beginnt die Verdampfung. Das in dem inneren Raume des Deckels befindliche Metall wird, wie die Skizze es darstellt, niedergedrückt und in den Raum ausserhalb des Deckelbordes ge- drängt, woselbst es rasch erstarrt, hier einen dampfdichten Abschluss bewirkend; und das übrige Metall erstarrt nun unter dem Drucke des entwickelten Dampfes, der vermittelst des Sicherheitsventiles regulirbar ist und bis auf 75 kg per qcm oder darüber gesteigert werden kann. 1) Statt des Dampfes wendet Fr. Krupp Kohlensäuregas an, welches aus flüssiger oder fester Kohlensäure entwickelt wird. Die Gussform, welche durch einen Deckel verschlossen ist, steht durch ein seitliches, unterhalb des Deckels mündendes Rohr mit dem durch ein Ventil ge- schlossenen schmiedeeisernen Behälter in Verbindung, welcher die flüssige oder feste Kohlensäure enthält. Nach dem Eingiessen des Eisens wird auf die Oberfläche Sand oder Schlacke als schlechter Wärme- leiter geschüttet, dann wird der Deckel aufgelegt und das Ventil des Kohlensäurebehälters geöffnet. Letzterer steht in Wasser, Oel oder der- gleichen, welche Flüssigkeit durch Zuleiten von Dampf beliebig erwärmt werden kann; durch die Erwärmung wird die Spannung des sich bei Oeffnung des Ventiles sofort entwickelnden Gases regulirt. Der von der flüssigen Kohlensäure ausgeübte Druck beträgt bei 15°C. 52 kg, bei 35°C. 82 kg, bei 100°C. 400 kg, bei 200°C. 800 kg per qcm. Trotz des unleugbaren Erfolges, welcher durch Anwendung kräf- tigen Druckes auf das im Erstarren befindliche Metall unter gewissen Verhältnissen erreicht werden kann, sind doch die Fälle, wo man ohne Anwendung dieses Mittels arbeitet (abgesehen von dem durch Fig. 238 auf S. 821 erläuterten einfachen Verfahren), weit häufiger als die Fälle mit Anwendung desselben. Die Schwierigkeiten, welche sich der An- wendung hydraulischen Druckes entgegensetzen, wurden schon oben geschildert; aber auch die Anwendung von Dampfdruck oder Gasdruck 1) Patentschrift des deutschen Reiches Nr. 12037.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/902
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 822. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/902>, abgerufen am 21.11.2024.