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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Ueber einige Eigenthümlichkeiten des Flusseisens.
hin sich weit auszudehnen, die Mitte einzunehmen; haben die Abgüsse
eine längere Achse, so erstrecken sie sich kanalartig in der Richtung
derselben und erscheinen auf dem Querschnitte oft nur als eine durch
Bildung selbstständiger Krystalle verursachte Unterbrechung des dichten
Gefüges. Dass im Uebrigen auch die Art und Weise der Abkühlung
die Lage und Gestaltung der Hohlungen bedingt, je nachdem sie gleich-
mässig von allen Seiten her oder von einer Seite stärker als von der
andern auf das Metall einwirkt, folgt aus dem schon Gesagten von selbst.

Sofern nun die Hohlräume bei ihrer Entstehung nicht etwa durch
Gase, welche aus dem Metalle austreten, angefüllt werden, sind sie leer
in der buchstäblichen Bedeutung des Wortes. Von aussen her drückt aber
die Atmosphäre auf die Oberfläche des Metalles; so kann es geschehen,
dass, so lange das Metall noch weich ist, die Oberfläche eingedrückt
wird und die Luft sich einen Kanal durch die weiche Masse bohrt,
um das Vacuum im Innern auszufüllen. Diesen Vorgang nennt man
Lungern oder Saugen. Es entsteht dabei eine trichterförmige Oeff-
nung an der Oberfläche (der Saugtrichter), welche
nach Innen verläuft. Fig. 235 zeigt den Quer-
schnitt durch einen gegossenen prismatischen
Metallblock mit dem Saugtrichter an der Ober-
fläche und dem kanalförmig von oben nach unten
sich erstreckenden Schwindungshohlraume.

Die Grösse dieser Hohlräume d. h. ihr ge-
sammter Rauminhalt innerhalb eines bestimmten
Abgusses wird um so beträchtlicher sein, je
grösser der Schwindungscoefficient (das Verhält-
niss der stattfindenden Verkürzung der Abmes-
sungen zu der Gesammtlänge derselben) des ein-
gegossenen Metalles ist, je stärker es über seinen
Schmelzpunkt erhitzt war, als es eingegossen
wurde und je grösser der Rauminhalt des Ab-
gusses selbst ist. Die Begründung dieser That-
sachen liegt nahe und kann in jedem Handbuche
über Giessen der Metalle nachgesehen werden.
Es möge deshalb hier nur noch erwähnt werden,
dass der Schwindungscoefficient des an fremden

[Abbildung] Fig. 235.
Körpern reineren Flusseisens nicht unerheblich grösser ist als der des
Giessereiroheisens; ersterer beträgt 1/50--1/72 der linearen Abmessungen
und ist im Allgemeinen um so grösser, je kohlenstoffärmer das Metall
ist; als Schwindungscoefficient des Gusseisens dagegen nimmt man 1/96
an. Aus diesem Grunde ist es schwieriger, aus geschmolzenem schmied-
baren Eisen als aus Gusseisen Abgüsse zu erzielen, welche frei von
jenen Schwindungshohlungen sind.

Die zweite Ursache zur Entstehung von Hohlräumen im Innern
gegossener Metalle sind Gase, welche vor oder während des Erstarrens
sich entwickelten und, ohne noch entweichen zu können, zurück-
gehalten wurden. Gerade beim Flusseisen besitzt diese Entstehungs-
weise von Hohlräumen eine hervorragende Wichtigkeit, da die Grösse
der letzteren die Grösse der durch Schwindung entstandenen oft ganz
bedeutend übersteigt. Solche Hohlräume sind also thatsäch-

Ueber einige Eigenthümlichkeiten des Flusseisens.
hin sich weit auszudehnen, die Mitte einzunehmen; haben die Abgüsse
eine längere Achse, so erstrecken sie sich kanalartig in der Richtung
derselben und erscheinen auf dem Querschnitte oft nur als eine durch
Bildung selbstständiger Krystalle verursachte Unterbrechung des dichten
Gefüges. Dass im Uebrigen auch die Art und Weise der Abkühlung
die Lage und Gestaltung der Hohlungen bedingt, je nachdem sie gleich-
mässig von allen Seiten her oder von einer Seite stärker als von der
andern auf das Metall einwirkt, folgt aus dem schon Gesagten von selbst.

Sofern nun die Hohlräume bei ihrer Entstehung nicht etwa durch
Gase, welche aus dem Metalle austreten, angefüllt werden, sind sie leer
in der buchstäblichen Bedeutung des Wortes. Von aussen her drückt aber
die Atmosphäre auf die Oberfläche des Metalles; so kann es geschehen,
dass, so lange das Metall noch weich ist, die Oberfläche eingedrückt
wird und die Luft sich einen Kanal durch die weiche Masse bohrt,
um das Vacuum im Innern auszufüllen. Diesen Vorgang nennt man
Lungern oder Saugen. Es entsteht dabei eine trichterförmige Oeff-
nung an der Oberfläche (der Saugtrichter), welche
nach Innen verläuft. Fig. 235 zeigt den Quer-
schnitt durch einen gegossenen prismatischen
Metallblock mit dem Saugtrichter an der Ober-
fläche und dem kanalförmig von oben nach unten
sich erstreckenden Schwindungshohlraume.

Die Grösse dieser Hohlräume d. h. ihr ge-
sammter Rauminhalt innerhalb eines bestimmten
Abgusses wird um so beträchtlicher sein, je
grösser der Schwindungscoëfficient (das Verhält-
niss der stattfindenden Verkürzung der Abmes-
sungen zu der Gesammtlänge derselben) des ein-
gegossenen Metalles ist, je stärker es über seinen
Schmelzpunkt erhitzt war, als es eingegossen
wurde und je grösser der Rauminhalt des Ab-
gusses selbst ist. Die Begründung dieser That-
sachen liegt nahe und kann in jedem Handbuche
über Giessen der Metalle nachgesehen werden.
Es möge deshalb hier nur noch erwähnt werden,
dass der Schwindungscoëfficient des an fremden

[Abbildung] Fig. 235.
Körpern reineren Flusseisens nicht unerheblich grösser ist als der des
Giessereiroheisens; ersterer beträgt 1/50—1/72 der linearen Abmessungen
und ist im Allgemeinen um so grösser, je kohlenstoffärmer das Metall
ist; als Schwindungscoëfficient des Gusseisens dagegen nimmt man 1/96
an. Aus diesem Grunde ist es schwieriger, aus geschmolzenem schmied-
baren Eisen als aus Gusseisen Abgüsse zu erzielen, welche frei von
jenen Schwindungshohlungen sind.

Die zweite Ursache zur Entstehung von Hohlräumen im Innern
gegossener Metalle sind Gase, welche vor oder während des Erstarrens
sich entwickelten und, ohne noch entweichen zu können, zurück-
gehalten wurden. Gerade beim Flusseisen besitzt diese Entstehungs-
weise von Hohlräumen eine hervorragende Wichtigkeit, da die Grösse
der letzteren die Grösse der durch Schwindung entstandenen oft ganz
bedeutend übersteigt. Solche Hohlräume sind also thatsäch-

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[813/0893] Ueber einige Eigenthümlichkeiten des Flusseisens. hin sich weit auszudehnen, die Mitte einzunehmen; haben die Abgüsse eine längere Achse, so erstrecken sie sich kanalartig in der Richtung derselben und erscheinen auf dem Querschnitte oft nur als eine durch Bildung selbstständiger Krystalle verursachte Unterbrechung des dichten Gefüges. Dass im Uebrigen auch die Art und Weise der Abkühlung die Lage und Gestaltung der Hohlungen bedingt, je nachdem sie gleich- mässig von allen Seiten her oder von einer Seite stärker als von der andern auf das Metall einwirkt, folgt aus dem schon Gesagten von selbst. Sofern nun die Hohlräume bei ihrer Entstehung nicht etwa durch Gase, welche aus dem Metalle austreten, angefüllt werden, sind sie leer in der buchstäblichen Bedeutung des Wortes. Von aussen her drückt aber die Atmosphäre auf die Oberfläche des Metalles; so kann es geschehen, dass, so lange das Metall noch weich ist, die Oberfläche eingedrückt wird und die Luft sich einen Kanal durch die weiche Masse bohrt, um das Vacuum im Innern auszufüllen. Diesen Vorgang nennt man Lungern oder Saugen. Es entsteht dabei eine trichterförmige Oeff- nung an der Oberfläche (der Saugtrichter), welche nach Innen verläuft. Fig. 235 zeigt den Quer- schnitt durch einen gegossenen prismatischen Metallblock mit dem Saugtrichter an der Ober- fläche und dem kanalförmig von oben nach unten sich erstreckenden Schwindungshohlraume. Die Grösse dieser Hohlräume d. h. ihr ge- sammter Rauminhalt innerhalb eines bestimmten Abgusses wird um so beträchtlicher sein, je grösser der Schwindungscoëfficient (das Verhält- niss der stattfindenden Verkürzung der Abmes- sungen zu der Gesammtlänge derselben) des ein- gegossenen Metalles ist, je stärker es über seinen Schmelzpunkt erhitzt war, als es eingegossen wurde und je grösser der Rauminhalt des Ab- gusses selbst ist. Die Begründung dieser That- sachen liegt nahe und kann in jedem Handbuche über Giessen der Metalle nachgesehen werden. Es möge deshalb hier nur noch erwähnt werden, dass der Schwindungscoëfficient des an fremden [Abbildung Fig. 235.] Körpern reineren Flusseisens nicht unerheblich grösser ist als der des Giessereiroheisens; ersterer beträgt 1/50—1/72 der linearen Abmessungen und ist im Allgemeinen um so grösser, je kohlenstoffärmer das Metall ist; als Schwindungscoëfficient des Gusseisens dagegen nimmt man 1/96 an. Aus diesem Grunde ist es schwieriger, aus geschmolzenem schmied- baren Eisen als aus Gusseisen Abgüsse zu erzielen, welche frei von jenen Schwindungshohlungen sind. Die zweite Ursache zur Entstehung von Hohlräumen im Innern gegossener Metalle sind Gase, welche vor oder während des Erstarrens sich entwickelten und, ohne noch entweichen zu können, zurück- gehalten wurden. Gerade beim Flusseisen besitzt diese Entstehungs- weise von Hohlräumen eine hervorragende Wichtigkeit, da die Grösse der letzteren die Grösse der durch Schwindung entstandenen oft ganz bedeutend übersteigt. Solche Hohlräume sind also thatsäch-

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 813. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/893>, abgerufen am 23.07.2024.