Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Herdfrischen.

Als Brennmaterial dienen Holzkohlen. Koks würden in Rück-
sicht auf ihren Aschen-, insbesondere Schwefelgehalt und auf die statt-
findende unmittelbare Berührung zwischen Brennstoff und Eisen nicht
anwendbar sein. Die Umwandlung des Roheisens in schmiedbares
Eisen erfolgt, indem man ersteres tropfenweise vor dem Windstrahle
niederschmilzt, wobei Silicium, Mangan und Kohlenstoff oxydirt werden
und dieses Verfahren so oft wiederholt, bis jene Körper vollständig
oder bis zu dem erforderlichen Maasse ausgeschieden sind. Von der
Beschaffenheit des verwendeten Roheisens wie von der gewünschten
Beschaffenheit des darzustellenden schmiedbaren Eisens hängt es ab,
wie oft dieses Niederschmelzen stattfinden muss. In einzelnen Fällen
genügt schon ein einmaliges Schmelzen, häufiger ist ein zweimaliges,
mitunter ein dreimaliges oder noch öfteres Schmelzen des ganzen Ein-
satzes oder der am wenigsten von der Oxydationswirkung betroffenen
Theile desselben erforderlich.

Die geschilderten Eigenthümlichkeiten des Herdfrischprocesses, ins-
besondere die Nothwendigkeit, das zu verfrischende Roheisen ganz nach
und nach und zu wiederholten Malen einzuschmelzen, machen es erklär-
lich, dass die Leistung eines einzigen Frischfeuers nur eine sehr be-
schränkte sein kann. Die Nothwendigkeit, Holzkohlen zu benutzen,
knüpft den Process an das ausreichende Vorkommen dieses Brenn-
stoffes und vertheuert das Enderzeugniss in allen den Gegenden, wo
Holzkohlen schwierig zu erlangen sind; sie macht sogar eine Aus-
breitung des Processes über jene Grenzen hinaus unmöglich, welche
durch den jährlichen Zuwachs an Holz und die damit zusammen-
hängende jährliche Erzeugung von Holzkohlen gesteckt sind. Alle Holz
kohlen der Erde zusammen würden nicht ausreichen, wenn der Bedarf
der Jetztzeit an schmiedbarem Eisen durch den Herdfrischprocess ge-
deckt werden sollte.

Aus diesen Gründen verlor das Herdfrischen, welches noch in den
ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts den wichtigsten Process zur
Darstellung schmiedbaren Eisens bildete, mehr und mehr an Bedeutung,
als der Bedarf an schmiedbarem Eisen durch die Einführung der Eisen-
bahnen so ausserordentlich stieg, während die Holzkohlen sich mehr
und mehr vertheuerten. In grossen Bezirken, wo noch vor fünfzig oder
sechzig Jahren die Herdfrischerei in ausgedehnter Weise betrieben
wurde, sind die Frischfeuer seitdem vollständig verschwunden.

Andererseits besitzt der Herdfrischprocess eine Eigenthümlichkeit,
die ihn in gewisser Hinsicht vortheilhaft auszeichnet. Wie schon früher
hervorgehoben wurde, fällt bei allen Processen der Schweisseisendar-
stellung der Gehalt des erfolgenden Schweisseisens an eingemengter
Schlacke, welche die Güte desselben so empfindlich benachtheiligt, um
so geringer aus, und das Eisen selbst ist in seiner Beschaffenheit um
so gleichartiger, je weniger Eisen mit einem Male dargestellt wird, und
je dünnflüssiger die dabei erfolgende Schlacke ist. Im Frischfeuer lassen
sich seiner ganzen Einrichtung nach überhaupt nur kleine Mengen
Eisen mit einem Male verarbeiten 1), die Temperatur innerhalb des

1) Man verarbeitet selten mehr als 150 kg, häufig weniger.
Das Herdfrischen.

Als Brennmaterial dienen Holzkohlen. Koks würden in Rück-
sicht auf ihren Aschen-, insbesondere Schwefelgehalt und auf die statt-
findende unmittelbare Berührung zwischen Brennstoff und Eisen nicht
anwendbar sein. Die Umwandlung des Roheisens in schmiedbares
Eisen erfolgt, indem man ersteres tropfenweise vor dem Windstrahle
niederschmilzt, wobei Silicium, Mangan und Kohlenstoff oxydirt werden
und dieses Verfahren so oft wiederholt, bis jene Körper vollständig
oder bis zu dem erforderlichen Maasse ausgeschieden sind. Von der
Beschaffenheit des verwendeten Roheisens wie von der gewünschten
Beschaffenheit des darzustellenden schmiedbaren Eisens hängt es ab,
wie oft dieses Niederschmelzen stattfinden muss. In einzelnen Fällen
genügt schon ein einmaliges Schmelzen, häufiger ist ein zweimaliges,
mitunter ein dreimaliges oder noch öfteres Schmelzen des ganzen Ein-
satzes oder der am wenigsten von der Oxydationswirkung betroffenen
Theile desselben erforderlich.

Die geschilderten Eigenthümlichkeiten des Herdfrischprocesses, ins-
besondere die Nothwendigkeit, das zu verfrischende Roheisen ganz nach
und nach und zu wiederholten Malen einzuschmelzen, machen es erklär-
lich, dass die Leistung eines einzigen Frischfeuers nur eine sehr be-
schränkte sein kann. Die Nothwendigkeit, Holzkohlen zu benutzen,
knüpft den Process an das ausreichende Vorkommen dieses Brenn-
stoffes und vertheuert das Enderzeugniss in allen den Gegenden, wo
Holzkohlen schwierig zu erlangen sind; sie macht sogar eine Aus-
breitung des Processes über jene Grenzen hinaus unmöglich, welche
durch den jährlichen Zuwachs an Holz und die damit zusammen-
hängende jährliche Erzeugung von Holzkohlen gesteckt sind. Alle Holz
kohlen der Erde zusammen würden nicht ausreichen, wenn der Bedarf
der Jetztzeit an schmiedbarem Eisen durch den Herdfrischprocess ge-
deckt werden sollte.

Aus diesen Gründen verlor das Herdfrischen, welches noch in den
ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts den wichtigsten Process zur
Darstellung schmiedbaren Eisens bildete, mehr und mehr an Bedeutung,
als der Bedarf an schmiedbarem Eisen durch die Einführung der Eisen-
bahnen so ausserordentlich stieg, während die Holzkohlen sich mehr
und mehr vertheuerten. In grossen Bezirken, wo noch vor fünfzig oder
sechzig Jahren die Herdfrischerei in ausgedehnter Weise betrieben
wurde, sind die Frischfeuer seitdem vollständig verschwunden.

Andererseits besitzt der Herdfrischprocess eine Eigenthümlichkeit,
die ihn in gewisser Hinsicht vortheilhaft auszeichnet. Wie schon früher
hervorgehoben wurde, fällt bei allen Processen der Schweisseisendar-
stellung der Gehalt des erfolgenden Schweisseisens an eingemengter
Schlacke, welche die Güte desselben so empfindlich benachtheiligt, um
so geringer aus, und das Eisen selbst ist in seiner Beschaffenheit um
so gleichartiger, je weniger Eisen mit einem Male dargestellt wird, und
je dünnflüssiger die dabei erfolgende Schlacke ist. Im Frischfeuer lassen
sich seiner ganzen Einrichtung nach überhaupt nur kleine Mengen
Eisen mit einem Male verarbeiten 1), die Temperatur innerhalb des

1) Man verarbeitet selten mehr als 150 kg, häufig weniger.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0829" n="757"/>
              <fw place="top" type="header">Das Herdfrischen.</fw><lb/>
              <p>Als Brennmaterial dienen Holzkohlen. Koks würden in Rück-<lb/>
sicht auf ihren Aschen-, insbesondere Schwefelgehalt und auf die statt-<lb/>
findende unmittelbare Berührung zwischen Brennstoff und Eisen nicht<lb/>
anwendbar sein. Die Umwandlung des Roheisens in schmiedbares<lb/>
Eisen erfolgt, indem man ersteres tropfenweise vor dem Windstrahle<lb/>
niederschmilzt, wobei Silicium, Mangan und Kohlenstoff oxydirt werden<lb/>
und dieses Verfahren so oft wiederholt, bis jene Körper vollständig<lb/>
oder bis zu dem erforderlichen Maasse ausgeschieden sind. Von der<lb/>
Beschaffenheit des verwendeten Roheisens wie von der gewünschten<lb/>
Beschaffenheit des darzustellenden schmiedbaren Eisens hängt es ab,<lb/>
wie oft dieses Niederschmelzen stattfinden muss. In einzelnen Fällen<lb/>
genügt schon ein einmaliges Schmelzen, häufiger ist ein zweimaliges,<lb/>
mitunter ein dreimaliges oder noch öfteres Schmelzen des ganzen Ein-<lb/>
satzes oder der am wenigsten von der Oxydationswirkung betroffenen<lb/>
Theile desselben erforderlich.</p><lb/>
              <p>Die geschilderten Eigenthümlichkeiten des Herdfrischprocesses, ins-<lb/>
besondere die Nothwendigkeit, das zu verfrischende Roheisen ganz nach<lb/>
und nach und zu wiederholten Malen einzuschmelzen, machen es erklär-<lb/>
lich, dass die Leistung eines einzigen Frischfeuers nur eine sehr be-<lb/>
schränkte sein kann. Die Nothwendigkeit, Holzkohlen zu benutzen,<lb/>
knüpft den Process an das ausreichende Vorkommen dieses Brenn-<lb/>
stoffes und vertheuert das Enderzeugniss in allen den Gegenden, wo<lb/>
Holzkohlen schwierig zu erlangen sind; sie macht sogar eine Aus-<lb/>
breitung des Processes über jene Grenzen hinaus unmöglich, welche<lb/>
durch den jährlichen Zuwachs an Holz und die damit zusammen-<lb/>
hängende jährliche Erzeugung von Holzkohlen gesteckt sind. Alle Holz<lb/>
kohlen der Erde zusammen würden nicht ausreichen, wenn der Bedarf<lb/>
der Jetztzeit an schmiedbarem Eisen durch den Herdfrischprocess ge-<lb/>
deckt werden sollte.</p><lb/>
              <p>Aus diesen Gründen verlor das Herdfrischen, welches noch in den<lb/>
ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts den wichtigsten Process zur<lb/>
Darstellung schmiedbaren Eisens bildete, mehr und mehr an Bedeutung,<lb/>
als der Bedarf an schmiedbarem Eisen durch die Einführung der Eisen-<lb/>
bahnen so ausserordentlich stieg, während die Holzkohlen sich mehr<lb/>
und mehr vertheuerten. In grossen Bezirken, wo noch vor fünfzig oder<lb/>
sechzig Jahren die Herdfrischerei in ausgedehnter Weise betrieben<lb/>
wurde, sind die Frischfeuer seitdem vollständig verschwunden.</p><lb/>
              <p>Andererseits besitzt der Herdfrischprocess eine Eigenthümlichkeit,<lb/>
die ihn in gewisser Hinsicht vortheilhaft auszeichnet. Wie schon früher<lb/>
hervorgehoben wurde, fällt bei allen Processen der Schweisseisendar-<lb/>
stellung der Gehalt des erfolgenden Schweisseisens an eingemengter<lb/>
Schlacke, welche die Güte desselben so empfindlich benachtheiligt, um<lb/>
so geringer aus, und das Eisen selbst ist in seiner Beschaffenheit um<lb/>
so gleichartiger, je weniger Eisen mit einem Male dargestellt wird, und<lb/>
je dünnflüssiger die dabei erfolgende Schlacke ist. Im Frischfeuer lassen<lb/>
sich seiner ganzen Einrichtung nach überhaupt nur kleine Mengen<lb/>
Eisen mit einem Male verarbeiten <note place="foot" n="1)">Man verarbeitet selten mehr als 150 kg, häufig weniger.</note>, die Temperatur innerhalb des<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[757/0829] Das Herdfrischen. Als Brennmaterial dienen Holzkohlen. Koks würden in Rück- sicht auf ihren Aschen-, insbesondere Schwefelgehalt und auf die statt- findende unmittelbare Berührung zwischen Brennstoff und Eisen nicht anwendbar sein. Die Umwandlung des Roheisens in schmiedbares Eisen erfolgt, indem man ersteres tropfenweise vor dem Windstrahle niederschmilzt, wobei Silicium, Mangan und Kohlenstoff oxydirt werden und dieses Verfahren so oft wiederholt, bis jene Körper vollständig oder bis zu dem erforderlichen Maasse ausgeschieden sind. Von der Beschaffenheit des verwendeten Roheisens wie von der gewünschten Beschaffenheit des darzustellenden schmiedbaren Eisens hängt es ab, wie oft dieses Niederschmelzen stattfinden muss. In einzelnen Fällen genügt schon ein einmaliges Schmelzen, häufiger ist ein zweimaliges, mitunter ein dreimaliges oder noch öfteres Schmelzen des ganzen Ein- satzes oder der am wenigsten von der Oxydationswirkung betroffenen Theile desselben erforderlich. Die geschilderten Eigenthümlichkeiten des Herdfrischprocesses, ins- besondere die Nothwendigkeit, das zu verfrischende Roheisen ganz nach und nach und zu wiederholten Malen einzuschmelzen, machen es erklär- lich, dass die Leistung eines einzigen Frischfeuers nur eine sehr be- schränkte sein kann. Die Nothwendigkeit, Holzkohlen zu benutzen, knüpft den Process an das ausreichende Vorkommen dieses Brenn- stoffes und vertheuert das Enderzeugniss in allen den Gegenden, wo Holzkohlen schwierig zu erlangen sind; sie macht sogar eine Aus- breitung des Processes über jene Grenzen hinaus unmöglich, welche durch den jährlichen Zuwachs an Holz und die damit zusammen- hängende jährliche Erzeugung von Holzkohlen gesteckt sind. Alle Holz kohlen der Erde zusammen würden nicht ausreichen, wenn der Bedarf der Jetztzeit an schmiedbarem Eisen durch den Herdfrischprocess ge- deckt werden sollte. Aus diesen Gründen verlor das Herdfrischen, welches noch in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts den wichtigsten Process zur Darstellung schmiedbaren Eisens bildete, mehr und mehr an Bedeutung, als der Bedarf an schmiedbarem Eisen durch die Einführung der Eisen- bahnen so ausserordentlich stieg, während die Holzkohlen sich mehr und mehr vertheuerten. In grossen Bezirken, wo noch vor fünfzig oder sechzig Jahren die Herdfrischerei in ausgedehnter Weise betrieben wurde, sind die Frischfeuer seitdem vollständig verschwunden. Andererseits besitzt der Herdfrischprocess eine Eigenthümlichkeit, die ihn in gewisser Hinsicht vortheilhaft auszeichnet. Wie schon früher hervorgehoben wurde, fällt bei allen Processen der Schweisseisendar- stellung der Gehalt des erfolgenden Schweisseisens an eingemengter Schlacke, welche die Güte desselben so empfindlich benachtheiligt, um so geringer aus, und das Eisen selbst ist in seiner Beschaffenheit um so gleichartiger, je weniger Eisen mit einem Male dargestellt wird, und je dünnflüssiger die dabei erfolgende Schlacke ist. Im Frischfeuer lassen sich seiner ganzen Einrichtung nach überhaupt nur kleine Mengen Eisen mit einem Male verarbeiten 1), die Temperatur innerhalb des 1) Man verarbeitet selten mehr als 150 kg, häufig weniger.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/829
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 757. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/829>, abgerufen am 23.07.2024.