Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Neben der Zerreissungsfestigkeit pflegt man bei solchen Versuchen die stattfindende Längenausdehnung des Probestabes vor dem Zerreissen, oder die Contraction des Querschnittes, oder beide Veränderungen zu- sammen zu ermitteln, um sie als Maassstab für die Zähigkeit des Eisens zu benutzen. Vollständig genaue Schlussfolgerungen für die Zähigkeit des Materiales gewährt nun freilich weder die Längenausdehnung noch die Contraction, wie schon aus der Thatsache sich ergiebt, dass bei einem und demselben Eisen ziemlich abweichende Ziffern für beide Vorgänge zu entfallen pflegen, je nachdem man Stäbe von kreisrundem, quadratischem oder rechteckigem Querschnitte der Probe unterwirft, während der Zerreissungsmodul nicht durch die Form des Querschnittes beeinflusst wird 1); immerhin wird man wenigstens im Allgemeinen von einem Eisen, welches, ehe es reisst, eine bedeutende Längenausdehnung zeigt oder seinen Querschnitt an der Zerreissungsstelle stark verringert, auch eine grössere Zähigkeit erwarten können, als wenn diese Ver- änderungen nur unbedeutend sind und der Bruch somit plötzlich ein- tritt. Ob aber Längenausdehnung oder Querschnittscontraction das zuverlässigere Maass für die Zähigkeit bilde, darüber sind die Techniker keineswegs einig. Während von einigen Seiten, insbesondere von den Verwaltungen der Eisenbahnen, die Querschnittscontraction als maass- gebend für die Zähigkeit betrachtet wird und man aus der Summe der Contraction in Procenten und der Festigkeit per qmm in Kilogrammen die sogenannte Qualitätsziffer bildet (S. 650), wird von anderer Seite mit vollem Rechte darauf hingewiesen, dass die Contraction in höherem Maasse als die Längenausdehnung von Zufälligkeiten abhängig und deshalb auch weniger zuverlässig als diese sei. Die früher mitgetheilten Beispiele der Festigkeitseigenschaften verschiedener Eisensorten werden erkennen lassen, dass auch bei einem und demselben Eisen die Längen- ausdehnung und Contraction keineswegs immer in gleichem Verhältnisse ab- und zunehmen, wenn durch Bearbeitung, Ausglühen, Härten u. s. w. die Festigkeitseigenschaften überhaupt sich ändern; während aber die Aenderung der Ausdehnungsfähigkeit ziemlich regelmässig im umge- kehrten Verhältnisse zu den Aenderungen der Festigkeit steht, lässt sich hinsichtlich der Contraction eine gleiche Regelmässigkeit nicht immer wahrnehmen. 2)
Dass es erforderlich sei, die stattgehabte Längenausdehnung auch auf eine bestimmte Längeneinheit zu beziehen, sofern man sie für einen Vergleich verschiedener Eisensorten benutzen will, wurde schon früher erörtert. In der Nähe der Zerreissungsstelle ist die Längenausdehnung regelmässig am stärksten; auf eine je kleinere Längeneinheit man sie also bezieht, desto grössere Ziffern wird man erhalten. In der Praxis pflegt man 150 oder 200 mm Länge als Einheit anzunehmen und dieses Maass mit Körnerpunkten auf dem eingespannten Stabe anzuzeichnen.
f) Härtungsprobe. Da kohlenstoffarmes Eisen überhaupt keine oder nur sehr undeutliche Härtungsfähigkeit zeigt, so kommt die Härtungs- probe nur bei den kohlenstoffreicheren Sorten, dem Stahle, in Betracht;
1) "Stahl und Eisen" 1881, S. 7.
2) Vergl. u. a. die Ziffern auf S. 655, den Einfluss des Ausschmiedens auf die Festigkeitseigenschaften betreffend.
Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Neben der Zerreissungsfestigkeit pflegt man bei solchen Versuchen die stattfindende Längenausdehnung des Probestabes vor dem Zerreissen, oder die Contraction des Querschnittes, oder beide Veränderungen zu- sammen zu ermitteln, um sie als Maassstab für die Zähigkeit des Eisens zu benutzen. Vollständig genaue Schlussfolgerungen für die Zähigkeit des Materiales gewährt nun freilich weder die Längenausdehnung noch die Contraction, wie schon aus der Thatsache sich ergiebt, dass bei einem und demselben Eisen ziemlich abweichende Ziffern für beide Vorgänge zu entfallen pflegen, je nachdem man Stäbe von kreisrundem, quadratischem oder rechteckigem Querschnitte der Probe unterwirft, während der Zerreissungsmodul nicht durch die Form des Querschnittes beeinflusst wird 1); immerhin wird man wenigstens im Allgemeinen von einem Eisen, welches, ehe es reisst, eine bedeutende Längenausdehnung zeigt oder seinen Querschnitt an der Zerreissungsstelle stark verringert, auch eine grössere Zähigkeit erwarten können, als wenn diese Ver- änderungen nur unbedeutend sind und der Bruch somit plötzlich ein- tritt. Ob aber Längenausdehnung oder Querschnittscontraction das zuverlässigere Maass für die Zähigkeit bilde, darüber sind die Techniker keineswegs einig. Während von einigen Seiten, insbesondere von den Verwaltungen der Eisenbahnen, die Querschnittscontraction als maass- gebend für die Zähigkeit betrachtet wird und man aus der Summe der Contraction in Procenten und der Festigkeit per qmm in Kilogrammen die sogenannte Qualitätsziffer bildet (S. 650), wird von anderer Seite mit vollem Rechte darauf hingewiesen, dass die Contraction in höherem Maasse als die Längenausdehnung von Zufälligkeiten abhängig und deshalb auch weniger zuverlässig als diese sei. Die früher mitgetheilten Beispiele der Festigkeitseigenschaften verschiedener Eisensorten werden erkennen lassen, dass auch bei einem und demselben Eisen die Längen- ausdehnung und Contraction keineswegs immer in gleichem Verhältnisse ab- und zunehmen, wenn durch Bearbeitung, Ausglühen, Härten u. s. w. die Festigkeitseigenschaften überhaupt sich ändern; während aber die Aenderung der Ausdehnungsfähigkeit ziemlich regelmässig im umge- kehrten Verhältnisse zu den Aenderungen der Festigkeit steht, lässt sich hinsichtlich der Contraction eine gleiche Regelmässigkeit nicht immer wahrnehmen. 2)
Dass es erforderlich sei, die stattgehabte Längenausdehnung auch auf eine bestimmte Längeneinheit zu beziehen, sofern man sie für einen Vergleich verschiedener Eisensorten benutzen will, wurde schon früher erörtert. In der Nähe der Zerreissungsstelle ist die Längenausdehnung regelmässig am stärksten; auf eine je kleinere Längeneinheit man sie also bezieht, desto grössere Ziffern wird man erhalten. In der Praxis pflegt man 150 oder 200 mm Länge als Einheit anzunehmen und dieses Maass mit Körnerpunkten auf dem eingespannten Stabe anzuzeichnen.
f) Härtungsprobe. Da kohlenstoffarmes Eisen überhaupt keine oder nur sehr undeutliche Härtungsfähigkeit zeigt, so kommt die Härtungs- probe nur bei den kohlenstoffreicheren Sorten, dem Stahle, in Betracht;
1) „Stahl und Eisen“ 1881, S. 7.
2) Vergl. u. a. die Ziffern auf S. 655, den Einfluss des Ausschmiedens auf die Festigkeitseigenschaften betreffend.
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Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Neben der Zerreissungsfestigkeit pflegt man bei solchen Versuchen
die stattfindende Längenausdehnung des Probestabes vor dem Zerreissen,
oder die Contraction des Querschnittes, oder beide Veränderungen zu-
sammen zu ermitteln, um sie als Maassstab für die Zähigkeit des Eisens
zu benutzen. Vollständig genaue Schlussfolgerungen für die Zähigkeit
des Materiales gewährt nun freilich weder die Längenausdehnung noch
die Contraction, wie schon aus der Thatsache sich ergiebt, dass bei
einem und demselben Eisen ziemlich abweichende Ziffern für beide
Vorgänge zu entfallen pflegen, je nachdem man Stäbe von kreisrundem,
quadratischem oder rechteckigem Querschnitte der Probe unterwirft,
während der Zerreissungsmodul nicht durch die Form des Querschnittes
beeinflusst wird 1); immerhin wird man wenigstens im Allgemeinen von
einem Eisen, welches, ehe es reisst, eine bedeutende Längenausdehnung
zeigt oder seinen Querschnitt an der Zerreissungsstelle stark verringert,
auch eine grössere Zähigkeit erwarten können, als wenn diese Ver-
änderungen nur unbedeutend sind und der Bruch somit plötzlich ein-
tritt. Ob aber Längenausdehnung oder Querschnittscontraction das
zuverlässigere Maass für die Zähigkeit bilde, darüber sind die Techniker
keineswegs einig. Während von einigen Seiten, insbesondere von den
Verwaltungen der Eisenbahnen, die Querschnittscontraction als maass-
gebend für die Zähigkeit betrachtet wird und man aus der Summe der
Contraction in Procenten und der Festigkeit per qmm in Kilogrammen
die sogenannte Qualitätsziffer bildet (S. 650), wird von anderer Seite
mit vollem Rechte darauf hingewiesen, dass die Contraction in höherem
Maasse als die Längenausdehnung von Zufälligkeiten abhängig und
deshalb auch weniger zuverlässig als diese sei. Die früher mitgetheilten
Beispiele der Festigkeitseigenschaften verschiedener Eisensorten werden
erkennen lassen, dass auch bei einem und demselben Eisen die Längen-
ausdehnung und Contraction keineswegs immer in gleichem Verhältnisse
ab- und zunehmen, wenn durch Bearbeitung, Ausglühen, Härten u. s. w.
die Festigkeitseigenschaften überhaupt sich ändern; während aber die
Aenderung der Ausdehnungsfähigkeit ziemlich regelmässig im umge-
kehrten Verhältnisse zu den Aenderungen der Festigkeit steht, lässt sich
hinsichtlich der Contraction eine gleiche Regelmässigkeit nicht immer
wahrnehmen. 2)
Dass es erforderlich sei, die stattgehabte Längenausdehnung auch
auf eine bestimmte Längeneinheit zu beziehen, sofern man sie für einen
Vergleich verschiedener Eisensorten benutzen will, wurde schon früher
erörtert. In der Nähe der Zerreissungsstelle ist die Längenausdehnung
regelmässig am stärksten; auf eine je kleinere Längeneinheit man sie
also bezieht, desto grössere Ziffern wird man erhalten. In der Praxis
pflegt man 150 oder 200 mm Länge als Einheit anzunehmen und dieses
Maass mit Körnerpunkten auf dem eingespannten Stabe anzuzeichnen.
f) Härtungsprobe. Da kohlenstoffarmes Eisen überhaupt keine oder
nur sehr undeutliche Härtungsfähigkeit zeigt, so kommt die Härtungs-
probe nur bei den kohlenstoffreicheren Sorten, dem Stahle, in Betracht;
1) „Stahl und Eisen“ 1881, S. 7.
2) Vergl. u. a. die Ziffern auf S. 655, den Einfluss des Ausschmiedens auf die
Festigkeitseigenschaften betreffend.
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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/736>, abgerufen am 08.01.2025.
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