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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Kaltbiegeprobe.
anstellen. Ein Stück Flacheisen, etwa 25--30 mm breit, 10 mm stark,
wird in Rothgluth an dem einen Ende auf eine Länge von 50--60 mm
mit Hilfe des Schrotmeissels aufgespalten, die hierbei entstehenden zwei
Lappen werden alsdann nach den beiden Seiten hin umgebogen und
schliesslich, sofern sie nicht etwa wegen Rothbruches abbrechen, voll-
ständig nach rückwärts an das Eisenstück angelegt (Fig. 165). An einer
andern Stelle des Eisenstabes (bei a in Fig. 165) schlägt man mit Hilfe
des Durchschlages und Lochringes durch
das rothglühende Eisen ein Loch, dessen
Durchmesser mindestens gleich der hal-
ben Breite des Stabes ist (so dass zwi-
schen demselben und der äusseren Kante
des Stabes nur noch eine schmale Eisen-
stärke bleibt) und biegt nun, wenn nicht
[Abbildung] Fig. 165.
schon bei dem Lochen ein Reissen des Eisens an den schmalen Stellen
eintrat, den Stab an dieser Stelle um 180 Grad zusammen. Roth-
brüchiges Eisen bekommt hierbei Risse oder bricht vollständig durch.

Prüft man Stahl in dieser Weise, so ist eine geringere Stärke des
Probestabes, als oben angegeben wurde, erforderlich; 3--5 mm genügt
in diesem Falle.

c) Kaltbiegeprobe. Dieselbe kommt vorzugsweise bei solchen Eisen-
sorten zur Anwendung, bei welchen grosse Zähigkeit ein Haupterforder-
niss ist; weniger häufig bei Stahl. Will man letztere in dieser Weise
prüfen, so kann es nur in gut ausgeglühtem Zustande geschehen.

Die Ausführung lässt sich, gemäss der verschiedenen Form des zu
prüfenden Eisens, in verschiedener Weise bewirken.

Stäbe biegt man entweder im Schraubstocke oder mit Hilfe einer
besonderen Biegevorrichtung zu einer Schleife zusammen, deren lichter
Durchmesser theils von der Stärke des Stabes, theils von der erforder-
lichen Beschaffenheit abhängig ist. Kohlenstoff- und phosphorarmes, sehr
zähes Eisen muss bei 15 mm Stärke eine Biegung zu einer Schleife
ertragen, deren innerer Durchmesser nicht grösser ist als die Stärke
des Probestabes; bei weniger zähem Eisen genügt die doppelte Stärke
des Eisens als Durchmesser der Schleife. Schwächere Stäbe (3--5 mm
stark) müssen, wenn sie aus zähem Eisen gefertigt sind, sich vollständig
um 180 Grad biegen und flach zusammenschlagen lassen. Haben die
Stäbe vierseitigen Querschnitt (Flach- und Quadrateisen), so empfiehlt
sich auch hier, wie bei der Schmiedeprobe, eine zuvorige Abrundung
der Kanten durch Befeilen.

Prüft man Stäbe, welche aus Blechen ausgeschnitten sind, in dieser
Weise, um die Beschaffenheit der Bleche kennen zu lernen, so kommt
in Betracht, dass, wenigstens bei Schweisseisenblechen, die Biegsamkeit
in der Richtung der Längsfaser grösser ist als gegen dieselbe, ferner
dass die für Dampfkessel, Träger u. s. w. bestimmten Bleche in ziem-
lich abgekühltem Zustande das Walzwerk verlassen und, ohne aus-
geglüht zu werden, in den Handel kommen. Ihre Festigkeit ist daher
grösser, ihre Biegsamkeit aber geringer, als wenn sie, wie die meisten
anderen Eisensorten, glühend aus der Verarbeitung hervorgingen. Nach
dem Uebereinkommen des Vereins deutscher Eisenhüttenleute sollen

Ledebur, Handbuch. 43

Kaltbiegeprobe.
anstellen. Ein Stück Flacheisen, etwa 25—30 mm breit, 10 mm stark,
wird in Rothgluth an dem einen Ende auf eine Länge von 50—60 mm
mit Hilfe des Schrotmeissels aufgespalten, die hierbei entstehenden zwei
Lappen werden alsdann nach den beiden Seiten hin umgebogen und
schliesslich, sofern sie nicht etwa wegen Rothbruches abbrechen, voll-
ständig nach rückwärts an das Eisenstück angelegt (Fig. 165). An einer
andern Stelle des Eisenstabes (bei a in Fig. 165) schlägt man mit Hilfe
des Durchschlages und Lochringes durch
das rothglühende Eisen ein Loch, dessen
Durchmesser mindestens gleich der hal-
ben Breite des Stabes ist (so dass zwi-
schen demselben und der äusseren Kante
des Stabes nur noch eine schmale Eisen-
stärke bleibt) und biegt nun, wenn nicht
[Abbildung] Fig. 165.
schon bei dem Lochen ein Reissen des Eisens an den schmalen Stellen
eintrat, den Stab an dieser Stelle um 180 Grad zusammen. Roth-
brüchiges Eisen bekommt hierbei Risse oder bricht vollständig durch.

Prüft man Stahl in dieser Weise, so ist eine geringere Stärke des
Probestabes, als oben angegeben wurde, erforderlich; 3—5 mm genügt
in diesem Falle.

c) Kaltbiegeprobe. Dieselbe kommt vorzugsweise bei solchen Eisen-
sorten zur Anwendung, bei welchen grosse Zähigkeit ein Haupterforder-
niss ist; weniger häufig bei Stahl. Will man letztere in dieser Weise
prüfen, so kann es nur in gut ausgeglühtem Zustande geschehen.

Die Ausführung lässt sich, gemäss der verschiedenen Form des zu
prüfenden Eisens, in verschiedener Weise bewirken.

Stäbe biegt man entweder im Schraubstocke oder mit Hilfe einer
besonderen Biegevorrichtung zu einer Schleife zusammen, deren lichter
Durchmesser theils von der Stärke des Stabes, theils von der erforder-
lichen Beschaffenheit abhängig ist. Kohlenstoff- und phosphorarmes, sehr
zähes Eisen muss bei 15 mm Stärke eine Biegung zu einer Schleife
ertragen, deren innerer Durchmesser nicht grösser ist als die Stärke
des Probestabes; bei weniger zähem Eisen genügt die doppelte Stärke
des Eisens als Durchmesser der Schleife. Schwächere Stäbe (3—5 mm
stark) müssen, wenn sie aus zähem Eisen gefertigt sind, sich vollständig
um 180 Grad biegen und flach zusammenschlagen lassen. Haben die
Stäbe vierseitigen Querschnitt (Flach- und Quadrateisen), so empfiehlt
sich auch hier, wie bei der Schmiedeprobe, eine zuvorige Abrundung
der Kanten durch Befeilen.

Prüft man Stäbe, welche aus Blechen ausgeschnitten sind, in dieser
Weise, um die Beschaffenheit der Bleche kennen zu lernen, so kommt
in Betracht, dass, wenigstens bei Schweisseisenblechen, die Biegsamkeit
in der Richtung der Längsfaser grösser ist als gegen dieselbe, ferner
dass die für Dampfkessel, Träger u. s. w. bestimmten Bleche in ziem-
lich abgekühltem Zustande das Walzwerk verlassen und, ohne aus-
geglüht zu werden, in den Handel kommen. Ihre Festigkeit ist daher
grösser, ihre Biegsamkeit aber geringer, als wenn sie, wie die meisten
anderen Eisensorten, glühend aus der Verarbeitung hervorgingen. Nach
dem Uebereinkommen des Vereins deutscher Eisenhüttenleute sollen

Ledebur, Handbuch. 43
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[665/0733] Kaltbiegeprobe. anstellen. Ein Stück Flacheisen, etwa 25—30 mm breit, 10 mm stark, wird in Rothgluth an dem einen Ende auf eine Länge von 50—60 mm mit Hilfe des Schrotmeissels aufgespalten, die hierbei entstehenden zwei Lappen werden alsdann nach den beiden Seiten hin umgebogen und schliesslich, sofern sie nicht etwa wegen Rothbruches abbrechen, voll- ständig nach rückwärts an das Eisenstück angelegt (Fig. 165). An einer andern Stelle des Eisenstabes (bei a in Fig. 165) schlägt man mit Hilfe des Durchschlages und Lochringes durch das rothglühende Eisen ein Loch, dessen Durchmesser mindestens gleich der hal- ben Breite des Stabes ist (so dass zwi- schen demselben und der äusseren Kante des Stabes nur noch eine schmale Eisen- stärke bleibt) und biegt nun, wenn nicht [Abbildung Fig. 165.] schon bei dem Lochen ein Reissen des Eisens an den schmalen Stellen eintrat, den Stab an dieser Stelle um 180 Grad zusammen. Roth- brüchiges Eisen bekommt hierbei Risse oder bricht vollständig durch. Prüft man Stahl in dieser Weise, so ist eine geringere Stärke des Probestabes, als oben angegeben wurde, erforderlich; 3—5 mm genügt in diesem Falle. c) Kaltbiegeprobe. Dieselbe kommt vorzugsweise bei solchen Eisen- sorten zur Anwendung, bei welchen grosse Zähigkeit ein Haupterforder- niss ist; weniger häufig bei Stahl. Will man letztere in dieser Weise prüfen, so kann es nur in gut ausgeglühtem Zustande geschehen. Die Ausführung lässt sich, gemäss der verschiedenen Form des zu prüfenden Eisens, in verschiedener Weise bewirken. Stäbe biegt man entweder im Schraubstocke oder mit Hilfe einer besonderen Biegevorrichtung zu einer Schleife zusammen, deren lichter Durchmesser theils von der Stärke des Stabes, theils von der erforder- lichen Beschaffenheit abhängig ist. Kohlenstoff- und phosphorarmes, sehr zähes Eisen muss bei 15 mm Stärke eine Biegung zu einer Schleife ertragen, deren innerer Durchmesser nicht grösser ist als die Stärke des Probestabes; bei weniger zähem Eisen genügt die doppelte Stärke des Eisens als Durchmesser der Schleife. Schwächere Stäbe (3—5 mm stark) müssen, wenn sie aus zähem Eisen gefertigt sind, sich vollständig um 180 Grad biegen und flach zusammenschlagen lassen. Haben die Stäbe vierseitigen Querschnitt (Flach- und Quadrateisen), so empfiehlt sich auch hier, wie bei der Schmiedeprobe, eine zuvorige Abrundung der Kanten durch Befeilen. Prüft man Stäbe, welche aus Blechen ausgeschnitten sind, in dieser Weise, um die Beschaffenheit der Bleche kennen zu lernen, so kommt in Betracht, dass, wenigstens bei Schweisseisenblechen, die Biegsamkeit in der Richtung der Längsfaser grösser ist als gegen dieselbe, ferner dass die für Dampfkessel, Träger u. s. w. bestimmten Bleche in ziem- lich abgekühltem Zustande das Walzwerk verlassen und, ohne aus- geglüht zu werden, in den Handel kommen. Ihre Festigkeit ist daher grösser, ihre Biegsamkeit aber geringer, als wenn sie, wie die meisten anderen Eisensorten, glühend aus der Verarbeitung hervorgingen. Nach dem Uebereinkommen des Vereins deutscher Eisenhüttenleute sollen Ledebur, Handbuch. 43

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/733>, abgerufen am 26.06.2024.