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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.

Durchschnittlich wird die Zähigkeit um so grösser sein, je weiter
die Festigkeit und die Elasticitätsgrenze aus einander liegen. Sie ver-
ringert sich daher, wenn die Elasticitätsgrenze steigt, ohne dass auch
die Festigkeit zunimmt.

Elasticität ist bekanntlich die Eigenschaft der Körper, vorüber-
gehende Formveränderungen unter dem Einflusse von Kräften zu
ertragen, deren Maass unterhalb der Elasticitäsgrenze bleibt. Auch für
diese vorübergehenden Formveränderuugen ist ein Arbeitsverbrauch
erforderlich; und aus diesem Grunde ist auch ein elastischer Körper
plötzlichem Zerspringen weniger ausgesetzt als ein weniger elastischer.

Körper, welche weder Zähigkeit noch Elasticität besitzen, also
weder vorübergehende noch bleibende Formveränderungen ertragen,
heissen spröde. Die Elasticitätsgrenze derselben liegt sehr nahe bei
der Festigkeit.


Die Festigkeit des schmiedbaren Eisens sowie die verwandten soeben
besprochenen Eigenschaften desselben sind abhängig von der chemi-
schen Zusammensetzung, der Herstellungsmethode und der der Prüfung
vorausgegangenen mechanischen Bearbeitung. Die Grenzwerthe dieser
Eigenschaften liegen deshalb bei verschiedenen Eisensorten häufig sehr
weit aus einander; so beträgt beispielsweise die Zerreissungsfestigkeit
einiger zwar geringwerthiger aber immerhin für untergeordnete Zwecke
noch brauchbarer Eisensorten nicht mehr als 25 kg per qmm und steigt
bei anderen auf mehr als 100 kg.

Im Allgemeinen besitzen diejenigen Eisensorten, deren
Festigkeit das höchste Maass erreicht, eine nur geringe
Zähigkeit; und umgekehrt wird die grösste Zähigkeit nur
bei solchem Eisen gefunden, dessen Festigkeit nicht über
das mittlere Maass hinausgeht
.

Je vorzüglicher das Eisen ist, desto grösser wird allerdings das
Maass beider Eigenschaften neben einander sein. In Rücksicht auf
diese Thatsache schreiben verschiedene Eisenbahnverwaltungen nach
Wöhler's Vorgange für Eisenlieferungen eine sogenannte Qualitäts-
ziffer
vor, welche durch die Summe der Zerreissungsfestigkeit per qmm
in Kilogrammen und der Contraction des Querschnittes an der Zer-
reissungsstelle in Procenten des ursprünglichen Querschnittes gebildet
wird. Besitzt z. B. ein Eisen eine Zerreissungsfestigkeit von 57 kg
per qmm und eine Contraction des Querschnittes von 40 Proc., so ist
die Qualitätsziffer 57 + 40 = 97; ein anderes Eisen möge eine Festig-
keit von 43 kg und eine Contraction von 45 Proc. besitzen, so ist seine
Qualitätsziffer 43 + 45 = 88; u. s. f. Da es aber für eine bestimmte
Verwendung des Eisens nicht gleichgültig ist, ob dasselbe bei gleicher
Qualitätsziffer eine hohe Festigkeit und geringe Zähigkeit oder hohe
Zähigkeit und geringe Festigkeit besitzt, so ist es bei Benutzung einer
solchen Qualitätsziffer als Maassstab für die Güte des Eisens immerhin
erforderlich, auch für jede der beiden Eigenschaften ein zulässiges
geringstes Maass vorzuschreiben, wobei die Summe der beiden Minimal-
ziffern niedriger ausfallen muss, als die vorgeschriebene Qualitätsziffer,

Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.

Durchschnittlich wird die Zähigkeit um so grösser sein, je weiter
die Festigkeit und die Elasticitätsgrenze aus einander liegen. Sie ver-
ringert sich daher, wenn die Elasticitätsgrenze steigt, ohne dass auch
die Festigkeit zunimmt.

Elasticität ist bekanntlich die Eigenschaft der Körper, vorüber-
gehende Formveränderungen unter dem Einflusse von Kräften zu
ertragen, deren Maass unterhalb der Elasticitäsgrenze bleibt. Auch für
diese vorübergehenden Formveränderuugen ist ein Arbeitsverbrauch
erforderlich; und aus diesem Grunde ist auch ein elastischer Körper
plötzlichem Zerspringen weniger ausgesetzt als ein weniger elastischer.

Körper, welche weder Zähigkeit noch Elasticität besitzen, also
weder vorübergehende noch bleibende Formveränderungen ertragen,
heissen spröde. Die Elasticitätsgrenze derselben liegt sehr nahe bei
der Festigkeit.


Die Festigkeit des schmiedbaren Eisens sowie die verwandten soeben
besprochenen Eigenschaften desselben sind abhängig von der chemi-
schen Zusammensetzung, der Herstellungsmethode und der der Prüfung
vorausgegangenen mechanischen Bearbeitung. Die Grenzwerthe dieser
Eigenschaften liegen deshalb bei verschiedenen Eisensorten häufig sehr
weit aus einander; so beträgt beispielsweise die Zerreissungsfestigkeit
einiger zwar geringwerthiger aber immerhin für untergeordnete Zwecke
noch brauchbarer Eisensorten nicht mehr als 25 kg per qmm und steigt
bei anderen auf mehr als 100 kg.

Im Allgemeinen besitzen diejenigen Eisensorten, deren
Festigkeit das höchste Maass erreicht, eine nur geringe
Zähigkeit; und umgekehrt wird die grösste Zähigkeit nur
bei solchem Eisen gefunden, dessen Festigkeit nicht über
das mittlere Maass hinausgeht
.

Je vorzüglicher das Eisen ist, desto grösser wird allerdings das
Maass beider Eigenschaften neben einander sein. In Rücksicht auf
diese Thatsache schreiben verschiedene Eisenbahnverwaltungen nach
Wöhler’s Vorgange für Eisenlieferungen eine sogenannte Qualitäts-
ziffer
vor, welche durch die Summe der Zerreissungsfestigkeit per qmm
in Kilogrammen und der Contraction des Querschnittes an der Zer-
reissungsstelle in Procenten des ursprünglichen Querschnittes gebildet
wird. Besitzt z. B. ein Eisen eine Zerreissungsfestigkeit von 57 kg
per qmm und eine Contraction des Querschnittes von 40 Proc., so ist
die Qualitätsziffer 57 + 40 = 97; ein anderes Eisen möge eine Festig-
keit von 43 kg und eine Contraction von 45 Proc. besitzen, so ist seine
Qualitätsziffer 43 + 45 = 88; u. s. f. Da es aber für eine bestimmte
Verwendung des Eisens nicht gleichgültig ist, ob dasselbe bei gleicher
Qualitätsziffer eine hohe Festigkeit und geringe Zähigkeit oder hohe
Zähigkeit und geringe Festigkeit besitzt, so ist es bei Benutzung einer
solchen Qualitätsziffer als Maassstab für die Güte des Eisens immerhin
erforderlich, auch für jede der beiden Eigenschaften ein zulässiges
geringstes Maass vorzuschreiben, wobei die Summe der beiden Minimal-
ziffern niedriger ausfallen muss, als die vorgeschriebene Qualitätsziffer,

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[650/0718] Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens. Durchschnittlich wird die Zähigkeit um so grösser sein, je weiter die Festigkeit und die Elasticitätsgrenze aus einander liegen. Sie ver- ringert sich daher, wenn die Elasticitätsgrenze steigt, ohne dass auch die Festigkeit zunimmt. Elasticität ist bekanntlich die Eigenschaft der Körper, vorüber- gehende Formveränderungen unter dem Einflusse von Kräften zu ertragen, deren Maass unterhalb der Elasticitäsgrenze bleibt. Auch für diese vorübergehenden Formveränderuugen ist ein Arbeitsverbrauch erforderlich; und aus diesem Grunde ist auch ein elastischer Körper plötzlichem Zerspringen weniger ausgesetzt als ein weniger elastischer. Körper, welche weder Zähigkeit noch Elasticität besitzen, also weder vorübergehende noch bleibende Formveränderungen ertragen, heissen spröde. Die Elasticitätsgrenze derselben liegt sehr nahe bei der Festigkeit. Die Festigkeit des schmiedbaren Eisens sowie die verwandten soeben besprochenen Eigenschaften desselben sind abhängig von der chemi- schen Zusammensetzung, der Herstellungsmethode und der der Prüfung vorausgegangenen mechanischen Bearbeitung. Die Grenzwerthe dieser Eigenschaften liegen deshalb bei verschiedenen Eisensorten häufig sehr weit aus einander; so beträgt beispielsweise die Zerreissungsfestigkeit einiger zwar geringwerthiger aber immerhin für untergeordnete Zwecke noch brauchbarer Eisensorten nicht mehr als 25 kg per qmm und steigt bei anderen auf mehr als 100 kg. Im Allgemeinen besitzen diejenigen Eisensorten, deren Festigkeit das höchste Maass erreicht, eine nur geringe Zähigkeit; und umgekehrt wird die grösste Zähigkeit nur bei solchem Eisen gefunden, dessen Festigkeit nicht über das mittlere Maass hinausgeht. Je vorzüglicher das Eisen ist, desto grösser wird allerdings das Maass beider Eigenschaften neben einander sein. In Rücksicht auf diese Thatsache schreiben verschiedene Eisenbahnverwaltungen nach Wöhler’s Vorgange für Eisenlieferungen eine sogenannte Qualitäts- ziffer vor, welche durch die Summe der Zerreissungsfestigkeit per qmm in Kilogrammen und der Contraction des Querschnittes an der Zer- reissungsstelle in Procenten des ursprünglichen Querschnittes gebildet wird. Besitzt z. B. ein Eisen eine Zerreissungsfestigkeit von 57 kg per qmm und eine Contraction des Querschnittes von 40 Proc., so ist die Qualitätsziffer 57 + 40 = 97; ein anderes Eisen möge eine Festig- keit von 43 kg und eine Contraction von 45 Proc. besitzen, so ist seine Qualitätsziffer 43 + 45 = 88; u. s. f. Da es aber für eine bestimmte Verwendung des Eisens nicht gleichgültig ist, ob dasselbe bei gleicher Qualitätsziffer eine hohe Festigkeit und geringe Zähigkeit oder hohe Zähigkeit und geringe Festigkeit besitzt, so ist es bei Benutzung einer solchen Qualitätsziffer als Maassstab für die Güte des Eisens immerhin erforderlich, auch für jede der beiden Eigenschaften ein zulässiges geringstes Maass vorzuschreiben, wobei die Summe der beiden Minimal- ziffern niedriger ausfallen muss, als die vorgeschriebene Qualitätsziffer,

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/718>, abgerufen am 22.12.2024.