Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
entstehenden Manganoxydul durch die Gegenwart freier Kieselsäure
Gelegenheit zur Sättigung mit derselben gegeben wäre.

Der Phosphorgehalt zeigt bei allen drei Roheisensorten eine deut-
liche Zunahme.


Da bei dem Umschmelzen des Roheisens in Schmelzöfen ohne
Tiegel der Gehalt desselben an fremden Körpern -- Silicium, Kohlen-
stoff, Mangan -- stärker als der Eisengehalt sich zu verringern pflegt,
der procentale Eisengehalt also steigt, so ist jeder derartige Um-
schmelzprocess in gewissem Sinne auch ein Reinigungsprocess des
Roheisens; denn je mehr fremde Körper aus demselben austreten, desto
mehr nähert sich dasselbe in seiner Beschaffenheit derjenigen des
reinen Eisens.

Damit ist nun freilich keineswegs gesagt, dass das reinere Roh-
eisen auch unter allen Umständen das werthvollere sei. Das für die
Eisengiesserei bestimmte Roheisen muss sogar, wie schon oben hervor-
gehoben wurde, einen gewissen Siliciumgehalt besitzen, ohne welchen
es unbrauchbar für seine Bestimmung wird; der Preis des Spiegel-
eisens steigt und fällt mit seinem Mangangehalte; und für einen
neueren Process der Darstellung schmiedbaren Eisens aus Roheisen,
den Thomas- oder basischen Bessemerprocess ist sogar ein bestimmter
Phosphorgehalt des Roheisens nothwendig, ohne welchen der Process
nicht durchführbar ist.

Von der Bestimmung des umgeschmolzenen Roheisens sowie von
seiner ursprünglichen Zusammensetzung hängt es also ab, ob die ge-
schilderten Einflüsse des Umschmelzens als vortheilhaft oder ungünstig
bezeichnet werden müssen. Immerhin kann der Fall eintreten, dass
eine möglichst weit getriebene Ausscheidung einzelner bestimmter Körper
aus dem Roheisen, sei es innerhalb des zum Umschmelzen bestimmten
Schmelzofens selbst, sei es in einem besonders hierfür bestimm-
ten Apparate, förderlich für seine weitere Verarbeitung ist. Wenn
graues Roheisen durch einen Frischprocess (S. 282) in schmiedbares
Eisen umgewandelt werden soll, so wird der eigentliche Frischprocess
abgekürzt werden können, wenn man dem Roheisen durch einen Vor-
bereitungsprocess seinen Siliciumgehalt entzieht; soll ein phosphor-
reiches Roheisen das Material zur Darstellung schmiedbaren Eisens mit
Hilfe eines Processes bilden, welcher nur eine beschränkte Phosphor-
abscheidung ermöglicht, so wird man ein vorzüglicheres Enderzeugniss
erhalten, wenn man schon durch einen Vorbereitungsprocess das Roh-
eisen eines Theils seines Phosphorgehaltes beraubt; eine Entschwefelung
schwefelreichen Roheisens würde, sofern sie mit ausreichend einfachen
Mitteln durchführbar ist, den Werth desselben für beinahe alle Ver-
wendungen erhöhen; u. s. f.

Bestimmte Verhältnisse können also die Anwendung gewisser Hilfs-
mittel rechtfertigen, durch welche eine weiter gehende Reinigung des
Roheisens, als sie durch einfaches Umschmelzen zu erreichen ist, herbei-
geführt wird, ohne dass, wie bei den Frischprocessen, auch der Kohlen-
stoffgehalt hierbei unter jene Grenze abgemindert wird, wo eben das
Roheisen seinen Charakter als solches verliert und zu schmiedbarem

Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
entstehenden Manganoxydul durch die Gegenwart freier Kieselsäure
Gelegenheit zur Sättigung mit derselben gegeben wäre.

Der Phosphorgehalt zeigt bei allen drei Roheisensorten eine deut-
liche Zunahme.


Da bei dem Umschmelzen des Roheisens in Schmelzöfen ohne
Tiegel der Gehalt desselben an fremden Körpern — Silicium, Kohlen-
stoff, Mangan — stärker als der Eisengehalt sich zu verringern pflegt,
der procentale Eisengehalt also steigt, so ist jeder derartige Um-
schmelzprocess in gewissem Sinne auch ein Reinigungsprocess des
Roheisens; denn je mehr fremde Körper aus demselben austreten, desto
mehr nähert sich dasselbe in seiner Beschaffenheit derjenigen des
reinen Eisens.

Damit ist nun freilich keineswegs gesagt, dass das reinere Roh-
eisen auch unter allen Umständen das werthvollere sei. Das für die
Eisengiesserei bestimmte Roheisen muss sogar, wie schon oben hervor-
gehoben wurde, einen gewissen Siliciumgehalt besitzen, ohne welchen
es unbrauchbar für seine Bestimmung wird; der Preis des Spiegel-
eisens steigt und fällt mit seinem Mangangehalte; und für einen
neueren Process der Darstellung schmiedbaren Eisens aus Roheisen,
den Thomas- oder basischen Bessemerprocess ist sogar ein bestimmter
Phosphorgehalt des Roheisens nothwendig, ohne welchen der Process
nicht durchführbar ist.

Von der Bestimmung des umgeschmolzenen Roheisens sowie von
seiner ursprünglichen Zusammensetzung hängt es also ab, ob die ge-
schilderten Einflüsse des Umschmelzens als vortheilhaft oder ungünstig
bezeichnet werden müssen. Immerhin kann der Fall eintreten, dass
eine möglichst weit getriebene Ausscheidung einzelner bestimmter Körper
aus dem Roheisen, sei es innerhalb des zum Umschmelzen bestimmten
Schmelzofens selbst, sei es in einem besonders hierfür bestimm-
ten Apparate, förderlich für seine weitere Verarbeitung ist. Wenn
graues Roheisen durch einen Frischprocess (S. 282) in schmiedbares
Eisen umgewandelt werden soll, so wird der eigentliche Frischprocess
abgekürzt werden können, wenn man dem Roheisen durch einen Vor-
bereitungsprocess seinen Siliciumgehalt entzieht; soll ein phosphor-
reiches Roheisen das Material zur Darstellung schmiedbaren Eisens mit
Hilfe eines Processes bilden, welcher nur eine beschränkte Phosphor-
abscheidung ermöglicht, so wird man ein vorzüglicheres Enderzeugniss
erhalten, wenn man schon durch einen Vorbereitungsprocess das Roh-
eisen eines Theils seines Phosphorgehaltes beraubt; eine Entschwefelung
schwefelreichen Roheisens würde, sofern sie mit ausreichend einfachen
Mitteln durchführbar ist, den Werth desselben für beinahe alle Ver-
wendungen erhöhen; u. s. f.

Bestimmte Verhältnisse können also die Anwendung gewisser Hilfs-
mittel rechtfertigen, durch welche eine weiter gehende Reinigung des
Roheisens, als sie durch einfaches Umschmelzen zu erreichen ist, herbei-
geführt wird, ohne dass, wie bei den Frischprocessen, auch der Kohlen-
stoffgehalt hierbei unter jene Grenze abgemindert wird, wo eben das
Roheisen seinen Charakter als solches verliert und zu schmiedbarem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0662" n="602"/><fw place="top" type="header">Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.</fw><lb/>
entstehenden Manganoxydul durch die Gegenwart freier Kieselsäure<lb/>
Gelegenheit zur Sättigung mit derselben gegeben wäre.</p><lb/>
            <p>Der Phosphorgehalt zeigt bei allen drei Roheisensorten eine deut-<lb/>
liche Zunahme.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Da bei dem Umschmelzen des Roheisens in Schmelzöfen ohne<lb/>
Tiegel der Gehalt desselben an fremden Körpern &#x2014; Silicium, Kohlen-<lb/>
stoff, Mangan &#x2014; stärker als der Eisengehalt sich zu verringern pflegt,<lb/>
der procentale Eisengehalt also steigt, so ist jeder derartige Um-<lb/>
schmelzprocess in gewissem Sinne auch ein Reinigungsprocess des<lb/>
Roheisens; denn je mehr fremde Körper aus demselben austreten, desto<lb/>
mehr nähert sich dasselbe in seiner Beschaffenheit derjenigen des<lb/>
reinen Eisens.</p><lb/>
            <p>Damit ist nun freilich keineswegs gesagt, dass das reinere Roh-<lb/>
eisen auch unter allen Umständen das werthvollere sei. Das für die<lb/>
Eisengiesserei bestimmte Roheisen muss sogar, wie schon oben hervor-<lb/>
gehoben wurde, einen gewissen Siliciumgehalt besitzen, ohne welchen<lb/>
es unbrauchbar für seine Bestimmung wird; der Preis des Spiegel-<lb/>
eisens steigt und fällt mit seinem Mangangehalte; und für einen<lb/>
neueren Process der Darstellung schmiedbaren Eisens aus Roheisen,<lb/>
den Thomas- oder basischen Bessemerprocess ist sogar ein bestimmter<lb/>
Phosphorgehalt des Roheisens nothwendig, ohne welchen der Process<lb/>
nicht durchführbar ist.</p><lb/>
            <p>Von der Bestimmung des umgeschmolzenen Roheisens sowie von<lb/>
seiner ursprünglichen Zusammensetzung hängt es also ab, ob die ge-<lb/>
schilderten Einflüsse des Umschmelzens als vortheilhaft oder ungünstig<lb/>
bezeichnet werden müssen. Immerhin <hi rendition="#g">kann</hi> der Fall eintreten, dass<lb/>
eine möglichst weit getriebene Ausscheidung einzelner bestimmter Körper<lb/>
aus dem Roheisen, sei es innerhalb des zum Umschmelzen bestimmten<lb/>
Schmelzofens selbst, sei es in einem besonders hierfür bestimm-<lb/>
ten Apparate, förderlich für seine weitere Verarbeitung ist. Wenn<lb/>
graues Roheisen durch einen Frischprocess (S. 282) in schmiedbares<lb/>
Eisen umgewandelt werden soll, so wird der eigentliche Frischprocess<lb/>
abgekürzt werden können, wenn man dem Roheisen durch einen Vor-<lb/>
bereitungsprocess seinen Siliciumgehalt entzieht; soll ein phosphor-<lb/>
reiches Roheisen das Material zur Darstellung schmiedbaren Eisens mit<lb/>
Hilfe eines Processes bilden, welcher nur eine beschränkte Phosphor-<lb/>
abscheidung ermöglicht, so wird man ein vorzüglicheres Enderzeugniss<lb/>
erhalten, wenn man schon durch einen Vorbereitungsprocess das Roh-<lb/>
eisen eines Theils seines Phosphorgehaltes beraubt; eine Entschwefelung<lb/>
schwefelreichen Roheisens würde, sofern sie mit ausreichend einfachen<lb/>
Mitteln durchführbar ist, den Werth desselben für beinahe alle Ver-<lb/>
wendungen erhöhen; u. s. f.</p><lb/>
            <p>Bestimmte Verhältnisse können also die Anwendung gewisser Hilfs-<lb/>
mittel rechtfertigen, durch welche eine weiter gehende Reinigung des<lb/>
Roheisens, als sie durch einfaches Umschmelzen zu erreichen ist, herbei-<lb/>
geführt wird, ohne dass, wie bei den Frischprocessen, auch der Kohlen-<lb/>
stoffgehalt hierbei unter jene Grenze abgemindert wird, wo eben das<lb/>
Roheisen seinen Charakter als solches verliert und zu schmiedbarem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[602/0662] Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens. entstehenden Manganoxydul durch die Gegenwart freier Kieselsäure Gelegenheit zur Sättigung mit derselben gegeben wäre. Der Phosphorgehalt zeigt bei allen drei Roheisensorten eine deut- liche Zunahme. Da bei dem Umschmelzen des Roheisens in Schmelzöfen ohne Tiegel der Gehalt desselben an fremden Körpern — Silicium, Kohlen- stoff, Mangan — stärker als der Eisengehalt sich zu verringern pflegt, der procentale Eisengehalt also steigt, so ist jeder derartige Um- schmelzprocess in gewissem Sinne auch ein Reinigungsprocess des Roheisens; denn je mehr fremde Körper aus demselben austreten, desto mehr nähert sich dasselbe in seiner Beschaffenheit derjenigen des reinen Eisens. Damit ist nun freilich keineswegs gesagt, dass das reinere Roh- eisen auch unter allen Umständen das werthvollere sei. Das für die Eisengiesserei bestimmte Roheisen muss sogar, wie schon oben hervor- gehoben wurde, einen gewissen Siliciumgehalt besitzen, ohne welchen es unbrauchbar für seine Bestimmung wird; der Preis des Spiegel- eisens steigt und fällt mit seinem Mangangehalte; und für einen neueren Process der Darstellung schmiedbaren Eisens aus Roheisen, den Thomas- oder basischen Bessemerprocess ist sogar ein bestimmter Phosphorgehalt des Roheisens nothwendig, ohne welchen der Process nicht durchführbar ist. Von der Bestimmung des umgeschmolzenen Roheisens sowie von seiner ursprünglichen Zusammensetzung hängt es also ab, ob die ge- schilderten Einflüsse des Umschmelzens als vortheilhaft oder ungünstig bezeichnet werden müssen. Immerhin kann der Fall eintreten, dass eine möglichst weit getriebene Ausscheidung einzelner bestimmter Körper aus dem Roheisen, sei es innerhalb des zum Umschmelzen bestimmten Schmelzofens selbst, sei es in einem besonders hierfür bestimm- ten Apparate, förderlich für seine weitere Verarbeitung ist. Wenn graues Roheisen durch einen Frischprocess (S. 282) in schmiedbares Eisen umgewandelt werden soll, so wird der eigentliche Frischprocess abgekürzt werden können, wenn man dem Roheisen durch einen Vor- bereitungsprocess seinen Siliciumgehalt entzieht; soll ein phosphor- reiches Roheisen das Material zur Darstellung schmiedbaren Eisens mit Hilfe eines Processes bilden, welcher nur eine beschränkte Phosphor- abscheidung ermöglicht, so wird man ein vorzüglicheres Enderzeugniss erhalten, wenn man schon durch einen Vorbereitungsprocess das Roh- eisen eines Theils seines Phosphorgehaltes beraubt; eine Entschwefelung schwefelreichen Roheisens würde, sofern sie mit ausreichend einfachen Mitteln durchführbar ist, den Werth desselben für beinahe alle Ver- wendungen erhöhen; u. s. f. Bestimmte Verhältnisse können also die Anwendung gewisser Hilfs- mittel rechtfertigen, durch welche eine weiter gehende Reinigung des Roheisens, als sie durch einfaches Umschmelzen zu erreichen ist, herbei- geführt wird, ohne dass, wie bei den Frischprocessen, auch der Kohlen- stoffgehalt hierbei unter jene Grenze abgemindert wird, wo eben das Roheisen seinen Charakter als solches verliert und zu schmiedbarem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/662
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/662>, abgerufen am 26.06.2024.