Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Verlauf des Hochofenprocesses.
muss das fast immer im kalten Zustande aufgeschüttete Erz auf die
Reductionstemperatur (S. 224) erwärmt werden; von der ganzen Höhe
des Ofens kommt also ein gewisser Theil von der Gicht abwärts für
diese Vorwärmung in Benutzung, und dieser Theil geht für die übrigen
erwähnten Processe verloren.

Der besseren Uebersichtlichkeit halber hat man wohl den Hochofen
in einzelne Zonen getheilt, die man Vorwärmzone, Reductionszone und
Schmelzzone benannte. Die Vorwärmzone nimmt den Raum unmittelbar
an der Gicht ein, die Reductionszone erstreckt sich bis zum unteren
Theile der Rast, und unten schliesst sich an dieselbe die Schmelz-
zone an. 1)

Eine derartige Eintheilung darf jedoch, wenn sie nicht irrthüm-
liche Anschauungen hervorrufen soll, nur mit Vorbehalt benutzt werden.

Einestheils sinken die in die Gicht eingeschütteten Schichten nie-
mals in gleichmässig horizontaler Anordnung abwärts. An den Wänden
entsteht Reibung und infolge davon ist die Bewegung hier langsamer
als in der Mitte. Aus den ursprünglich flachen Schichten werden auf
diese Weise Trichter; die dichteren und weniger rauhen Bestandtheile
der Beschickung aber, also die Erze und Zuschläge, stürzen natur-
gemäss der tiefsten Stelle des Trichters zu und gelangen auf diese
Weise früher nach unten als die gleichzeitig aufgeschütteten Brennstoffe.

Schon bei Besprechung der Gichtgasfänge wurden die Nachtheile
einer solchen Entmischung, d. h. einer Anhäufung der Erze nach der
Achse des Ofens hin, der Kohlen an den Wänden, erwähnt und zu-
gleich darauf hingedeutet, wie man im Stande sei, durch eine geeignete
Methode des Aufgichtens jener Entmischung entgegen zu wirken; die
Trichterbildung aber bleibt immerhin durch die Art des Aufgichtens
unbeeinflusst. Hieraus folgt, dass man jene Zonen sich wenigstens
nicht durch Horizontalebenen begrenzt vorstellen darf; je weiter nach
unten, desto stärker sind die in der Mitte befindlichen Theile den
übrigen vorangeeilt.

Es kommt hinzu, dass die Gase, diese Träger der Wärme und
Vermittler der Reduction, ebenfalls nicht gleichmässig innerhalb der
Ofenquerschnitte vertheilt sind, sondern vorzugsweise da aufsteigen,
wo sich ihnen die geringsten Widerstände entgegensetzen. Meistens
wird dieses an den Wänden des Ofens der Fall sein.

Den Vorgang der Reduction und Kohlung des Eisens darf man
sich nun keineswegs so vorstellen, dass ein Stück Eisenerz erst voll-
ständig zu metallischem Eisen reducirt werde, bevor die Kohlung
beginnen könne. Beide Vorgänge gehen, wie schon aus dem früher
Gesagten (S. 224--233) sich folgern lässt, Hand in Hand und schreiten
von der Aussenfläche des Erzes nach Innen fort. Aeusserlich kann
schon kohlenstoffhaltiges Eisen vorhanden sein, während der Kern noch

1) Die Benennungen wurden zuerst von Scheerer in seinem Lehrbuche der
Metallurgie (1853) angewendet und sogar durch eine Abbildung des durch horizon-
tale Ebenen in Zonen getheilten Ofens veranschaulicht. Zwischen Reductions- und
Schmelzzone schaltete Scheerer noch eine Kohlungszone ein; insofern diese Ein-
theilung auf der Annahme beruht, dass die Kohlung erst beginnt, wenn die Reduction
beendet sei, ist sie irrthümlich, wie sogleich erläutert werden soll.

Verlauf des Hochofenprocesses.
muss das fast immer im kalten Zustande aufgeschüttete Erz auf die
Reductionstemperatur (S. 224) erwärmt werden; von der ganzen Höhe
des Ofens kommt also ein gewisser Theil von der Gicht abwärts für
diese Vorwärmung in Benutzung, und dieser Theil geht für die übrigen
erwähnten Processe verloren.

Der besseren Uebersichtlichkeit halber hat man wohl den Hochofen
in einzelne Zonen getheilt, die man Vorwärmzone, Reductionszone und
Schmelzzone benannte. Die Vorwärmzone nimmt den Raum unmittelbar
an der Gicht ein, die Reductionszone erstreckt sich bis zum unteren
Theile der Rast, und unten schliesst sich an dieselbe die Schmelz-
zone an. 1)

Eine derartige Eintheilung darf jedoch, wenn sie nicht irrthüm-
liche Anschauungen hervorrufen soll, nur mit Vorbehalt benutzt werden.

Einestheils sinken die in die Gicht eingeschütteten Schichten nie-
mals in gleichmässig horizontaler Anordnung abwärts. An den Wänden
entsteht Reibung und infolge davon ist die Bewegung hier langsamer
als in der Mitte. Aus den ursprünglich flachen Schichten werden auf
diese Weise Trichter; die dichteren und weniger rauhen Bestandtheile
der Beschickung aber, also die Erze und Zuschläge, stürzen natur-
gemäss der tiefsten Stelle des Trichters zu und gelangen auf diese
Weise früher nach unten als die gleichzeitig aufgeschütteten Brennstoffe.

Schon bei Besprechung der Gichtgasfänge wurden die Nachtheile
einer solchen Entmischung, d. h. einer Anhäufung der Erze nach der
Achse des Ofens hin, der Kohlen an den Wänden, erwähnt und zu-
gleich darauf hingedeutet, wie man im Stande sei, durch eine geeignete
Methode des Aufgichtens jener Entmischung entgegen zu wirken; die
Trichterbildung aber bleibt immerhin durch die Art des Aufgichtens
unbeeinflusst. Hieraus folgt, dass man jene Zonen sich wenigstens
nicht durch Horizontalebenen begrenzt vorstellen darf; je weiter nach
unten, desto stärker sind die in der Mitte befindlichen Theile den
übrigen vorangeeilt.

Es kommt hinzu, dass die Gase, diese Träger der Wärme und
Vermittler der Reduction, ebenfalls nicht gleichmässig innerhalb der
Ofenquerschnitte vertheilt sind, sondern vorzugsweise da aufsteigen,
wo sich ihnen die geringsten Widerstände entgegensetzen. Meistens
wird dieses an den Wänden des Ofens der Fall sein.

Den Vorgang der Reduction und Kohlung des Eisens darf man
sich nun keineswegs so vorstellen, dass ein Stück Eisenerz erst voll-
ständig zu metallischem Eisen reducirt werde, bevor die Kohlung
beginnen könne. Beide Vorgänge gehen, wie schon aus dem früher
Gesagten (S. 224—233) sich folgern lässt, Hand in Hand und schreiten
von der Aussenfläche des Erzes nach Innen fort. Aeusserlich kann
schon kohlenstoffhaltiges Eisen vorhanden sein, während der Kern noch

1) Die Benennungen wurden zuerst von Scheerer in seinem Lehrbuche der
Metallurgie (1853) angewendet und sogar durch eine Abbildung des durch horizon-
tale Ebenen in Zonen getheilten Ofens veranschaulicht. Zwischen Reductions- und
Schmelzzone schaltete Scheerer noch eine Kohlungszone ein; insofern diese Ein-
theilung auf der Annahme beruht, dass die Kohlung erst beginnt, wenn die Reduction
beendet sei, ist sie irrthümlich, wie sogleich erläutert werden soll.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0519" n="459"/><fw place="top" type="header">Verlauf des Hochofenprocesses.</fw><lb/>
muss das fast immer im kalten Zustande aufgeschüttete Erz auf die<lb/>
Reductionstemperatur (S. 224) erwärmt werden; von der ganzen Höhe<lb/>
des Ofens kommt also ein gewisser Theil von der Gicht abwärts für<lb/>
diese Vorwärmung in Benutzung, und dieser Theil geht für die übrigen<lb/>
erwähnten Processe verloren.</p><lb/>
            <p>Der besseren Uebersichtlichkeit halber hat man wohl den Hochofen<lb/>
in einzelne Zonen getheilt, die man Vorwärmzone, Reductionszone und<lb/>
Schmelzzone benannte. Die Vorwärmzone nimmt den Raum unmittelbar<lb/>
an der Gicht ein, die Reductionszone erstreckt sich bis zum unteren<lb/>
Theile der Rast, und unten schliesst sich an dieselbe die Schmelz-<lb/>
zone an. <note place="foot" n="1)">Die Benennungen wurden zuerst von <hi rendition="#g">Scheerer</hi> in seinem Lehrbuche der<lb/>
Metallurgie (1853) angewendet und sogar durch eine Abbildung des durch horizon-<lb/>
tale Ebenen in Zonen getheilten Ofens veranschaulicht. Zwischen Reductions- und<lb/>
Schmelzzone schaltete <hi rendition="#g">Scheerer</hi> noch eine Kohlungszone ein; insofern diese Ein-<lb/>
theilung auf der Annahme beruht, dass die Kohlung erst beginnt, wenn die Reduction<lb/>
beendet sei, ist sie irrthümlich, wie sogleich erläutert werden soll.</note></p><lb/>
            <p>Eine derartige Eintheilung darf jedoch, wenn sie nicht irrthüm-<lb/>
liche Anschauungen hervorrufen soll, nur mit Vorbehalt benutzt werden.</p><lb/>
            <p>Einestheils sinken die in die Gicht eingeschütteten Schichten nie-<lb/>
mals in gleichmässig horizontaler Anordnung abwärts. An den Wänden<lb/>
entsteht Reibung und infolge davon ist die Bewegung hier langsamer<lb/>
als in der Mitte. Aus den ursprünglich flachen Schichten werden auf<lb/>
diese Weise Trichter; die dichteren und weniger rauhen Bestandtheile<lb/>
der Beschickung aber, also die Erze und Zuschläge, stürzen natur-<lb/>
gemäss der tiefsten Stelle des Trichters zu und gelangen auf diese<lb/>
Weise früher nach unten als die gleichzeitig aufgeschütteten Brennstoffe.</p><lb/>
            <p>Schon bei Besprechung der Gichtgasfänge wurden die Nachtheile<lb/>
einer solchen Entmischung, d. h. einer Anhäufung der Erze nach der<lb/>
Achse des Ofens hin, der Kohlen an den Wänden, erwähnt und zu-<lb/>
gleich darauf hingedeutet, wie man im Stande sei, durch eine geeignete<lb/>
Methode des Aufgichtens jener Entmischung entgegen zu wirken; die<lb/>
Trichterbildung aber bleibt immerhin durch die Art des Aufgichtens<lb/>
unbeeinflusst. Hieraus folgt, dass man jene Zonen sich wenigstens<lb/>
nicht durch Horizontalebenen begrenzt vorstellen darf; je weiter nach<lb/>
unten, desto stärker sind die in der Mitte befindlichen Theile den<lb/>
übrigen vorangeeilt.</p><lb/>
            <p>Es kommt hinzu, dass die Gase, diese Träger der Wärme und<lb/>
Vermittler der Reduction, ebenfalls nicht gleichmässig innerhalb der<lb/>
Ofenquerschnitte vertheilt sind, sondern vorzugsweise da aufsteigen,<lb/>
wo sich ihnen die geringsten Widerstände entgegensetzen. Meistens<lb/>
wird dieses an den Wänden des Ofens der Fall sein.</p><lb/>
            <p>Den Vorgang der Reduction und Kohlung des Eisens darf man<lb/>
sich nun keineswegs so vorstellen, dass ein Stück Eisenerz erst voll-<lb/>
ständig zu metallischem Eisen reducirt werde, bevor die Kohlung<lb/>
beginnen könne. Beide Vorgänge gehen, wie schon aus dem früher<lb/>
Gesagten (S. 224&#x2014;233) sich folgern lässt, Hand in Hand und schreiten<lb/>
von der Aussenfläche des Erzes nach Innen fort. Aeusserlich kann<lb/>
schon kohlenstoffhaltiges Eisen vorhanden sein, während der Kern noch<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459/0519] Verlauf des Hochofenprocesses. muss das fast immer im kalten Zustande aufgeschüttete Erz auf die Reductionstemperatur (S. 224) erwärmt werden; von der ganzen Höhe des Ofens kommt also ein gewisser Theil von der Gicht abwärts für diese Vorwärmung in Benutzung, und dieser Theil geht für die übrigen erwähnten Processe verloren. Der besseren Uebersichtlichkeit halber hat man wohl den Hochofen in einzelne Zonen getheilt, die man Vorwärmzone, Reductionszone und Schmelzzone benannte. Die Vorwärmzone nimmt den Raum unmittelbar an der Gicht ein, die Reductionszone erstreckt sich bis zum unteren Theile der Rast, und unten schliesst sich an dieselbe die Schmelz- zone an. 1) Eine derartige Eintheilung darf jedoch, wenn sie nicht irrthüm- liche Anschauungen hervorrufen soll, nur mit Vorbehalt benutzt werden. Einestheils sinken die in die Gicht eingeschütteten Schichten nie- mals in gleichmässig horizontaler Anordnung abwärts. An den Wänden entsteht Reibung und infolge davon ist die Bewegung hier langsamer als in der Mitte. Aus den ursprünglich flachen Schichten werden auf diese Weise Trichter; die dichteren und weniger rauhen Bestandtheile der Beschickung aber, also die Erze und Zuschläge, stürzen natur- gemäss der tiefsten Stelle des Trichters zu und gelangen auf diese Weise früher nach unten als die gleichzeitig aufgeschütteten Brennstoffe. Schon bei Besprechung der Gichtgasfänge wurden die Nachtheile einer solchen Entmischung, d. h. einer Anhäufung der Erze nach der Achse des Ofens hin, der Kohlen an den Wänden, erwähnt und zu- gleich darauf hingedeutet, wie man im Stande sei, durch eine geeignete Methode des Aufgichtens jener Entmischung entgegen zu wirken; die Trichterbildung aber bleibt immerhin durch die Art des Aufgichtens unbeeinflusst. Hieraus folgt, dass man jene Zonen sich wenigstens nicht durch Horizontalebenen begrenzt vorstellen darf; je weiter nach unten, desto stärker sind die in der Mitte befindlichen Theile den übrigen vorangeeilt. Es kommt hinzu, dass die Gase, diese Träger der Wärme und Vermittler der Reduction, ebenfalls nicht gleichmässig innerhalb der Ofenquerschnitte vertheilt sind, sondern vorzugsweise da aufsteigen, wo sich ihnen die geringsten Widerstände entgegensetzen. Meistens wird dieses an den Wänden des Ofens der Fall sein. Den Vorgang der Reduction und Kohlung des Eisens darf man sich nun keineswegs so vorstellen, dass ein Stück Eisenerz erst voll- ständig zu metallischem Eisen reducirt werde, bevor die Kohlung beginnen könne. Beide Vorgänge gehen, wie schon aus dem früher Gesagten (S. 224—233) sich folgern lässt, Hand in Hand und schreiten von der Aussenfläche des Erzes nach Innen fort. Aeusserlich kann schon kohlenstoffhaltiges Eisen vorhanden sein, während der Kern noch 1) Die Benennungen wurden zuerst von Scheerer in seinem Lehrbuche der Metallurgie (1853) angewendet und sogar durch eine Abbildung des durch horizon- tale Ebenen in Zonen getheilten Ofens veranschaulicht. Zwischen Reductions- und Schmelzzone schaltete Scheerer noch eine Kohlungszone ein; insofern diese Ein- theilung auf der Annahme beruht, dass die Kohlung erst beginnt, wenn die Reduction beendet sei, ist sie irrthümlich, wie sogleich erläutert werden soll.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/519
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/519>, abgerufen am 17.09.2024.