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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Einiges über Schlacken.

Alle jene Bestandtheile der Schlacken, insbesondere die erwähnten
Oxyde, aus denen die Schlacke im Wesentlichen besteht, treten in
ausserordentlich wechselnden gegenseitigen Gewichtsverhältnissen und
ohne jede Rücksicht auf stöchiometrische Verhältnisszahlen neben ein-
ander auf. Hieraus folgt zunächst, dass eine Schlacke nicht aus einer
einzigen bestimmten chemischen Verbindung (z. B. einem Silikate von
bestimmter Formel) zu bestehen braucht, sondern als eine erstarrte
Lösung verschiedener chemischer Verbindungen in ein-
ander
zu betrachten ist. Dass diese Verbindungen der Hauptsache
nach Sauerstoffverbindungen der Metalle und Metalloide seien,
wurde schon erwähnt.

Diese Theorie hat durchaus nichts Auffälliges, wenn man erwägt,
dass zahlreiche andere Körper ein gleiches Verhalten zeigen. Wasser
vermag verschiedenartige Körper zu lösen und mit ihnen zu erstarren,
ohne dass eine chemische Verbindung nach stöchiometrischen Verhält-
nissen dabei einzutreten braucht; Borax und Phosphorsalz dienen be-
kanntlich im geschmolzenen Zustande als vortreffliche Lösungsmittel
für Oxyde der mannigfachsten Art und erstarren mit denselben zu
gleichmässig zusammengesetzten "Gläsern", gleichviel, wie gross das
gegenseitige Gewichtsverhältniss ist.

Welche chemische Vereinigungen nun aber die einzelnen der in
gegenseitiger Lösung sich befindenden Körper (Oxyde) unter einander
eingegangen sind, darüber fehlt uns jeder sichere Nachweis, da die
Analyse uns nur über die Gewichtsmengen der anwesenden einfachen
Körper, beziehentlich ihrer Oxyde, Aufschluss zu geben im Stande ist.

Kieselsäurereichere Schlacken pflegt man als Gemenge verschiedener
Silikate zu betrachten, deren jedes einer bestimmten chemischen Formel
entspricht; und da die chemische Zusammensetzung der Schlacke nur
selten gestattet, die Anwesenheit gleichartiger Silikate (d. h. Silikate
mit verschiedenen Basen aber gleichem Silicirungsgrade) anzunehmen,
so hat man sich mit der Annahme zu helfen gesucht, dass auch ver-
schiedenartige Silikate (mit verschiedenem Silicirungsgrade) sich in ein-
ander zu lösen befähigt seien. Die deutliche Krystallisationsfähigkeit
vieler Schlacken aber hat die in manchen metallurgischen Schriften aus-
gesprochene Schlussfolgerung nahe gelegt, dass krystallisirte Schlacken
in allen Fällen als wirkliche chemische Verbindungen der Silikate unter
einander zu betrachten seien, und man hat sich vielfach bemüht, für
derartige Schlacken auf Grund der gefundenen chemischen Zusammen-
setzung chemische Formeln aufzustellen, welche das Verhältniss der
verschiedenen in der Schlacke anwesenden Silikate zu einander nach-
zuweisen bestimmt sind, eben dadurch aber häufig ein ziemlich ver-
wickeltes Ansehen bekommen.

Für den Mineralogen, welcher aus einer derartigen Formel Ueber-
einstimmung mit der Formel ebenso krystallisirender Mineralien erkennt
und hierdurch mitunter Schlüsse auf die Genesis derselben zu ziehen
befähigt wird, sind derartige Berechnungen nicht ohne Interesse; für
die Praxis des Eisenhüttenbetriebes besitzen sie keinen eigentlichen
Werth.

Manche Bedenken stellen sich jedoch der allgemeinen Anwendung
jener Theorie entgegen. Hierher gehört zunächst der Umstand, dass

Einiges über Schlacken.

Alle jene Bestandtheile der Schlacken, insbesondere die erwähnten
Oxyde, aus denen die Schlacke im Wesentlichen besteht, treten in
ausserordentlich wechselnden gegenseitigen Gewichtsverhältnissen und
ohne jede Rücksicht auf stöchiometrische Verhältnisszahlen neben ein-
ander auf. Hieraus folgt zunächst, dass eine Schlacke nicht aus einer
einzigen bestimmten chemischen Verbindung (z. B. einem Silikate von
bestimmter Formel) zu bestehen braucht, sondern als eine erstarrte
Lösung verschiedener chemischer Verbindungen in ein-
ander
zu betrachten ist. Dass diese Verbindungen der Hauptsache
nach Sauerstoffverbindungen der Metalle und Metalloide seien,
wurde schon erwähnt.

Diese Theorie hat durchaus nichts Auffälliges, wenn man erwägt,
dass zahlreiche andere Körper ein gleiches Verhalten zeigen. Wasser
vermag verschiedenartige Körper zu lösen und mit ihnen zu erstarren,
ohne dass eine chemische Verbindung nach stöchiometrischen Verhält-
nissen dabei einzutreten braucht; Borax und Phosphorsalz dienen be-
kanntlich im geschmolzenen Zustande als vortreffliche Lösungsmittel
für Oxyde der mannigfachsten Art und erstarren mit denselben zu
gleichmässig zusammengesetzten „Gläsern“, gleichviel, wie gross das
gegenseitige Gewichtsverhältniss ist.

Welche chemische Vereinigungen nun aber die einzelnen der in
gegenseitiger Lösung sich befindenden Körper (Oxyde) unter einander
eingegangen sind, darüber fehlt uns jeder sichere Nachweis, da die
Analyse uns nur über die Gewichtsmengen der anwesenden einfachen
Körper, beziehentlich ihrer Oxyde, Aufschluss zu geben im Stande ist.

Kieselsäurereichere Schlacken pflegt man als Gemenge verschiedener
Silikate zu betrachten, deren jedes einer bestimmten chemischen Formel
entspricht; und da die chemische Zusammensetzung der Schlacke nur
selten gestattet, die Anwesenheit gleichartiger Silikate (d. h. Silikate
mit verschiedenen Basen aber gleichem Silicirungsgrade) anzunehmen,
so hat man sich mit der Annahme zu helfen gesucht, dass auch ver-
schiedenartige Silikate (mit verschiedenem Silicirungsgrade) sich in ein-
ander zu lösen befähigt seien. Die deutliche Krystallisationsfähigkeit
vieler Schlacken aber hat die in manchen metallurgischen Schriften aus-
gesprochene Schlussfolgerung nahe gelegt, dass krystallisirte Schlacken
in allen Fällen als wirkliche chemische Verbindungen der Silikate unter
einander zu betrachten seien, und man hat sich vielfach bemüht, für
derartige Schlacken auf Grund der gefundenen chemischen Zusammen-
setzung chemische Formeln aufzustellen, welche das Verhältniss der
verschiedenen in der Schlacke anwesenden Silikate zu einander nach-
zuweisen bestimmt sind, eben dadurch aber häufig ein ziemlich ver-
wickeltes Ansehen bekommen.

Für den Mineralogen, welcher aus einer derartigen Formel Ueber-
einstimmung mit der Formel ebenso krystallisirender Mineralien erkennt
und hierdurch mitunter Schlüsse auf die Genesis derselben zu ziehen
befähigt wird, sind derartige Berechnungen nicht ohne Interesse; für
die Praxis des Eisenhüttenbetriebes besitzen sie keinen eigentlichen
Werth.

Manche Bedenken stellen sich jedoch der allgemeinen Anwendung
jener Theorie entgegen. Hierher gehört zunächst der Umstand, dass

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[146/0186] Einiges über Schlacken. Alle jene Bestandtheile der Schlacken, insbesondere die erwähnten Oxyde, aus denen die Schlacke im Wesentlichen besteht, treten in ausserordentlich wechselnden gegenseitigen Gewichtsverhältnissen und ohne jede Rücksicht auf stöchiometrische Verhältnisszahlen neben ein- ander auf. Hieraus folgt zunächst, dass eine Schlacke nicht aus einer einzigen bestimmten chemischen Verbindung (z. B. einem Silikate von bestimmter Formel) zu bestehen braucht, sondern als eine erstarrte Lösung verschiedener chemischer Verbindungen in ein- ander zu betrachten ist. Dass diese Verbindungen der Hauptsache nach Sauerstoffverbindungen der Metalle und Metalloide seien, wurde schon erwähnt. Diese Theorie hat durchaus nichts Auffälliges, wenn man erwägt, dass zahlreiche andere Körper ein gleiches Verhalten zeigen. Wasser vermag verschiedenartige Körper zu lösen und mit ihnen zu erstarren, ohne dass eine chemische Verbindung nach stöchiometrischen Verhält- nissen dabei einzutreten braucht; Borax und Phosphorsalz dienen be- kanntlich im geschmolzenen Zustande als vortreffliche Lösungsmittel für Oxyde der mannigfachsten Art und erstarren mit denselben zu gleichmässig zusammengesetzten „Gläsern“, gleichviel, wie gross das gegenseitige Gewichtsverhältniss ist. Welche chemische Vereinigungen nun aber die einzelnen der in gegenseitiger Lösung sich befindenden Körper (Oxyde) unter einander eingegangen sind, darüber fehlt uns jeder sichere Nachweis, da die Analyse uns nur über die Gewichtsmengen der anwesenden einfachen Körper, beziehentlich ihrer Oxyde, Aufschluss zu geben im Stande ist. Kieselsäurereichere Schlacken pflegt man als Gemenge verschiedener Silikate zu betrachten, deren jedes einer bestimmten chemischen Formel entspricht; und da die chemische Zusammensetzung der Schlacke nur selten gestattet, die Anwesenheit gleichartiger Silikate (d. h. Silikate mit verschiedenen Basen aber gleichem Silicirungsgrade) anzunehmen, so hat man sich mit der Annahme zu helfen gesucht, dass auch ver- schiedenartige Silikate (mit verschiedenem Silicirungsgrade) sich in ein- ander zu lösen befähigt seien. Die deutliche Krystallisationsfähigkeit vieler Schlacken aber hat die in manchen metallurgischen Schriften aus- gesprochene Schlussfolgerung nahe gelegt, dass krystallisirte Schlacken in allen Fällen als wirkliche chemische Verbindungen der Silikate unter einander zu betrachten seien, und man hat sich vielfach bemüht, für derartige Schlacken auf Grund der gefundenen chemischen Zusammen- setzung chemische Formeln aufzustellen, welche das Verhältniss der verschiedenen in der Schlacke anwesenden Silikate zu einander nach- zuweisen bestimmt sind, eben dadurch aber häufig ein ziemlich ver- wickeltes Ansehen bekommen. Für den Mineralogen, welcher aus einer derartigen Formel Ueber- einstimmung mit der Formel ebenso krystallisirender Mineralien erkennt und hierdurch mitunter Schlüsse auf die Genesis derselben zu ziehen befähigt wird, sind derartige Berechnungen nicht ohne Interesse; für die Praxis des Eisenhüttenbetriebes besitzen sie keinen eigentlichen Werth. Manche Bedenken stellen sich jedoch der allgemeinen Anwendung jener Theorie entgegen. Hierher gehört zunächst der Umstand, dass

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/186>, abgerufen am 18.05.2024.