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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
Züge in Betracht zu ziehen sein würde, welche über die Schiene wäh-
rend ihrer Benutzung hinrollten, so ergiebt sich doch aus den vor-
liegenden Ermittelungen zweifellos, dass auf einer und derselben Bahn-
strecke die Dauer der Flusseisenschiene ein Vielfaches von derjenigen
der Eisenbahnschiene beträgt. So z. B. mussten von den seit 1869
verlegten Schweisseisenschienen der Eisenbahngesellschaft Grand Central
Belge bis zum Schlusse des Jahres 1882 41 Proc. ausgewechselt werden;
von den seit dem nämlichen Zeitabschnitte gelegten Flusseisenschienen
dagegen betrug die auszuwechselnde Zahl nur 0.42 Proc. 1) Das sind
Erfolge der Eisenindustrie, welche eine ausserordentlich grosse volks-
wirthschaftliche Bedeutung besitzen.

Nicht ganz übereinstimmende Ansichten herrschen noch jetzt über
die zweckmässigste chemische Zusammensetzung des Schienenmateriales.
Dass eine allzu grosse Härte Sprödigkeit hervorrufe und aus diesem
Grunde nachtheilig sei, wurde bereits erwähnt; die Erfahrung hat aber
auch gelehrt, dass sie nicht einmal günstig zur Erzielung einer grösseren
Widerstandsfähigkeit gegenüber der stattfindenden mechanischen Ab-
nutzung des Schienenkopfes sei. Einig ist man deshalb darüber, dass
die Schiene zweckmässigerweise keinen höheren Kohlenstoffgehalt als
0.40--0.45 Proc. besitzen dürfe, auch wenn fremde Körper, welche die
Härte erhöhen, nicht in erheblich grösseren Mengen zugegen sind; in
den meisten Fällen, und zwar zumal dann, wenn das Eisen nicht ganz
siliciumarm ist, pflegt man nur etwa 0.25--0.35 Proc. Kohlenstoff
zu geben.

Dass der Gehalt an Phosphor, diesem die Sprödigkeit des Fluss-
eisens so ausserordentlich steigernden Körper, möglichst gering aus-
fallen muss, wenn die Schiene brauchbar sein soll, versteht sich von
selbst. Ueber 0.1 Proc. sollte der Phosphorgehalt nicht hinausgehen;
wünschenswerth ist es, wenn ein noch phosphorärmeres Material ver-
wendet werden kann.

Abweichendere Ansichten findet man hinsichtlich des zweckmässig-
sten Silicium- und Mangangehaltes. Beide Körper beeinflussen die
Eigenschaften des Eisens ähnlich, aber in schwächerem Maasse, als
Kohlenstoff, sie steigern die Härte und die Festigkeit; die Schmied-
barkeit aber wird durch einen hohen Siliciumgehalt wie durch den
Kohlenstoffgehalt beeinträchtigt, während ein Mangangehalt derselben
eher förderlich als nachtheilig ist. 2) Von der Schmiedbarkeit (Walz-
barkeit) des Materiales aber hängt selbstverständlich in nicht geringem
Maasse die Beschaffenheit der fertigen Schiene ab.

Dass ein sehr hoher Siliciumgehalt neben Kohlenstoff das Eisen
brüchig, spröde mache, ist ebenfalls nicht zu bezweifeln.

Aus diesen Gründen pflegt ein mässiger Mangangehalt, insofern
derselbe die Verwendung eines etwas kohlenstoffärmeren und deshalb
leichter verarbeitbaren Eisens ermöglicht, allgemein als nützlich be-
trachtet zu werden, und nur über die zulässige Höhe desselben gehen
die Ansichten aus einander. Während französische Eisenwerke ihren

1) "Stahl und Eisen" 1883, S. 488.
2) Vergl. die Erörterungen auf S. 244 und 255.

Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
Züge in Betracht zu ziehen sein würde, welche über die Schiene wäh-
rend ihrer Benutzung hinrollten, so ergiebt sich doch aus den vor-
liegenden Ermittelungen zweifellos, dass auf einer und derselben Bahn-
strecke die Dauer der Flusseisenschiene ein Vielfaches von derjenigen
der Eisenbahnschiene beträgt. So z. B. mussten von den seit 1869
verlegten Schweisseisenschienen der Eisenbahngesellschaft Grand Central
Belge bis zum Schlusse des Jahres 1882 41 Proc. ausgewechselt werden;
von den seit dem nämlichen Zeitabschnitte gelegten Flusseisenschienen
dagegen betrug die auszuwechselnde Zahl nur 0.42 Proc. 1) Das sind
Erfolge der Eisenindustrie, welche eine ausserordentlich grosse volks-
wirthschaftliche Bedeutung besitzen.

Nicht ganz übereinstimmende Ansichten herrschen noch jetzt über
die zweckmässigste chemische Zusammensetzung des Schienenmateriales.
Dass eine allzu grosse Härte Sprödigkeit hervorrufe und aus diesem
Grunde nachtheilig sei, wurde bereits erwähnt; die Erfahrung hat aber
auch gelehrt, dass sie nicht einmal günstig zur Erzielung einer grösseren
Widerstandsfähigkeit gegenüber der stattfindenden mechanischen Ab-
nutzung des Schienenkopfes sei. Einig ist man deshalb darüber, dass
die Schiene zweckmässigerweise keinen höheren Kohlenstoffgehalt als
0.40—0.45 Proc. besitzen dürfe, auch wenn fremde Körper, welche die
Härte erhöhen, nicht in erheblich grösseren Mengen zugegen sind; in
den meisten Fällen, und zwar zumal dann, wenn das Eisen nicht ganz
siliciumarm ist, pflegt man nur etwa 0.25—0.35 Proc. Kohlenstoff
zu geben.

Dass der Gehalt an Phosphor, diesem die Sprödigkeit des Fluss-
eisens so ausserordentlich steigernden Körper, möglichst gering aus-
fallen muss, wenn die Schiene brauchbar sein soll, versteht sich von
selbst. Ueber 0.1 Proc. sollte der Phosphorgehalt nicht hinausgehen;
wünschenswerth ist es, wenn ein noch phosphorärmeres Material ver-
wendet werden kann.

Abweichendere Ansichten findet man hinsichtlich des zweckmässig-
sten Silicium- und Mangangehaltes. Beide Körper beeinflussen die
Eigenschaften des Eisens ähnlich, aber in schwächerem Maasse, als
Kohlenstoff, sie steigern die Härte und die Festigkeit; die Schmied-
barkeit aber wird durch einen hohen Siliciumgehalt wie durch den
Kohlenstoffgehalt beeinträchtigt, während ein Mangangehalt derselben
eher förderlich als nachtheilig ist. 2) Von der Schmiedbarkeit (Walz-
barkeit) des Materiales aber hängt selbstverständlich in nicht geringem
Maasse die Beschaffenheit der fertigen Schiene ab.

Dass ein sehr hoher Siliciumgehalt neben Kohlenstoff das Eisen
brüchig, spröde mache, ist ebenfalls nicht zu bezweifeln.

Aus diesen Gründen pflegt ein mässiger Mangangehalt, insofern
derselbe die Verwendung eines etwas kohlenstoffärmeren und deshalb
leichter verarbeitbaren Eisens ermöglicht, allgemein als nützlich be-
trachtet zu werden, und nur über die zulässige Höhe desselben gehen
die Ansichten aus einander. Während französische Eisenwerke ihren

1) „Stahl und Eisen“ 1883, S. 488.
2) Vergl. die Erörterungen auf S. 244 und 255.
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[986/1074] Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens. Züge in Betracht zu ziehen sein würde, welche über die Schiene wäh- rend ihrer Benutzung hinrollten, so ergiebt sich doch aus den vor- liegenden Ermittelungen zweifellos, dass auf einer und derselben Bahn- strecke die Dauer der Flusseisenschiene ein Vielfaches von derjenigen der Eisenbahnschiene beträgt. So z. B. mussten von den seit 1869 verlegten Schweisseisenschienen der Eisenbahngesellschaft Grand Central Belge bis zum Schlusse des Jahres 1882 41 Proc. ausgewechselt werden; von den seit dem nämlichen Zeitabschnitte gelegten Flusseisenschienen dagegen betrug die auszuwechselnde Zahl nur 0.42 Proc. 1) Das sind Erfolge der Eisenindustrie, welche eine ausserordentlich grosse volks- wirthschaftliche Bedeutung besitzen. Nicht ganz übereinstimmende Ansichten herrschen noch jetzt über die zweckmässigste chemische Zusammensetzung des Schienenmateriales. Dass eine allzu grosse Härte Sprödigkeit hervorrufe und aus diesem Grunde nachtheilig sei, wurde bereits erwähnt; die Erfahrung hat aber auch gelehrt, dass sie nicht einmal günstig zur Erzielung einer grösseren Widerstandsfähigkeit gegenüber der stattfindenden mechanischen Ab- nutzung des Schienenkopfes sei. Einig ist man deshalb darüber, dass die Schiene zweckmässigerweise keinen höheren Kohlenstoffgehalt als 0.40—0.45 Proc. besitzen dürfe, auch wenn fremde Körper, welche die Härte erhöhen, nicht in erheblich grösseren Mengen zugegen sind; in den meisten Fällen, und zwar zumal dann, wenn das Eisen nicht ganz siliciumarm ist, pflegt man nur etwa 0.25—0.35 Proc. Kohlenstoff zu geben. Dass der Gehalt an Phosphor, diesem die Sprödigkeit des Fluss- eisens so ausserordentlich steigernden Körper, möglichst gering aus- fallen muss, wenn die Schiene brauchbar sein soll, versteht sich von selbst. Ueber 0.1 Proc. sollte der Phosphorgehalt nicht hinausgehen; wünschenswerth ist es, wenn ein noch phosphorärmeres Material ver- wendet werden kann. Abweichendere Ansichten findet man hinsichtlich des zweckmässig- sten Silicium- und Mangangehaltes. Beide Körper beeinflussen die Eigenschaften des Eisens ähnlich, aber in schwächerem Maasse, als Kohlenstoff, sie steigern die Härte und die Festigkeit; die Schmied- barkeit aber wird durch einen hohen Siliciumgehalt wie durch den Kohlenstoffgehalt beeinträchtigt, während ein Mangangehalt derselben eher förderlich als nachtheilig ist. 2) Von der Schmiedbarkeit (Walz- barkeit) des Materiales aber hängt selbstverständlich in nicht geringem Maasse die Beschaffenheit der fertigen Schiene ab. Dass ein sehr hoher Siliciumgehalt neben Kohlenstoff das Eisen brüchig, spröde mache, ist ebenfalls nicht zu bezweifeln. Aus diesen Gründen pflegt ein mässiger Mangangehalt, insofern derselbe die Verwendung eines etwas kohlenstoffärmeren und deshalb leichter verarbeitbaren Eisens ermöglicht, allgemein als nützlich be- trachtet zu werden, und nur über die zulässige Höhe desselben gehen die Ansichten aus einander. Während französische Eisenwerke ihren 1) „Stahl und Eisen“ 1883, S. 488. 2) Vergl. die Erörterungen auf S. 244 und 255.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 986. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/1074>, abgerufen am 18.05.2024.