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Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778.

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des Himmels zu seyn, stärke uns unter den Unvoll-
kommenheiten dieses Lebens. Jn diesem Schmuck
wollen wir dir dienen ohne Furcht unser Lebenlang.
Amen.

Auf die Gedächtnißwoche der letzten
Leiden Jesu.

Größere Liebe ist nirgend funden, als die ist, daß
jemand sein Leben lässet für die Feinde. Solche
waren wir aber, ehe du uns, o theurester Erlöser,
mit der beleidigten Gottheit versöhntest. Alle Ei-
genschaften des höchsten Wesens verlangten, daß
unsere Vergehungen gestraft würden. Du hast
die bittere Strafen, die wir verdienen auf dich ge-
nommen, dich um unserer Missethat willen plagen,
dich als ein stilles, geduldiges Lamm Gottes, um
unserer Sünden willen verwunden lassen. Getrost
giengest du zur Schlachtbank des Kreuzes hin,
hieltest deinen Rücken dar, denen die dich schlugen,
und verbargest dein Antlitz nicht vor Schmach und
Speichel. Warum seufzest du so ängstlich am
Oelberge? warum windest du dich im Staube vor
Gott, da du doch keine Thorheit begangen und
kein Betrug je in deinem Mund gekommen? Für-
wahr du trugest unsere Krankheit, und ludest auf dich
unsere Schmerzen. Ja unsere Schmerzen, die wir
erdulden sollten, hat der höchste Richter, dir als
unserm Bürgen aufgeleget; die quäleten dich unter
den Martern der Todesangst, die zwangen das
schauerhafte schreckliche Wort aus deinem Munde:
mein Gott! mein Gott! warum hast du mich ver-
lassen? Göttlicher Freund! Mittler! Versöhner!
wie sollen wir dir für deine unaussprechliche Liebe
danken? Wir fallen nieder im Geiste vor dem Altar
auf dem du dich für unsere Sünden geopfert; wir

huldi-
G 2

des Himmels zu ſeyn, ſtärke uns unter den Unvoll-
kommenheiten dieſes Lebens. Jn dieſem Schmuck
wollen wir dir dienen ohne Furcht unſer Lebenlang.
Amen.

Auf die Gedächtnißwoche der letzten
Leiden Jeſu.

Größere Liebe iſt nirgend funden, als die iſt, daß
jemand ſein Leben läſſet für die Feinde. Solche
waren wir aber, ehe du uns, o theureſter Erlöſer,
mit der beleidigten Gottheit verſöhnteſt. Alle Ei-
genſchaften des höchſten Weſens verlangten, daß
unſere Vergehungen geſtraft würden. Du haſt
die bittere Strafen, die wir verdienen auf dich ge-
nommen, dich um unſerer Miſſethat willen plagen,
dich als ein ſtilles, geduldiges Lamm Gottes, um
unſerer Sünden willen verwunden laſſen. Getroſt
giengeſt du zur Schlachtbank des Kreuzes hin,
hielteſt deinen Rücken dar, denen die dich ſchlugen,
und verbargeſt dein Antlitz nicht vor Schmach und
Speichel. Warum ſeufzeſt du ſo ängſtlich am
Oelberge? warum windeſt du dich im Staube vor
Gott, da du doch keine Thorheit begangen und
kein Betrug je in deinem Mund gekommen? Für-
wahr du trugeſt unſere Krankheit, und ludeſt auf dich
unſere Schmerzen. Ja unſere Schmerzen, die wir
erdulden ſollten, hat der höchſte Richter, dir als
unſerm Bürgen aufgeleget; die quäleten dich unter
den Martern der Todesangſt, die zwangen das
ſchauerhafte ſchreckliche Wort aus deinem Munde:
mein Gott! mein Gott! warum haſt du mich ver-
laſſen? Göttlicher Freund! Mittler! Verſöhner!
wie ſollen wir dir für deine unausſprechliche Liebe
danken? Wir fallen nieder im Geiſte vor dem Altar
auf dem du dich für unſere Sünden geopfert; wir

huldi-
G 2
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[99/0101] des Himmels zu ſeyn, ſtärke uns unter den Unvoll- kommenheiten dieſes Lebens. Jn dieſem Schmuck wollen wir dir dienen ohne Furcht unſer Lebenlang. Amen. Auf die Gedächtnißwoche der letzten Leiden Jeſu. Größere Liebe iſt nirgend funden, als die iſt, daß jemand ſein Leben läſſet für die Feinde. Solche waren wir aber, ehe du uns, o theureſter Erlöſer, mit der beleidigten Gottheit verſöhnteſt. Alle Ei- genſchaften des höchſten Weſens verlangten, daß unſere Vergehungen geſtraft würden. Du haſt die bittere Strafen, die wir verdienen auf dich ge- nommen, dich um unſerer Miſſethat willen plagen, dich als ein ſtilles, geduldiges Lamm Gottes, um unſerer Sünden willen verwunden laſſen. Getroſt giengeſt du zur Schlachtbank des Kreuzes hin, hielteſt deinen Rücken dar, denen die dich ſchlugen, und verbargeſt dein Antlitz nicht vor Schmach und Speichel. Warum ſeufzeſt du ſo ängſtlich am Oelberge? warum windeſt du dich im Staube vor Gott, da du doch keine Thorheit begangen und kein Betrug je in deinem Mund gekommen? Für- wahr du trugeſt unſere Krankheit, und ludeſt auf dich unſere Schmerzen. Ja unſere Schmerzen, die wir erdulden ſollten, hat der höchſte Richter, dir als unſerm Bürgen aufgeleget; die quäleten dich unter den Martern der Todesangſt, die zwangen das ſchauerhafte ſchreckliche Wort aus deinem Munde: mein Gott! mein Gott! warum haſt du mich ver- laſſen? Göttlicher Freund! Mittler! Verſöhner! wie ſollen wir dir für deine unausſprechliche Liebe danken? Wir fallen nieder im Geiſte vor dem Altar auf dem du dich für unſere Sünden geopfert; wir huldi- G 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778/101>, abgerufen am 18.12.2024.