mik abstrahiren ließe. Jch möchte das Profil der Bienenköniginn dazu wählen, weil sie allein keine gemachte, sondern eine geborne Königinn zu seyn scheint.
Aristoteles, und nach ihm am meisten Porta, haben bekanntermaßen viel auf diese Aehn- lichkeit gefußet -- aber oft sehr schlecht; denn sie sahen Aehnlichkeiten, wo keine -- und diejenigen oft nicht, die auffallend waren. Sie haben am wenigsten vom Affen, Pferde und Elephanten gesprochen, oder doch die Umrisse von den Vollgesichtern, oder Profilen dieser Thiere wenig oder schlecht benutzet, und doch gerade diese Thiere sind's, an denen am meisten Aehnlichkeit mit der Menschheit gefunden wird.
Hier noch einige dem Porta nachgezeichnete Thier- und Menschenphysiognomien -- die ausgesuchtesten, besten -- und in diesen, welche Unähnlichkeit! --
Des IV. Ban- des V. Tafel. Menschen- und Thierge- sichter nach Porta.
1) Soll ohne Zweifel ein fuchsisches Menschenangesicht andeuten, denk' ich -- und nun giebt's fürs erste -- gewiß keine solche Gesichter; keine solche Disproportion der Nasenlänge und der Kinnkürze -- und wenn's so ein Gesicht gäbe -- wo noch die Aehnlichkeit mit dem Fuchse?
2) Und beynah eben das müssen wir von dem eselischen Gesichte 2. sagen -- Fürs erste ist der Esel selbst ohne eigentlichen Charakter seiner Natur; denn die Stirn des Esels in der Natur ist viel runder.
Fürs zweyte kann, den Mund ausgenommen, kein Gesicht so aussehen, wie das beystehende Menschengesicht -- besonders ist die Entfernung des Auges von der Nase, mit der Entfernung des Mundes von dieser verglichen -- offenbar unmenschlich und thierisch. --
Fürs dritte ist das Ohr weder eselig noch menschlich -- wie's unnatürlich ist in seiner Richtung!
Jn 3. und 4. suche die Aehnlichkeit wer will -- vermuthlich wollte der Verfasser sie in der Nasenspitze finden.
5) Abermal ein Menschengesicht zur Schaafheit erniedrigt. So Stirnlos ist kein Mensch, wie das Schaaf. So ist kein Menschenauge im Profil -- so wenig als das Schaafauge so erschei- nen kann.
6) Löwen-
Phys. Fragm.IVVersuch. H
Menſchen und Thiere.
mik abſtrahiren ließe. Jch moͤchte das Profil der Bienenkoͤniginn dazu waͤhlen, weil ſie allein keine gemachte, ſondern eine geborne Koͤniginn zu ſeyn ſcheint.
Ariſtoteles, und nach ihm am meiſten Porta, haben bekanntermaßen viel auf dieſe Aehn- lichkeit gefußet — aber oft ſehr ſchlecht; denn ſie ſahen Aehnlichkeiten, wo keine — und diejenigen oft nicht, die auffallend waren. Sie haben am wenigſten vom Affen, Pferde und Elephanten geſprochen, oder doch die Umriſſe von den Vollgeſichtern, oder Profilen dieſer Thiere wenig oder ſchlecht benutzet, und doch gerade dieſe Thiere ſind’s, an denen am meiſten Aehnlichkeit mit der Menſchheit gefunden wird.
Hier noch einige dem Porta nachgezeichnete Thier- und Menſchenphyſiognomien — die ausgeſuchteſten, beſten — und in dieſen, welche Unaͤhnlichkeit! —
Des IV. Ban- des V. Tafel. Menſchen- und Thierge- ſichter nach Porta.
1) Soll ohne Zweifel ein fuchſiſches Menſchenangeſicht andeuten, denk’ ich — und nun giebt’s fuͤrs erſte — gewiß keine ſolche Geſichter; keine ſolche Disproportion der Naſenlaͤnge und der Kinnkuͤrze — und wenn’s ſo ein Geſicht gaͤbe — wo noch die Aehnlichkeit mit dem Fuchſe?
2) Und beynah eben das muͤſſen wir von dem eſeliſchen Geſichte 2. ſagen — Fuͤrs erſte iſt der Eſel ſelbſt ohne eigentlichen Charakter ſeiner Natur; denn die Stirn des Eſels in der Natur iſt viel runder.
Fuͤrs zweyte kann, den Mund ausgenommen, kein Geſicht ſo ausſehen, wie das beyſtehende Menſchengeſicht — beſonders iſt die Entfernung des Auges von der Naſe, mit der Entfernung des Mundes von dieſer verglichen — offenbar unmenſchlich und thieriſch. —
Fuͤrs dritte iſt das Ohr weder eſelig noch menſchlich — wie’s unnatuͤrlich iſt in ſeiner Richtung!
Jn 3. und 4. ſuche die Aehnlichkeit wer will — vermuthlich wollte der Verfaſſer ſie in der Naſenſpitze finden.
5) Abermal ein Menſchengeſicht zur Schaafheit erniedrigt. So Stirnlos iſt kein Menſch, wie das Schaaf. So iſt kein Menſchenauge im Profil — ſo wenig als das Schaafauge ſo erſchei- nen kann.
6) Loͤwen-
Phyſ. Fragm.IVVerſuch. H
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Menſchen und Thiere.
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Ariſtoteles, und nach ihm am meiſten Porta, haben bekanntermaßen viel auf dieſe Aehn-
lichkeit gefußet — aber oft ſehr ſchlecht; denn ſie ſahen Aehnlichkeiten, wo keine — und diejenigen
oft nicht, die auffallend waren. Sie haben am wenigſten vom Affen, Pferde und Elephanten
geſprochen, oder doch die Umriſſe von den Vollgeſichtern, oder Profilen dieſer Thiere wenig oder
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Menſchheit gefunden wird.
Hier noch einige dem Porta nachgezeichnete Thier- und Menſchenphyſiognomien — die
ausgeſuchteſten, beſten — und in dieſen, welche Unaͤhnlichkeit! —
1) Soll ohne Zweifel ein fuchſiſches Menſchenangeſicht andeuten, denk’ ich — und
nun giebt’s fuͤrs erſte — gewiß keine ſolche Geſichter; keine ſolche Disproportion der
Naſenlaͤnge und der Kinnkuͤrze — und wenn’s ſo ein Geſicht gaͤbe — wo noch die
Aehnlichkeit mit dem Fuchſe?
2) Und beynah eben das muͤſſen wir von dem eſeliſchen Geſichte 2. ſagen — Fuͤrs erſte iſt
der Eſel ſelbſt ohne eigentlichen Charakter ſeiner Natur; denn die Stirn des Eſels in der Natur
iſt viel runder.
Fuͤrs zweyte kann, den Mund ausgenommen, kein Geſicht ſo ausſehen, wie das beyſtehende
Menſchengeſicht — beſonders iſt die Entfernung des Auges von der Naſe, mit der Entfernung des
Mundes von dieſer verglichen — offenbar unmenſchlich und thieriſch. —
Fuͤrs dritte iſt das Ohr weder eſelig noch menſchlich — wie’s unnatuͤrlich iſt in ſeiner
Richtung!
Jn 3. und 4. ſuche die Aehnlichkeit wer will — vermuthlich wollte der Verfaſſer ſie in der
Naſenſpitze finden.
5) Abermal ein Menſchengeſicht zur Schaafheit erniedrigt. So Stirnlos iſt kein Menſch,
wie das Schaaf. So iſt kein Menſchenauge im Profil — ſo wenig als das Schaafauge ſo erſchei-
nen kann.
6) Loͤwen-
Phyſ. Fragm. IV Verſuch. H
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/83>, abgerufen am 16.07.2024.
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