Zween Köpfe, deren äußerste Verschiedenheit jedem Auge des Menschen und des Viehes auffal- lend seyn muß. -- Der Physiognomist kann sie in sehr vielen verschiedenen Absichten betrachten. Aus dem Gesichtspunkte der Menschheit, der Nationalität, der Schönheit und Häßlichkeit. Bey- des sind Menschenköpfe, und ob ich gleich nicht ganz dafür gut stehen will, daß der Zeichner nichts davon und dazu gethan habe, so darf ich dennoch für die Wahrheit der Hauptform, und den Grad der Differenz gut stehen; denn wenn auch das Mißgestaltige in dem Baschkiren, wie's wahrschein- lich ist, einigermaßen übertrieben seyn sollte, obgleich ein Augenzeuge von feinem physiognomischen Sinn mich des Gegentheils versichern will -- so wollte ich wohl dafür alles wetten, daß die Schön- heit der Giorgierinn nicht erreicht ist, nicht erreicht seyn kann. Man kann hier, wie von vielen Porträten großer Leute, mit Gewißheit sagen: Wo so viel ist, muß noch mehr seyn.
So
V. Abſchnitt. VII. Fragment.
Siebentes Fragment.
[Abbildung]
Zween Koͤpfe, deren aͤußerſte Verſchiedenheit jedem Auge des Menſchen und des Viehes auffal- lend ſeyn muß. — Der Phyſiognomiſt kann ſie in ſehr vielen verſchiedenen Abſichten betrachten. Aus dem Geſichtspunkte der Menſchheit, der Nationalitaͤt, der Schoͤnheit und Haͤßlichkeit. Bey- des ſind Menſchenkoͤpfe, und ob ich gleich nicht ganz dafuͤr gut ſtehen will, daß der Zeichner nichts davon und dazu gethan habe, ſo darf ich dennoch fuͤr die Wahrheit der Hauptform, und den Grad der Differenz gut ſtehen; denn wenn auch das Mißgeſtaltige in dem Baſchkiren, wie’s wahrſchein- lich iſt, einigermaßen uͤbertrieben ſeyn ſollte, obgleich ein Augenzeuge von feinem phyſiognomiſchen Sinn mich des Gegentheils verſichern will — ſo wollte ich wohl dafuͤr alles wetten, daß die Schoͤn- heit der Giorgierinn nicht erreicht iſt, nicht erreicht ſeyn kann. Man kann hier, wie von vielen Portraͤten großer Leute, mit Gewißheit ſagen: Wo ſo viel iſt, muß noch mehr ſeyn.
So
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0370"n="314"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">V.</hi> Abſchnitt. <hirendition="#aq">VII.</hi> Fragment.</hi></fw><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Siebentes Fragment.</hi></hi></head><lb/><figure/><p><hirendition="#in">Z</hi>ween Koͤpfe, deren aͤußerſte Verſchiedenheit jedem Auge des Menſchen und des Viehes auffal-<lb/>
lend ſeyn muß. — Der Phyſiognomiſt kann ſie in ſehr vielen verſchiedenen Abſichten betrachten. Aus<lb/>
dem Geſichtspunkte der <hirendition="#fr">Menſchheit,</hi> der <hirendition="#fr">Nationalitaͤt,</hi> der <hirendition="#fr">Schoͤnheit</hi> und <hirendition="#fr">Haͤßlichkeit.</hi> Bey-<lb/>
des ſind Menſchenkoͤpfe, und ob ich gleich nicht ganz dafuͤr gut ſtehen will, daß der Zeichner nichts<lb/>
davon und dazu gethan habe, ſo darf ich dennoch fuͤr die Wahrheit der Hauptform, und den Grad<lb/>
der Differenz gut ſtehen; denn wenn auch das Mißgeſtaltige in dem <hirendition="#fr">Baſchkiren,</hi> wie’s wahrſchein-<lb/>
lich iſt, einigermaßen uͤbertrieben ſeyn ſollte, obgleich ein Augenzeuge von feinem phyſiognomiſchen<lb/>
Sinn mich des Gegentheils verſichern will —ſo wollte ich wohl dafuͤr alles wetten, daß die Schoͤn-<lb/>
heit der <hirendition="#fr">Giorgierinn</hi> nicht erreicht iſt, nicht erreicht ſeyn kann. Man kann hier, wie von vielen<lb/>
Portraͤten großer Leute, mit Gewißheit ſagen: <hirendition="#fr">Wo ſo viel iſt, muß noch mehr ſeyn.</hi></p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">So</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[314/0370]
V. Abſchnitt. VII. Fragment.
Siebentes Fragment.
[Abbildung]
Zween Koͤpfe, deren aͤußerſte Verſchiedenheit jedem Auge des Menſchen und des Viehes auffal-
lend ſeyn muß. — Der Phyſiognomiſt kann ſie in ſehr vielen verſchiedenen Abſichten betrachten. Aus
dem Geſichtspunkte der Menſchheit, der Nationalitaͤt, der Schoͤnheit und Haͤßlichkeit. Bey-
des ſind Menſchenkoͤpfe, und ob ich gleich nicht ganz dafuͤr gut ſtehen will, daß der Zeichner nichts
davon und dazu gethan habe, ſo darf ich dennoch fuͤr die Wahrheit der Hauptform, und den Grad
der Differenz gut ſtehen; denn wenn auch das Mißgeſtaltige in dem Baſchkiren, wie’s wahrſchein-
lich iſt, einigermaßen uͤbertrieben ſeyn ſollte, obgleich ein Augenzeuge von feinem phyſiognomiſchen
Sinn mich des Gegentheils verſichern will — ſo wollte ich wohl dafuͤr alles wetten, daß die Schoͤn-
heit der Giorgierinn nicht erreicht iſt, nicht erreicht ſeyn kann. Man kann hier, wie von vielen
Portraͤten großer Leute, mit Gewißheit ſagen: Wo ſo viel iſt, muß noch mehr ſeyn.
So
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/370>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.