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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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Schriftstellen.
9.

Der Buchstabe tödtet, der Geist aber macht lebendig. 2 Cor. III. 6. -- Wer den
Geist einer Physiognomie nicht erkennet und fühlt, dem wird der Leib derselben drückend, widrig,
tödtend seyn. Geist der Physiognomie ist das Resultat aller Kräfte und Willensregungen. --
Auch der Buchstabe, die Zeichnungen dieser Fragmente sind in einem gewissen Sinne tödtend --
sie drücken und kränken, erwecken Anstoß, Aergerniß und Herzeleid -- der Geist aber macht le-
bendig. Das physiognomische unaustilgbare Gefühl, das den Buchstaben veranlaßte, sich in den
tödtenden Buchstaben kleidete, giebt gegen jede Kränkung, Demüthigung, Tödtung, Leben und
Stärke.

10.

So der Dienst des Todes im Buchstaben, der in Stein gegraben war, Klar-
heit hatte, also daß die Kinder Jsraels in das Angesicht Moses nicht steif sehen mochten,
von wegen der Klarheit seines Angesichtes, die doch abgethan werden sollte; wie sollte
nicht vielmehr der Dienst des Geistes Klarheit haben?
u. s. f. 2 Cor. III. 7-18.

Wenn des Juden Antlitz sich durch seine Religion verherrlichte -- wie des Christen durch
die seinige!

11.

Wir tragen diesen Schatz in irrdischen Gefäßen, daß die Vortrefflichkeit der
Kraft -- Gottes sey, und nicht aus uns.
2 Cor. IV. 7. Jn den schwächsten Formen, den
unschönsten Gesichtern ist oft Völle göttlichen Geistes.

12.

Das Leben Jesu ist offenbar an ihrem sterblichen Leibe. 2 Cor. IV. 10. -- Unter
den Erbarmungen, nach denen ich seufze -- ist eine: -- eines Sterblichen Angesicht zu sehen, in dem
das Leben Jesu offenbar ist.

13.

Obschon unser äußerlicher Mensch verweset; so wird doch der innerliche von Tag
zu Tage erneuert
(16.) und seinem großen Urbild ähnlich! Davon denn freylich die honette Welt

nichts
D d 2
Schriftſtellen.
9.

Der Buchſtabe toͤdtet, der Geiſt aber macht lebendig. 2 Cor. III. 6. — Wer den
Geiſt einer Phyſiognomie nicht erkennet und fuͤhlt, dem wird der Leib derſelben druͤckend, widrig,
toͤdtend ſeyn. Geiſt der Phyſiognomie iſt das Reſultat aller Kraͤfte und Willensregungen. —
Auch der Buchſtabe, die Zeichnungen dieſer Fragmente ſind in einem gewiſſen Sinne toͤdtend —
ſie druͤcken und kraͤnken, erwecken Anſtoß, Aergerniß und Herzeleid — der Geiſt aber macht le-
bendig. Das phyſiognomiſche unaustilgbare Gefuͤhl, das den Buchſtaben veranlaßte, ſich in den
toͤdtenden Buchſtaben kleidete, giebt gegen jede Kraͤnkung, Demuͤthigung, Toͤdtung, Leben und
Staͤrke.

10.

So der Dienſt des Todes im Buchſtaben, der in Stein gegraben war, Klar-
heit hatte, alſo daß die Kinder Jſraels in das Angeſicht Moſes nicht ſteif ſehen mochten,
von wegen der Klarheit ſeines Angeſichtes, die doch abgethan werden ſollte; wie ſollte
nicht vielmehr der Dienſt des Geiſtes Klarheit haben?
u. ſ. f. 2 Cor. III. 7-18.

Wenn des Juden Antlitz ſich durch ſeine Religion verherrlichte — wie des Chriſten durch
die ſeinige!

11.

Wir tragen dieſen Schatz in irrdiſchen Gefaͤßen, daß die Vortrefflichkeit der
Kraft — Gottes ſey, und nicht aus uns.
2 Cor. IV. 7. Jn den ſchwaͤchſten Formen, den
unſchoͤnſten Geſichtern iſt oft Voͤlle goͤttlichen Geiſtes.

12.

Das Leben Jeſu iſt offenbar an ihrem ſterblichen Leibe. 2 Cor. IV. 10. — Unter
den Erbarmungen, nach denen ich ſeufze — iſt eine: — eines Sterblichen Angeſicht zu ſehen, in dem
das Leben Jeſu offenbar iſt.

13.

Obſchon unſer aͤußerlicher Menſch verweſet; ſo wird doch der innerliche von Tag
zu Tage erneuert
(16.) und ſeinem großen Urbild aͤhnlich! Davon denn freylich die honette Welt

nichts
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[211/0241] Schriftſtellen. 9. Der Buchſtabe toͤdtet, der Geiſt aber macht lebendig. 2 Cor. III. 6. — Wer den Geiſt einer Phyſiognomie nicht erkennet und fuͤhlt, dem wird der Leib derſelben druͤckend, widrig, toͤdtend ſeyn. Geiſt der Phyſiognomie iſt das Reſultat aller Kraͤfte und Willensregungen. — Auch der Buchſtabe, die Zeichnungen dieſer Fragmente ſind in einem gewiſſen Sinne toͤdtend — ſie druͤcken und kraͤnken, erwecken Anſtoß, Aergerniß und Herzeleid — der Geiſt aber macht le- bendig. Das phyſiognomiſche unaustilgbare Gefuͤhl, das den Buchſtaben veranlaßte, ſich in den toͤdtenden Buchſtaben kleidete, giebt gegen jede Kraͤnkung, Demuͤthigung, Toͤdtung, Leben und Staͤrke. 10. So der Dienſt des Todes im Buchſtaben, der in Stein gegraben war, Klar- heit hatte, alſo daß die Kinder Jſraels in das Angeſicht Moſes nicht ſteif ſehen mochten, von wegen der Klarheit ſeines Angeſichtes, die doch abgethan werden ſollte; wie ſollte nicht vielmehr der Dienſt des Geiſtes Klarheit haben? u. ſ. f. 2 Cor. III. 7-18. Wenn des Juden Antlitz ſich durch ſeine Religion verherrlichte — wie des Chriſten durch die ſeinige! 11. Wir tragen dieſen Schatz in irrdiſchen Gefaͤßen, daß die Vortrefflichkeit der Kraft — Gottes ſey, und nicht aus uns. 2 Cor. IV. 7. Jn den ſchwaͤchſten Formen, den unſchoͤnſten Geſichtern iſt oft Voͤlle goͤttlichen Geiſtes. 12. Das Leben Jeſu iſt offenbar an ihrem ſterblichen Leibe. 2 Cor. IV. 10. — Unter den Erbarmungen, nach denen ich ſeufze — iſt eine: — eines Sterblichen Angeſicht zu ſehen, in dem das Leben Jeſu offenbar iſt. 13. Obſchon unſer aͤußerlicher Menſch verweſet; ſo wird doch der innerliche von Tag zu Tage erneuert (16.) und ſeinem großen Urbild aͤhnlich! Davon denn freylich die honette Welt nichts D d 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/241>, abgerufen am 11.10.2024.