Respekt vor der Menschheit, wo du sie siehst -- an andern und an dir -- einziges tiefstes Fundament aller Tugend. -- Wie kann der Körper des Menschen mehr geehrt werden, als durch den Namen Tempel des Geistes -- Stätte göttlicher Offenbarung!
6.
Jn welchem Beruf ein jeder berufen worden, in demselben bleibe er. 1 Cor. VII. 20. 24. Die Summe aller Physiognomik. Handle nach deinem Gesichte. Thue nur das Gute, was du nach deinem Charakter thun kannst und sollst. Bleib in deinem Kreise!
7.
Das Geistliche ist nicht zum ersten, sondern das Natürliche, darnach das Geist- liche. Der erste Mensch aus der Erde ist irrdisch. Der andere Mensch ist der Herr aus dem Himmel. Welcherley der irrdische ist, solcherley sind auch die irrdischen. Welcherley der himmlische ist, solcherley sind auch die himmlischen. Und wie wir das Bildniß des irrdischen getragen haben -- also werden wir auch das Bildniß des himm- lischen tragen. Freylich Fleisch und Blut mögen das Reich Gottes nicht ererben. Wir werden alle verwandelt werden. 1. Cor. XV.
Siehe da Geist und Zweck aller Religion, Fürsehung -- die Catastrophe des unüberseh- lichen Drama -- am Ende alles Christusähnlich, wie nun alles Adamähnlich -- dessen freue ich mich, und werde mich freuen, so oft ich Gutes oder Böses an mir wahrnehme. Das Böse wird gut, das menschlich Gute göttlich gut werden. Mein Leib -- wird Organum der Gottheit wer- den, wie Christus Leib.
8.
Jhr seyd unser Brief, geschrieben nicht mit Dinten, sondern mit dem Geiste des lebendigen Gottes -- ein Brief Christi, der von allen Menschen verstanden und gelesen wird. 2. Cor. III. 2. Was braucht's Empfehlungsschreiben für gute Menschen an gute Menschen? Das offne Gesicht empfiehlt sich dem offnen Gesichte -- Alle Empfehlungsschreiben empfehlen ein falsches Gesicht nicht -- und keine Verläumder können einem Gesichte voll göttlichen Geistes seine Empfehlungsbriefe zerreissen. Ein gutes Gesicht ist der beste Paß.
9. Der
III. Abſchnitt. VIII. Fragment.
Reſpekt vor der Menſchheit, wo du ſie ſiehſt — an andern und an dir — einziges tiefſtes Fundament aller Tugend. — Wie kann der Koͤrper des Menſchen mehr geehrt werden, als durch den Namen Tempel des Geiſtes — Staͤtte goͤttlicher Offenbarung!
6.
Jn welchem Beruf ein jeder berufen worden, in demſelben bleibe er. 1 Cor. VII. 20. 24. Die Summe aller Phyſiognomik. Handle nach deinem Geſichte. Thue nur das Gute, was du nach deinem Charakter thun kannſt und ſollſt. Bleib in deinem Kreiſe!
7.
Das Geiſtliche iſt nicht zum erſten, ſondern das Natuͤrliche, darnach das Geiſt- liche. Der erſte Menſch aus der Erde iſt irrdiſch. Der andere Menſch iſt der Herr aus dem Himmel. Welcherley der irrdiſche iſt, ſolcherley ſind auch die irrdiſchen. Welcherley der himmliſche iſt, ſolcherley ſind auch die himmliſchen. Und wie wir das Bildniß des irrdiſchen getragen haben — alſo werden wir auch das Bildniß des himm- liſchen tragen. Freylich Fleiſch und Blut moͤgen das Reich Gottes nicht ererben. Wir werden alle verwandelt werden. 1. Cor. XV.
Siehe da Geiſt und Zweck aller Religion, Fuͤrſehung — die Cataſtrophe des unuͤberſeh- lichen Drama — am Ende alles Chriſtusaͤhnlich, wie nun alles Adamaͤhnlich — deſſen freue ich mich, und werde mich freuen, ſo oft ich Gutes oder Boͤſes an mir wahrnehme. Das Boͤſe wird gut, das menſchlich Gute goͤttlich gut werden. Mein Leib — wird Organum der Gottheit wer- den, wie Chriſtus Leib.
8.
Jhr ſeyd unſer Brief, geſchrieben nicht mit Dinten, ſondern mit dem Geiſte des lebendigen Gottes — ein Brief Chriſti, der von allen Menſchen verſtanden und geleſen wird. 2. Cor. III. 2. Was braucht’s Empfehlungsſchreiben fuͤr gute Menſchen an gute Menſchen? Das offne Geſicht empfiehlt ſich dem offnen Geſichte — Alle Empfehlungsſchreiben empfehlen ein falſches Geſicht nicht — und keine Verlaͤumder koͤnnen einem Geſichte voll goͤttlichen Geiſtes ſeine Empfehlungsbriefe zerreiſſen. Ein gutes Geſicht iſt der beſte Paß.
9. Der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0240"n="210"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">III.</hi> Abſchnitt. <hirendition="#aq">VIII.</hi> Fragment.</hi></fw><lb/><p>Reſpekt vor der Menſchheit, wo du ſie ſiehſt — an andern und an dir — einziges tiefſtes<lb/>
Fundament aller Tugend. — Wie kann der Koͤrper des Menſchen mehr geehrt werden, als durch<lb/>
den Namen <hirendition="#fr">Tempel des Geiſtes</hi>— Staͤtte goͤttlicher Offenbarung!</p></div><lb/><divn="5"><head>6.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Jn welchem Beruf ein jeder berufen worden, in demſelben bleibe er.</hi> 1 Cor. <hirendition="#aq">VII.</hi> 20.<lb/>
24. Die Summe aller Phyſiognomik. Handle nach deinem Geſichte. Thue nur das Gute, was<lb/>
du nach deinem Charakter thun kannſt und ſollſt. Bleib in deinem Kreiſe!</p></div><lb/><divn="5"><head>7.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Das Geiſtliche iſt nicht zum erſten, ſondern das Natuͤrliche, darnach das Geiſt-<lb/>
liche. Der erſte Menſch aus der Erde iſt irrdiſch. Der andere Menſch iſt der Herr<lb/>
aus dem Himmel. Welcherley der irrdiſche iſt, ſolcherley ſind auch die irrdiſchen.<lb/>
Welcherley der himmliſche iſt, ſolcherley ſind auch die himmliſchen. Und wie wir das<lb/>
Bildniß des irrdiſchen getragen haben — alſo werden wir auch das Bildniß des himm-<lb/>
liſchen tragen. Freylich Fleiſch und Blut moͤgen das Reich Gottes nicht ererben. Wir<lb/>
werden alle verwandelt werden.</hi> 1. Cor. <hirendition="#aq">XV.</hi></p><lb/><p>Siehe da Geiſt und Zweck aller Religion, Fuͤrſehung — die Cataſtrophe des unuͤberſeh-<lb/>
lichen Drama — am Ende alles Chriſtusaͤhnlich, wie nun alles Adamaͤhnlich — deſſen freue ich<lb/>
mich, und werde mich freuen, ſo oft ich Gutes oder Boͤſes an mir wahrnehme. Das Boͤſe wird<lb/>
gut, das menſchlich Gute goͤttlich gut werden. Mein Leib — wird Organum der Gottheit wer-<lb/>
den, wie Chriſtus Leib.</p></div><lb/><divn="5"><head>8.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Jhr ſeyd unſer Brief, geſchrieben nicht mit Dinten, ſondern mit dem Geiſte<lb/>
des lebendigen Gottes — ein Brief Chriſti, der von allen Menſchen verſtanden und<lb/>
geleſen wird.</hi> 2. Cor. <hirendition="#aq">III.</hi> 2. Was braucht’s Empfehlungsſchreiben fuͤr gute Menſchen an gute<lb/>
Menſchen? Das offne Geſicht empfiehlt ſich dem offnen Geſichte — Alle Empfehlungsſchreiben<lb/>
empfehlen ein falſches Geſicht nicht — und keine Verlaͤumder koͤnnen einem Geſichte voll goͤttlichen<lb/>
Geiſtes ſeine Empfehlungsbriefe zerreiſſen. <hirendition="#fr">Ein gutes Geſicht iſt der beſte Paß.</hi></p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">9. Der</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[210/0240]
III. Abſchnitt. VIII. Fragment.
Reſpekt vor der Menſchheit, wo du ſie ſiehſt — an andern und an dir — einziges tiefſtes
Fundament aller Tugend. — Wie kann der Koͤrper des Menſchen mehr geehrt werden, als durch
den Namen Tempel des Geiſtes — Staͤtte goͤttlicher Offenbarung!
6.
Jn welchem Beruf ein jeder berufen worden, in demſelben bleibe er. 1 Cor. VII. 20.
24. Die Summe aller Phyſiognomik. Handle nach deinem Geſichte. Thue nur das Gute, was
du nach deinem Charakter thun kannſt und ſollſt. Bleib in deinem Kreiſe!
7.
Das Geiſtliche iſt nicht zum erſten, ſondern das Natuͤrliche, darnach das Geiſt-
liche. Der erſte Menſch aus der Erde iſt irrdiſch. Der andere Menſch iſt der Herr
aus dem Himmel. Welcherley der irrdiſche iſt, ſolcherley ſind auch die irrdiſchen.
Welcherley der himmliſche iſt, ſolcherley ſind auch die himmliſchen. Und wie wir das
Bildniß des irrdiſchen getragen haben — alſo werden wir auch das Bildniß des himm-
liſchen tragen. Freylich Fleiſch und Blut moͤgen das Reich Gottes nicht ererben. Wir
werden alle verwandelt werden. 1. Cor. XV.
Siehe da Geiſt und Zweck aller Religion, Fuͤrſehung — die Cataſtrophe des unuͤberſeh-
lichen Drama — am Ende alles Chriſtusaͤhnlich, wie nun alles Adamaͤhnlich — deſſen freue ich
mich, und werde mich freuen, ſo oft ich Gutes oder Boͤſes an mir wahrnehme. Das Boͤſe wird
gut, das menſchlich Gute goͤttlich gut werden. Mein Leib — wird Organum der Gottheit wer-
den, wie Chriſtus Leib.
8.
Jhr ſeyd unſer Brief, geſchrieben nicht mit Dinten, ſondern mit dem Geiſte
des lebendigen Gottes — ein Brief Chriſti, der von allen Menſchen verſtanden und
geleſen wird. 2. Cor. III. 2. Was braucht’s Empfehlungsſchreiben fuͤr gute Menſchen an gute
Menſchen? Das offne Geſicht empfiehlt ſich dem offnen Geſichte — Alle Empfehlungsſchreiben
empfehlen ein falſches Geſicht nicht — und keine Verlaͤumder koͤnnen einem Geſichte voll goͤttlichen
Geiſtes ſeine Empfehlungsbriefe zerreiſſen. Ein gutes Geſicht iſt der beſte Paß.
9. Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/240>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.