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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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Ueber das Studium der Physiognomik.

Von Hannibal Caraccio Züge des Lächerlichen, und alle Arten geistreicher -- und bos-
hafter Karrikatur -- und die einem Physiognomen sehr nöthige Gabe, mit wenigen Strichen viel
Charakter darzustellen.

Von Chodowiecki -- unzählige Züge von Unschuld, Kindlichkeit, Knechtheit, Haus-
mütterlichkeit, Jungfräulichkeit -- Züge aller Laster, Stellungen, Gebärden aller Leidenschaften
in bürgerlichen, adelichen, soldatischen, fürstlichen Kreisen.

Von Schellenberg Züge der allerkomischten Kleinstädtlerey.

Von La Fage lustige, wollüstige, bacchantische Mienen und Stellungen.

Von Rugendos alle erdenkliche Gesichter der Wuth, des Schmerzes, des Triumphes
und des Sturms.

Von Bloemart wenig als einige Stellungen nachläßiger, stiller Wehmuth.

Von Schlütter alle Lineamente des stilledelsten Schmerzes großer Seelen -- in den Lar-
ven von Rode radiert.

Von Füeßli Riesenzüge des Zorns, des Schreckens, der Wuth, des Stolzes, der Kraft,
der Zermalmung, der Hölle.

Von Mengs Lineamente des Geschmacks, des Adels, Harmonie und Ruhe der Seele.

Von West -- Züge hoher Einfalt, Ruhe, Kindlichkeit, Unschuld.

Von Lebrün Augen, Augenbraunen und Mäuler -- von allen Leidenschaften. --

Setzen Sie selbst, bester Graf, noch die Namen der übrigen großen Meister bey, von de-
nen der Physiognomist lernen kann und soll. Aus allen diesen und andern Meistern soll der
Schüler der Gesichtskenntniß alle Arten von Zügen heraussuchen, diese Züge und Gestalten in
sein Repertorium unter die gehörigen Haupt- und Spezialtitel eintragen -- und so wird er,
ich weiß es, in kurzer, kurzer Zeit -- sehen, was kein Mensch sieht, und jeder sehen könnte;

wissen,
Phys. Fragm. IV Versuch. X
Ueber das Studium der Phyſiognomik.

Von Hannibal Caraccio Zuͤge des Laͤcherlichen, und alle Arten geiſtreicher — und bos-
hafter Karrikatur — und die einem Phyſiognomen ſehr noͤthige Gabe, mit wenigen Strichen viel
Charakter darzuſtellen.

Von Chodowiecki — unzaͤhlige Zuͤge von Unſchuld, Kindlichkeit, Knechtheit, Haus-
muͤtterlichkeit, Jungfraͤulichkeit — Zuͤge aller Laſter, Stellungen, Gebaͤrden aller Leidenſchaften
in buͤrgerlichen, adelichen, ſoldatiſchen, fuͤrſtlichen Kreiſen.

Von Schellenberg Zuͤge der allerkomiſchten Kleinſtaͤdtlerey.

Von La Fage luſtige, wolluͤſtige, bacchantiſche Mienen und Stellungen.

Von Rugendos alle erdenkliche Geſichter der Wuth, des Schmerzes, des Triumphes
und des Sturms.

Von Bloemart wenig als einige Stellungen nachlaͤßiger, ſtiller Wehmuth.

Von Schluͤtter alle Lineamente des ſtilledelſten Schmerzes großer Seelen — in den Lar-
ven von Rode radiert.

Von Fuͤeßli Rieſenzuͤge des Zorns, des Schreckens, der Wuth, des Stolzes, der Kraft,
der Zermalmung, der Hoͤlle.

Von Mengs Lineamente des Geſchmacks, des Adels, Harmonie und Ruhe der Seele.

Von Weſt — Zuͤge hoher Einfalt, Ruhe, Kindlichkeit, Unſchuld.

Von Lebruͤn Augen, Augenbraunen und Maͤuler — von allen Leidenſchaften. —

Setzen Sie ſelbſt, beſter Graf, noch die Namen der uͤbrigen großen Meiſter bey, von de-
nen der Phyſiognomiſt lernen kann und ſoll. Aus allen dieſen und andern Meiſtern ſoll der
Schuͤler der Geſichtskenntniß alle Arten von Zuͤgen herausſuchen, dieſe Zuͤge und Geſtalten in
ſein Repertorium unter die gehoͤrigen Haupt- und Spezialtitel eintragen — und ſo wird er,
ich weiß es, in kurzer, kurzer Zeit — ſehen, was kein Menſch ſieht, und jeder ſehen koͤnnte;

wiſſen,
Phyſ. Fragm. IV Verſuch. X
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[161/0191] Ueber das Studium der Phyſiognomik. Von Hannibal Caraccio Zuͤge des Laͤcherlichen, und alle Arten geiſtreicher — und bos- hafter Karrikatur — und die einem Phyſiognomen ſehr noͤthige Gabe, mit wenigen Strichen viel Charakter darzuſtellen. Von Chodowiecki — unzaͤhlige Zuͤge von Unſchuld, Kindlichkeit, Knechtheit, Haus- muͤtterlichkeit, Jungfraͤulichkeit — Zuͤge aller Laſter, Stellungen, Gebaͤrden aller Leidenſchaften in buͤrgerlichen, adelichen, ſoldatiſchen, fuͤrſtlichen Kreiſen. Von Schellenberg Zuͤge der allerkomiſchten Kleinſtaͤdtlerey. Von La Fage luſtige, wolluͤſtige, bacchantiſche Mienen und Stellungen. Von Rugendos alle erdenkliche Geſichter der Wuth, des Schmerzes, des Triumphes und des Sturms. Von Bloemart wenig als einige Stellungen nachlaͤßiger, ſtiller Wehmuth. Von Schluͤtter alle Lineamente des ſtilledelſten Schmerzes großer Seelen — in den Lar- ven von Rode radiert. Von Fuͤeßli Rieſenzuͤge des Zorns, des Schreckens, der Wuth, des Stolzes, der Kraft, der Zermalmung, der Hoͤlle. Von Mengs Lineamente des Geſchmacks, des Adels, Harmonie und Ruhe der Seele. Von Weſt — Zuͤge hoher Einfalt, Ruhe, Kindlichkeit, Unſchuld. Von Lebruͤn Augen, Augenbraunen und Maͤuler — von allen Leidenſchaften. — Setzen Sie ſelbſt, beſter Graf, noch die Namen der uͤbrigen großen Meiſter bey, von de- nen der Phyſiognomiſt lernen kann und ſoll. Aus allen dieſen und andern Meiſtern ſoll der Schuͤler der Geſichtskenntniß alle Arten von Zuͤgen herausſuchen, dieſe Zuͤge und Geſtalten in ſein Repertorium unter die gehoͤrigen Haupt- und Spezialtitel eintragen — und ſo wird er, ich weiß es, in kurzer, kurzer Zeit — ſehen, was kein Menſch ſieht, und jeder ſehen koͤnnte; wiſſen, Phyſ. Fragm. IV Verſuch. X

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/191>, abgerufen am 13.05.2024.