II. Abschnitt. I. Fragment. Einige physiognomische Gedanken etc.
geradlinigt, weniger perpendikulär, weniger gefurchet -- die Haut weniger gespannt, leichtbe- weglicher, weicher.
15.
"Wie viele Mühe hat es gekostet, die Leute zu überzeugen, daß die Physiognomik nur über- "haupt nützlich ist." -- Und dieß darf, indem ich dieß schreibe, noch von anmaßlich starken Geistern bestritten werden? wie lange noch? -- Und doch sollte ich glauben, auch der, den die Sonne an einem schwülen Sommertage auf den Nacken brennt, und der ihr flucht, sollte, wenn er in der Kühle ist, den unüberdenklichen Nutzen der Sonne deswegen nicht bestreiten -- "Wie kränkend "war es von großen Gelehrten, Leuten, von denen man erwartet, daß sie die Gränzen des mensch- "lichen Verstandes weiter hinausrücken sollen, oft die allerseichtesten Urtheile zu hören! Wie sehr "ist der große Zeitpunkt zu erwünschen, da die Menschenkenntniß ein Theil (warum nicht der Haupttheil, der Mittelpunkt?) "der Naturhistorie werden, Psychologie, Physiognomik und Phy- "siologie Hand in Hand gehen, und uns dem Ziele hoher allgemeiner Erleuchtung näher brin- "gen werden!"
Zweytes
II. Abſchnitt. I. Fragment. Einige phyſiognomiſche Gedanken ꝛc.
geradlinigt, weniger perpendikulaͤr, weniger gefurchet — die Haut weniger geſpannt, leichtbe- weglicher, weicher.
15.
„Wie viele Muͤhe hat es gekoſtet, die Leute zu uͤberzeugen, daß die Phyſiognomik nur uͤber- „haupt nuͤtzlich iſt.“ — Und dieß darf, indem ich dieß ſchreibe, noch von anmaßlich ſtarken Geiſtern beſtritten werden? wie lange noch? — Und doch ſollte ich glauben, auch der, den die Sonne an einem ſchwuͤlen Sommertage auf den Nacken brennt, und der ihr flucht, ſollte, wenn er in der Kuͤhle iſt, den unuͤberdenklichen Nutzen der Sonne deswegen nicht beſtreiten — „Wie kraͤnkend „war es von großen Gelehrten, Leuten, von denen man erwartet, daß ſie die Graͤnzen des menſch- „lichen Verſtandes weiter hinausruͤcken ſollen, oft die allerſeichteſten Urtheile zu hoͤren! Wie ſehr „iſt der große Zeitpunkt zu erwuͤnſchen, da die Menſchenkenntniß ein Theil (warum nicht der Haupttheil, der Mittelpunkt?) „der Naturhiſtorie werden, Pſychologie, Phyſiognomik und Phy- „ſiologie Hand in Hand gehen, und uns dem Ziele hoher allgemeiner Erleuchtung naͤher brin- „gen werden!“
Zweytes
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II. Abſchnitt. I. Fragment. Einige phyſiognomiſche Gedanken ꝛc.
geradlinigt, weniger perpendikulaͤr, weniger gefurchet — die Haut weniger geſpannt, leichtbe-
weglicher, weicher.
15.
„Wie viele Muͤhe hat es gekoſtet, die Leute zu uͤberzeugen, daß die Phyſiognomik nur uͤber-
„haupt nuͤtzlich iſt.“ — Und dieß darf, indem ich dieß ſchreibe, noch von anmaßlich ſtarken Geiſtern
beſtritten werden? wie lange noch? — Und doch ſollte ich glauben, auch der, den die Sonne
an einem ſchwuͤlen Sommertage auf den Nacken brennt, und der ihr flucht, ſollte, wenn er in der
Kuͤhle iſt, den unuͤberdenklichen Nutzen der Sonne deswegen nicht beſtreiten — „Wie kraͤnkend
„war es von großen Gelehrten, Leuten, von denen man erwartet, daß ſie die Graͤnzen des menſch-
„lichen Verſtandes weiter hinausruͤcken ſollen, oft die allerſeichteſten Urtheile zu hoͤren! Wie ſehr
„iſt der große Zeitpunkt zu erwuͤnſchen, da die Menſchenkenntniß ein Theil (warum nicht der
Haupttheil, der Mittelpunkt?) „der Naturhiſtorie werden, Pſychologie, Phyſiognomik und Phy-
„ſiologie Hand in Hand gehen, und uns dem Ziele hoher allgemeiner Erleuchtung naͤher brin-
„gen werden!“
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/142>, abgerufen am 23.11.2024.
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