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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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Einleitung. Ueber jugendliche Physiognomien.
des Mannes -- die schlaffen des Greises! Mein Knabengesicht, wie hat es eine ganz andere Form!
wie sprach's anders! Ach! mein Knabengesicht, und mein itziges!

O mei praeteritos referat si Iupiter annos.

Doch wie Verfall auf Unschuld folgt; so Tugend auf Verfall -- und ewige Güte auf Tu-
gend der Erde!

Sagt auch ein Gefäß zum Töpfer: "Warum hast du mich also gemacht?"

I'm little, but i'm i.

Der mich schuf -- schuf mich nicht zum Knaben, sondern zum Manne. Was mich in
die sorgenlosen Jugendtage zurückträumen? -- Jch bin nun wo ich bin -- vergessen will ich, was
hinter mir ist, und nicht weinen, daß ich nicht mehr Kind bin, wenn ich Kinder sehe in aller ihrer
unbeschreiblichen Liebenswürdigkeit! -- Mann mit Mannskraft und mit Kindersinn! -- das höch-
ste Ziel meiner Wünsche, und geb' es Gott, meiner Bestrebungen!



Zweytes
Phys. Fragm. III Versuch. S

Einleitung. Ueber jugendliche Phyſiognomien.
des Mannes — die ſchlaffen des Greiſes! Mein Knabengeſicht, wie hat es eine ganz andere Form!
wie ſprach’s anders! Ach! mein Knabengeſicht, und mein itziges!

O mî praeteritos referat ſi Iupiter annos.

Doch wie Verfall auf Unſchuld folgt; ſo Tugend auf Verfall — und ewige Guͤte auf Tu-
gend der Erde!

Sagt auch ein Gefaͤß zum Toͤpfer: „Warum haſt du mich alſo gemacht?“

I’m little, but i’m i.

Der mich ſchuf — ſchuf mich nicht zum Knaben, ſondern zum Manne. Was mich in
die ſorgenloſen Jugendtage zuruͤcktraͤumen? — Jch bin nun wo ich bin — vergeſſen will ich, was
hinter mir iſt, und nicht weinen, daß ich nicht mehr Kind bin, wenn ich Kinder ſehe in aller ihrer
unbeſchreiblichen Liebenswuͤrdigkeit! — Mann mit Mannskraft und mit Kinderſinn! — das hoͤch-
ſte Ziel meiner Wuͤnſche, und geb’ es Gott, meiner Beſtrebungen!



Zweytes
Phyſ. Fragm. III Verſuch. S
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[137/0215] Einleitung. Ueber jugendliche Phyſiognomien. des Mannes — die ſchlaffen des Greiſes! Mein Knabengeſicht, wie hat es eine ganz andere Form! wie ſprach’s anders! Ach! mein Knabengeſicht, und mein itziges! O mî praeteritos referat ſi Iupiter annos. Doch wie Verfall auf Unſchuld folgt; ſo Tugend auf Verfall — und ewige Guͤte auf Tu- gend der Erde! Sagt auch ein Gefaͤß zum Toͤpfer: „Warum haſt du mich alſo gemacht?“ I’m little, but i’m i. Der mich ſchuf — ſchuf mich nicht zum Knaben, ſondern zum Manne. Was mich in die ſorgenloſen Jugendtage zuruͤcktraͤumen? — Jch bin nun wo ich bin — vergeſſen will ich, was hinter mir iſt, und nicht weinen, daß ich nicht mehr Kind bin, wenn ich Kinder ſehe in aller ihrer unbeſchreiblichen Liebenswuͤrdigkeit! — Mann mit Mannskraft und mit Kinderſinn! — das hoͤch- ſte Ziel meiner Wuͤnſche, und geb’ es Gott, meiner Beſtrebungen! Zweytes Phyſ. Fragm. III Verſuch. S

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/215>, abgerufen am 28.11.2024.