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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.

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Fehlschlüssen des Physiognomisten.
Alter hingegen würdest ein Gleiches thun, wenn diese Blätter so viel Erfahrung, Klugheit, prakti-
schen Sinn enthielten.

Sind Sie nun wohl überzeugt, daß, wie das Buch seine Physiognomie hatte, also haben
auch die Urtheile die ihrige, und daß hier nur durch den dritten Ruhigen jedem sein Platz angewie-
sen werden konnte.

Nun aber ist der Dritte immer ruhig? Neigt er sich nicht auch oft nach seines Gleichen?
Gut! dafür ist auch er Mensch, und darum geben wir hier nur Beyträge, nur Fragmente, die
auch ihre Physiognomie haben, und wenn die, so darüber urtheilen werden, sich auch treu bleiben;
so wird jedes Urtheil ein Beytrag zu unsern Fragmenten seyn.

Alles wirkt verhältnißmäßig in der Welt, das werden wir noch oft zu wiederholen haben.
Das allgemeine Verhältniß erkennet nur Gott; deswegen alles menschliche, philosophische und so
auch physiognomische Sinnen und Trachten am Ende auf ein bloßes Stottern hinauslauft. Und
wenn zugestanden ist: daß in der Dinge Reihe viel mislingt, warum sollte man von einer Reihe
dargestellter Beobachtungen viel harmonische Consistenz erwarten?

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Eilftes
T 3

Fehlſchluͤſſen des Phyſiognomiſten.
Alter hingegen wuͤrdeſt ein Gleiches thun, wenn dieſe Blaͤtter ſo viel Erfahrung, Klugheit, prakti-
ſchen Sinn enthielten.

Sind Sie nun wohl uͤberzeugt, daß, wie das Buch ſeine Phyſiognomie hatte, alſo haben
auch die Urtheile die ihrige, und daß hier nur durch den dritten Ruhigen jedem ſein Platz angewie-
ſen werden konnte.

Nun aber iſt der Dritte immer ruhig? Neigt er ſich nicht auch oft nach ſeines Gleichen?
Gut! dafuͤr iſt auch er Menſch, und darum geben wir hier nur Beytraͤge, nur Fragmente, die
auch ihre Phyſiognomie haben, und wenn die, ſo daruͤber urtheilen werden, ſich auch treu bleiben;
ſo wird jedes Urtheil ein Beytrag zu unſern Fragmenten ſeyn.

Alles wirkt verhaͤltnißmaͤßig in der Welt, das werden wir noch oft zu wiederholen haben.
Das allgemeine Verhaͤltniß erkennet nur Gott; deswegen alles menſchliche, philoſophiſche und ſo
auch phyſiognomiſche Sinnen und Trachten am Ende auf ein bloßes Stottern hinauslauft. Und
wenn zugeſtanden iſt: daß in der Dinge Reihe viel mislingt, warum ſollte man von einer Reihe
dargeſtellter Beobachtungen viel harmoniſche Conſiſtenz erwarten?

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[141/0209] Fehlſchluͤſſen des Phyſiognomiſten. Alter hingegen wuͤrdeſt ein Gleiches thun, wenn dieſe Blaͤtter ſo viel Erfahrung, Klugheit, prakti- ſchen Sinn enthielten. Sind Sie nun wohl uͤberzeugt, daß, wie das Buch ſeine Phyſiognomie hatte, alſo haben auch die Urtheile die ihrige, und daß hier nur durch den dritten Ruhigen jedem ſein Platz angewie- ſen werden konnte. Nun aber iſt der Dritte immer ruhig? Neigt er ſich nicht auch oft nach ſeines Gleichen? Gut! dafuͤr iſt auch er Menſch, und darum geben wir hier nur Beytraͤge, nur Fragmente, die auch ihre Phyſiognomie haben, und wenn die, ſo daruͤber urtheilen werden, ſich auch treu bleiben; ſo wird jedes Urtheil ein Beytrag zu unſern Fragmenten ſeyn. Alles wirkt verhaͤltnißmaͤßig in der Welt, das werden wir noch oft zu wiederholen haben. Das allgemeine Verhaͤltniß erkennet nur Gott; deswegen alles menſchliche, philoſophiſche und ſo auch phyſiognomiſche Sinnen und Trachten am Ende auf ein bloßes Stottern hinauslauft. Und wenn zugeſtanden iſt: daß in der Dinge Reihe viel mislingt, warum ſollte man von einer Reihe dargeſtellter Beobachtungen viel harmoniſche Conſiſtenz erwarten? [Abbildung] Eilftes T 3

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/209>, abgerufen am 21.11.2024.