Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.der moralischen und körperlichen Schönheit. "Jede Schönheit ist eine gefällige Gestalt irgend einer wirklichen Materie, das ist, sie "Aber wir wollen, ohne uns auf Hypothesen und Spekulationen zu verlassen, den an- "Es kann gar nicht geläugnet werden, daß es verständige und unverständige, scharf- "Also kann die äußere Gestalt den innern Character des Menschen ausdrücken, und "haben P 2
der moraliſchen und koͤrperlichen Schoͤnheit. „Jede Schoͤnheit iſt eine gefaͤllige Geſtalt irgend einer wirklichen Materie, das iſt, ſie „Aber wir wollen, ohne uns auf Hypotheſen und Spekulationen zu verlaſſen, den an- „Es kann gar nicht gelaͤugnet werden, daß es verſtaͤndige und unverſtaͤndige, ſcharf- „Alſo kann die aͤußere Geſtalt den innern Character des Menſchen ausdruͤcken, und „haben P 2
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der moraliſchen und koͤrperlichen Schoͤnheit.
„Jede Schoͤnheit iſt eine gefaͤllige Geſtalt irgend einer wirklichen Materie, das iſt, ſie
„haftet in einem in der Natur vorhandenen Stoff. Dieſer, wenn er auch leblos iſt, hat ſeine
„Kraft, das iſt, er traͤgt das Seinige zu den in der Natur beſtaͤndig abwechſelnden Veraͤnde-
„rungen bey, und hat ſeinen Antheil an dem, was in der Welt Gutes oder Boͤſes geſchie-
„het, kann folglich nach der beſondern Art ſeiner Wirkſamkeit, (nach den eingeſchraͤnkten
„menſchlichen Begriffen zu reden) unter gute oder boͤſe Dinge gehoͤren. Jch getraue mir die
„kuͤhne Vermuthung zu wagen, daß jede Art der Schoͤnheit in dem Stoff, darinn ſie haftet,
„etwas von Vollkommenheit oder Guͤte anzeige.“
„Aber wir wollen, ohne uns auf Hypotheſen und Spekulationen zu verlaſſen, den an-
„gefuͤhrten Zweifel, ob innere Vortrefflichkeit und Verderbniß, ſich durch aͤußere Schoͤnheit
„und Haͤßlichkeit ankuͤndigen, aus unzweifelhaften Erfahrungen, aufzuloͤſen ſuchen.“
„Es kann gar nicht gelaͤugnet werden, daß es verſtaͤndige und unverſtaͤndige, ſcharf-
„ſinnige und einfaͤltige, gutherzige und boshaftige, edle, hochachtungswuͤrdige und niedri-
„ge, recht verworfene Phyſiognomien gebe, und daß das, was man aus der aͤußerlichen Ge-
„ſtalt von dem Character der Menſchen urtheilet, nicht blos aus den Geſichtszuͤgen, ſondern
„aus der ganzen Geſtalt geſchloſſen werde. Die unleugbaren Beyſpiele, da entſcheidende
„Zuͤge des Characters ſich von außen zeigen, ſind voͤllig hinlaͤnglich, die Moͤglichkeit zu be-
„weiſen, daß die Seele im Koͤrper ſichtbar gemacht werde. Eben ſo unleugbar iſt auch die-
„ſes, daß das, was in der aͤußern Geſtalt gefaͤllt, niemals etwas von dem Jnnern des
„Menſchen anzeiget, was Mißfallen erweckte, es ſey denn, daß dieſes aus Jrrthum oder
„Vorurtheil entſtehe, wie wenn z. B. einer zaͤrtlichen aber etwas ſchwachen Mutter die edle
„Kuͤhnheit im Character ihres Sohnes mißfiele, ob ſie gleich den Ausdruck derſelben in der
„Geſtalt mit großem Wohlgefallen ſieht. Dergleichen Ausnahmen ſchraͤnken die Allgemein-
„heit des Satzes, daß hier auch das Zeichen gefalle, ſo oft die bezeichnete Sache gefaͤllt,
„nicht ein.“
„Alſo kann die aͤußere Geſtalt den innern Character des Menſchen ausdruͤcken, und
„wenn es geſchieht, ſo hat das Wohlgefallen, das wir an dem innern Werth des Menſchen
„haben
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