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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus VII.
de antworten und sprechen: Mache mir keine
Unruhe, die Thür ist schon zugeschlossen, und meine
Kinder sind bey mir in der Kammer. Ich kann
nicht aufstehen und dir geben. -- Ich sage Euch:
obschon er nicht aufsteht und ihm giebt, darum,
daß er sein Freund ist, so wird er doch um sei-
ner Unverschämtheit willen aufstehen und ihm
geben, soviel er bedarf.
-- Und denn noch die Stel-
Luc. XVIII
1. 8.
le: Er sagte ihnen ein Gleichniß, daß man al-
lezeit bethen, und nicht laß werden sollte; und
sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der
fürchtete sich nicht vor Gott, und scheuete sich
vor keinem Menschen. Es war aber eine Witt-
we in derselben Stadt, die kam zu ihm und
sprach: Rette mich von meinem Widersacher!
Und er wollte lange nicht. Darnach aber dach-
te er bey sich selbst. Ob ich mich schon vor Gott
nicht fürchte, noch vor keinem Menschen scheue;
dieweil mir aber diese Wittwe so viele Mühe
machet, will ich sie retten, auf daß sie nicht zu-
letzt komme, und übertäube mich. -- Da sprach
der Herr: Höret, was dieser ungerechte Rich-
ter saget. Sollte Gott seinen Auserwählten
nicht Rettung schaffen, die Tags und Nachts
zu ihm schreyen, obgleich Er's verzieht? Ich sa-
ge Euch: Er wird ihnen in kurzem Rettung schaf-
fen.
Immer und immer. Statt aller Auslegung und
Anmerkung, möcht' ich nur diese Stellen lesen, und
von meinen Lesern immer und immer wieder gelesen wis-
sen -- In jeder wahren Noth, jeder dringenden Ver-

legen-

Matthäus VII.
de antworten und ſprechen: Mache mir keine
Unruhe, die Thür iſt ſchon zugeſchloſſen, und meine
Kinder ſind bey mir in der Kammer. Ich kann
nicht aufſtehen und dir geben. — Ich ſage Euch:
obſchon er nicht aufſteht und ihm giebt, darum,
daß er ſein Freund iſt, ſo wird er doch um ſei-
ner Unverſchämtheit willen aufſtehen und ihm
geben, ſoviel er bedarf.
— Und denn noch die Stel-
Luc. XVIII
1. 8.
le: Er ſagte ihnen ein Gleichniß, daß man al-
lezeit bethen, und nicht laß werden ſollte; und
ſprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der
fürchtete ſich nicht vor Gott, und ſcheuete ſich
vor keinem Menſchen. Es war aber eine Witt-
we in derſelben Stadt, die kam zu ihm und
ſprach: Rette mich von meinem Widerſacher!
Und er wollte lange nicht. Darnach aber dach-
te er bey ſich ſelbſt. Ob ich mich ſchon vor Gott
nicht fürchte, noch vor keinem Menſchen ſcheue;
dieweil mir aber dieſe Wittwe ſo viele Mühe
machet, will ich ſie retten, auf daß ſie nicht zu-
letzt komme, und übertäube mich. — Da ſprach
der Herr: Höret, was dieſer ungerechte Rich-
ter ſaget. Sollte Gott ſeinen Auserwählten
nicht Rettung ſchaffen, die Tags und Nachts
zu ihm ſchreyen, obgleich Er’s verzieht? Ich ſa-
ge Euch: Er wird ihnen in kurzem Rettung ſchaf-
fen.
Immer und immer. Statt aller Auslegung und
Anmerkung, möcht’ ich nur dieſe Stellen leſen, und
von meinen Leſern immer und immer wieder geleſen wiſ-
ſen — In jeder wahren Noth, jeder dringenden Ver-

legen-
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[46[66]/0074] Matthäus VII. de antworten und ſprechen: Mache mir keine Unruhe, die Thür iſt ſchon zugeſchloſſen, und meine Kinder ſind bey mir in der Kammer. Ich kann nicht aufſtehen und dir geben. — Ich ſage Euch: obſchon er nicht aufſteht und ihm giebt, darum, daß er ſein Freund iſt, ſo wird er doch um ſei- ner Unverſchämtheit willen aufſtehen und ihm geben, ſoviel er bedarf. — Und denn noch die Stel- le: Er ſagte ihnen ein Gleichniß, daß man al- lezeit bethen, und nicht laß werden ſollte; und ſprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete ſich nicht vor Gott, und ſcheuete ſich vor keinem Menſchen. Es war aber eine Witt- we in derſelben Stadt, die kam zu ihm und ſprach: Rette mich von meinem Widerſacher! Und er wollte lange nicht. Darnach aber dach- te er bey ſich ſelbſt. Ob ich mich ſchon vor Gott nicht fürchte, noch vor keinem Menſchen ſcheue; dieweil mir aber dieſe Wittwe ſo viele Mühe machet, will ich ſie retten, auf daß ſie nicht zu- letzt komme, und übertäube mich. — Da ſprach der Herr: Höret, was dieſer ungerechte Rich- ter ſaget. Sollte Gott ſeinen Auserwählten nicht Rettung ſchaffen, die Tags und Nachts zu ihm ſchreyen, obgleich Er’s verzieht? Ich ſa- ge Euch: Er wird ihnen in kurzem Rettung ſchaf- fen. Immer und immer. Statt aller Auslegung und Anmerkung, möcht’ ich nur dieſe Stellen leſen, und von meinen Leſern immer und immer wieder geleſen wiſ- ſen — In jeder wahren Noth, jeder dringenden Ver- legen- Luc. XVIII 1. 8.

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 46[66]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/74>, abgerufen am 13.06.2024.