ler Versuche ungeachtet nie wieder aufgebaut werden. Sie liegen noch zerstört -- die Nation unter alle Welt- völker zerstreut. So wird es bleiben -- bis Er wie- derkommt, wie seine Jünger Ihn gesehen haben gen Him- mel fahren.
Das folgende Kapitel giebt uns zu mehren Be- trachtungen hierüber Gelegenheit. Ich füge nur noch eine allgemeine Anmerkung hinzu.
Wer hat's nicht bey jeder Stelle dieses Kapitels gefühlt. Welche scharfe, zweyschneidende zermalmende Strafrede! Welch Gericht und Schrecken aus dem Munde des Sanftmüthigsten, des von Herzen Dehmü- thigsten! So kann denn Jesus Christus, der doch nicht in die Welt kam, daß Er die Welt richte, son- dern daß die Welt durch Ihn seelig werde. -- Der Liebevollste, Nachgebenste, Langmüthigste, Scho- nendste kann auch zürnen und richten! Ja, und um so inniger, schonender, langmüthiger Seine Liebe ist, um so furchtbarer, zermalmender ist Sein Zorn, Sein Ge- richt. Aber mit wem zürnet Er. Wen straft und richtet Er mit dem zweyschneidenden Schwerdte Sei- nes Mundes? Den Verstockten, den sich selbst muthwil- lig Verhärtenden -- den Unverbesserlichen, Ungewinn- baren -- den, der die Wahrheit mit Füssen tritt, und aller Liebe, aller Erbarmung spottet -- den, der die Finsterniß mehr liebet, als das Licht, das ihn um- leuchtet, die Lüge mehr, als die Wahrheit, die er in seinem Innersten fühlt -- den Heuchler, den Bösewicht
im
Matthäus XXIII.
ler Verſuche ungeachtet nie wieder aufgebaut werden. Sie liegen noch zerſtört — die Nation unter alle Welt- völker zerſtreut. So wird es bleiben — bis Er wie- derkommt, wie ſeine Jünger Ihn geſehen haben gen Him- mel fahren.
Das folgende Kapitel giebt uns zu mehren Be- trachtungen hierüber Gelegenheit. Ich füge nur noch eine allgemeine Anmerkung hinzu.
Wer hat’s nicht bey jeder Stelle dieſes Kapitels gefühlt. Welche ſcharfe, zweyſchneidende zermalmende Strafrede! Welch Gericht und Schrecken aus dem Munde des Sanftmüthigſten, des von Herzen Dehmü- thigſten! So kann denn Jeſus Chriſtus, der doch nicht in die Welt kam, daß Er die Welt richte, ſon- dern daß die Welt durch Ihn ſeelig werde. — Der Liebevollſte, Nachgebenſte, Langmüthigſte, Scho- nendſte kann auch zürnen und richten! Ja, und um ſo inniger, ſchonender, langmüthiger Seine Liebe iſt, um ſo furchtbarer, zermalmender iſt Sein Zorn, Sein Ge- richt. Aber mit wem zürnet Er. Wen ſtraft und richtet Er mit dem zweyſchneidenden Schwerdte Sei- nes Mundes? Den Verſtockten, den ſich ſelbſt muthwil- lig Verhärtenden — den Unverbeſſerlichen, Ungewinn- baren — den, der die Wahrheit mit Füſſen tritt, und aller Liebe, aller Erbarmung ſpottet — den, der die Finſterniß mehr liebet, als das Licht, das ihn um- leuchtet, die Lüge mehr, als die Wahrheit, die er in ſeinem Innerſten fühlt — den Heuchler, den Böſewicht
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Matthäus XXIII.
ler Verſuche ungeachtet nie wieder aufgebaut werden.
Sie liegen noch zerſtört — die Nation unter alle Welt-
völker zerſtreut. So wird es bleiben — bis Er wie-
derkommt, wie ſeine Jünger Ihn geſehen haben gen Him-
mel fahren.
Das folgende Kapitel giebt uns zu mehren Be-
trachtungen hierüber Gelegenheit. Ich füge nur noch
eine allgemeine Anmerkung hinzu.
Wer hat’s nicht bey jeder Stelle dieſes Kapitels
gefühlt. Welche ſcharfe, zweyſchneidende zermalmende
Strafrede! Welch Gericht und Schrecken aus dem
Munde des Sanftmüthigſten, des von Herzen Dehmü-
thigſten! So kann denn Jeſus Chriſtus, der doch nicht
in die Welt kam, daß Er die Welt richte, ſon-
dern daß die Welt durch Ihn ſeelig werde. —
Der Liebevollſte, Nachgebenſte, Langmüthigſte, Scho-
nendſte kann auch zürnen und richten! Ja, und um ſo
inniger, ſchonender, langmüthiger Seine Liebe iſt, um
ſo furchtbarer, zermalmender iſt Sein Zorn, Sein Ge-
richt. Aber mit wem zürnet Er. Wen ſtraft und
richtet Er mit dem zweyſchneidenden Schwerdte Sei-
nes Mundes? Den Verſtockten, den ſich ſelbſt muthwil-
lig Verhärtenden — den Unverbeſſerlichen, Ungewinn-
baren — den, der die Wahrheit mit Füſſen tritt, und
aller Liebe, aller Erbarmung ſpottet — den, der die
Finſterniß mehr liebet, als das Licht, das ihn um-
leuchtet, die Lüge mehr, als die Wahrheit, die er in
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 376[396]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/404>, abgerufen am 25.11.2024.
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