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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Satanische Bosheit der Pharisäer.
abwendig zu machen. Sie haßten Ihn -- und das
Volk sollte Ihn auch hassen. Sie wollten nichts von
Ihm lernen, nicht Weisheit, nicht Licht und Kraft,
nicht Gesundheit, nicht Leben und Friede von Ihm an-
nehmen -- und das Volk sollte auch nichts von Ihm
lernen und annehmen. Und doch hatte Er, was sie
nicht hatten, und konnte geben, was sie nicht geben
konnten. Wer Ihn liebte und ehrte, wer Seinen
Einladungen folgte, der hatte sie zu Todfeinden. Ihn
geliebt und verehrt zu wissen, war ihnen ein zweyschnei-
dendes Schwerdt. Ihn verhaßt zu machen, Ihn zu
verkäumden, aufkeimende Liebe und Ehrfurcht für Ihn
zu ersticken; Hungernde, Dürstende, Elende, Kranke,
Mühseelige, Beladene von Ihm wegzureissen, vom Brun-
nen lebendigen Wassers zu Ihren wasserlosen Sodbrün-
nen -- von Seiner Weisheit zu ihrem Unverstand --
von Seiner Kraft zu ihrer Ohnmacht, von Seiner seeg-
nenden Liebe zu ihrer Unmenschlichkeit, von Seinem Lichte
zu ihrer Finsterniß, von Seinem Leben zu ihrem Tode,
von Seinem Reiche zum Reiche des Satans zurück zu
reissen -- das war ihnen Sieg und Triumph. Er sollte
Nichts, sie wollten Alles seyn -- Er verabscheut, sie
angebethet -- Er verlästert, sie gepriesen seyn!

Teuflische Gemüthsart! Dort wäre Licht und Weis-
heit und Rath und Trost und Stärke, Friede und Le-
ben -- und du wirst freundlich eingeladen; Alles wird
dir umsonst angebothen -- aber du darfst's nicht anneh-
men; Darum weil es bey einer Person zu finden ist,
von einer Person dir angeboten wird, die deine Zeitge-

nossen,
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Sataniſche Bosheit der Phariſäer.
abwendig zu machen. Sie haßten Ihn — und das
Volk ſollte Ihn auch haſſen. Sie wollten nichts von
Ihm lernen, nicht Weisheit, nicht Licht und Kraft,
nicht Geſundheit, nicht Leben und Friede von Ihm an-
nehmen — und das Volk ſollte auch nichts von Ihm
lernen und annehmen. Und doch hatte Er, was ſie
nicht hatten, und konnte geben, was ſie nicht geben
konnten. Wer Ihn liebte und ehrte, wer Seinen
Einladungen folgte, der hatte ſie zu Todfeinden. Ihn
geliebt und verehrt zu wiſſen, war ihnen ein zweyſchnei-
dendes Schwerdt. Ihn verhaßt zu machen, Ihn zu
verkäumden, aufkeimende Liebe und Ehrfurcht für Ihn
zu erſticken; Hungernde, Dürſtende, Elende, Kranke,
Mühſeelige, Beladene von Ihm wegzureiſſen, vom Brun-
nen lebendigen Waſſers zu Ihren waſſerloſen Sodbrün-
nen — von Seiner Weisheit zu ihrem Unverſtand —
von Seiner Kraft zu ihrer Ohnmacht, von Seiner ſeeg-
nenden Liebe zu ihrer Unmenſchlichkeit, von Seinem Lichte
zu ihrer Finſterniß, von Seinem Leben zu ihrem Tode,
von Seinem Reiche zum Reiche des Satans zurück zu
reiſſen — das war ihnen Sieg und Triumph. Er ſollte
Nichts, ſie wollten Alles ſeyn — Er verabſcheut, ſie
angebethet — Er verläſtert, ſie geprieſen ſeyn!

Teufliſche Gemüthsart! Dort wäre Licht und Weis-
heit und Rath und Troſt und Stärke, Friede und Le-
ben — und du wirſt freundlich eingeladen; Alles wird
dir umſonſt angebothen — aber du darfſt’s nicht anneh-
men; Darum weil es bey einer Perſon zu finden iſt,
von einer Perſon dir angeboten wird, die deine Zeitge-

noſſen,
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[357[377]/0385] Sataniſche Bosheit der Phariſäer. abwendig zu machen. Sie haßten Ihn — und das Volk ſollte Ihn auch haſſen. Sie wollten nichts von Ihm lernen, nicht Weisheit, nicht Licht und Kraft, nicht Geſundheit, nicht Leben und Friede von Ihm an- nehmen — und das Volk ſollte auch nichts von Ihm lernen und annehmen. Und doch hatte Er, was ſie nicht hatten, und konnte geben, was ſie nicht geben konnten. Wer Ihn liebte und ehrte, wer Seinen Einladungen folgte, der hatte ſie zu Todfeinden. Ihn geliebt und verehrt zu wiſſen, war ihnen ein zweyſchnei- dendes Schwerdt. Ihn verhaßt zu machen, Ihn zu verkäumden, aufkeimende Liebe und Ehrfurcht für Ihn zu erſticken; Hungernde, Dürſtende, Elende, Kranke, Mühſeelige, Beladene von Ihm wegzureiſſen, vom Brun- nen lebendigen Waſſers zu Ihren waſſerloſen Sodbrün- nen — von Seiner Weisheit zu ihrem Unverſtand — von Seiner Kraft zu ihrer Ohnmacht, von Seiner ſeeg- nenden Liebe zu ihrer Unmenſchlichkeit, von Seinem Lichte zu ihrer Finſterniß, von Seinem Leben zu ihrem Tode, von Seinem Reiche zum Reiche des Satans zurück zu reiſſen — das war ihnen Sieg und Triumph. Er ſollte Nichts, ſie wollten Alles ſeyn — Er verabſcheut, ſie angebethet — Er verläſtert, ſie geprieſen ſeyn! Teufliſche Gemüthsart! Dort wäre Licht und Weis- heit und Rath und Troſt und Stärke, Friede und Le- ben — und du wirſt freundlich eingeladen; Alles wird dir umſonſt angebothen — aber du darfſt’s nicht anneh- men; Darum weil es bey einer Perſon zu finden iſt, von einer Perſon dir angeboten wird, die deine Zeitge- noſſen, Z 3

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 357[377]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/385>, abgerufen am 23.11.2024.