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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XXII.
fange des Gleichnisses gesagt wird -- Der König, der
seinem Sohne Hochzeit machen wollte, ließ sehr viele zur
Hochzeit berufen -- die Menge seiner Unterthanen --
Leute von allen Würden und Ständen -- So viele, daß
er genöthigt war, Heerzeuge gegen sie auszusenden,
und ihre Stadt anzuzünden
-- Viele, wie Sand
am Meer, wie Sternen des Himmels -- alle Kinder
Abrahams waren Kinder des Reiches -- berufne Got-
tes, aber nicht alle, waren auserwählt.

2. Wem wird in unserm Texte das göttliche Kö-
nigreich verglichen? Einem Hochzeitmahle, das ein Kö-
nig seinem Sohne machte. Von allen Seiten wird die
Natur des göttlichen Reiches, das auch in unsern Ta-
gen Aergerniß und Thorheit ist, durch unsern Herrn dar-
gestellt -- und es ist unbegreiflich, wie die Ungläubi-
gen sagen dürfen, daß man in dem Evangelio von die-
sem göttlichen Reiche keine Begriffe, keine Erläute-
rung, keine bestimmte Vorstellungsart finde. Die letz-
ten Reden unsers Herrn, besonders die, so Matthäus
und Lukas aufgezeichnet haben, sind voll davon, und
sind von nichts anderm voll, als von Vorstellungen dieses
in seiner Art ganz einzigen und unvergleichbaren Reiches.
Der Hauptgedanke ist immer eben derselbe. Es wird
eine Sönderung und Scheidung vorgehen. Gleiches
und gleiches wird zusammen gestellt werden. Was ist
Reich? Was ist Regierung? -- Sönderung; Schei-
dung; Zusammenstellung des zusammengehörigen. --
Trennung des nicht zusammengehörigen. Darin besteht
auch das Wesentlichste des Göttlichen Reiches. Das Gute

und

Matthäus XXII.
fange des Gleichniſſes geſagt wird — Der König, der
ſeinem Sohne Hochzeit machen wollte, ließ ſehr viele zur
Hochzeit berufen — die Menge ſeiner Unterthanen —
Leute von allen Würden und Ständen — So viele, daß
er genöthigt war, Heerzeuge gegen ſie auszuſenden,
und ihre Stadt anzuzünden
— Viele, wie Sand
am Meer, wie Sternen des Himmels — alle Kinder
Abrahams waren Kinder des Reiches — berufne Got-
tes, aber nicht alle, waren auserwählt.

2. Wem wird in unſerm Texte das göttliche Kö-
nigreich verglichen? Einem Hochzeitmahle, das ein Kö-
nig ſeinem Sohne machte. Von allen Seiten wird die
Natur des göttlichen Reiches, das auch in unſern Ta-
gen Aergerniß und Thorheit iſt, durch unſern Herrn dar-
geſtellt — und es iſt unbegreiflich, wie die Ungläubi-
gen ſagen dürfen, daß man in dem Evangelio von die-
ſem göttlichen Reiche keine Begriffe, keine Erläute-
rung, keine beſtimmte Vorſtellungsart finde. Die letz-
ten Reden unſers Herrn, beſonders die, ſo Matthäus
und Lukas aufgezeichnet haben, ſind voll davon, und
ſind von nichts anderm voll, als von Vorſtellungen dieſes
in ſeiner Art ganz einzigen und unvergleichbaren Reiches.
Der Hauptgedanke iſt immer eben derſelbe. Es wird
eine Sönderung und Scheidung vorgehen. Gleiches
und gleiches wird zuſammen geſtellt werden. Was iſt
Reich? Was iſt Regierung? — Sönderung; Schei-
dung; Zuſammenſtellung des zuſammengehörigen. —
Trennung des nicht zuſammengehörigen. Darin beſteht
auch das Weſentlichſte des Göttlichen Reiches. Das Gute

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[330[350]/0358] Matthäus XXII. fange des Gleichniſſes geſagt wird — Der König, der ſeinem Sohne Hochzeit machen wollte, ließ ſehr viele zur Hochzeit berufen — die Menge ſeiner Unterthanen — Leute von allen Würden und Ständen — So viele, daß er genöthigt war, Heerzeuge gegen ſie auszuſenden, und ihre Stadt anzuzünden — Viele, wie Sand am Meer, wie Sternen des Himmels — alle Kinder Abrahams waren Kinder des Reiches — berufne Got- tes, aber nicht alle, waren auserwählt. 2. Wem wird in unſerm Texte das göttliche Kö- nigreich verglichen? Einem Hochzeitmahle, das ein Kö- nig ſeinem Sohne machte. Von allen Seiten wird die Natur des göttlichen Reiches, das auch in unſern Ta- gen Aergerniß und Thorheit iſt, durch unſern Herrn dar- geſtellt — und es iſt unbegreiflich, wie die Ungläubi- gen ſagen dürfen, daß man in dem Evangelio von die- ſem göttlichen Reiche keine Begriffe, keine Erläute- rung, keine beſtimmte Vorſtellungsart finde. Die letz- ten Reden unſers Herrn, beſonders die, ſo Matthäus und Lukas aufgezeichnet haben, ſind voll davon, und ſind von nichts anderm voll, als von Vorſtellungen dieſes in ſeiner Art ganz einzigen und unvergleichbaren Reiches. Der Hauptgedanke iſt immer eben derſelbe. Es wird eine Sönderung und Scheidung vorgehen. Gleiches und gleiches wird zuſammen geſtellt werden. Was iſt Reich? Was iſt Regierung? — Sönderung; Schei- dung; Zuſammenſtellung des zuſammengehörigen. — Trennung des nicht zuſammengehörigen. Darin beſteht auch das Weſentlichſte des Göttlichen Reiches. Das Gute und

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 330[350]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/358>, abgerufen am 23.11.2024.