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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Zinsgroschen. Aergerniß.
sen blähet auf; Aber die Liebe bauet oder bessert.
(Sich der allerrichtigsten Erkenntniß rühmen, und groß
damit thun, ist dem Geiste des Christenthums nicht ge-
mäß, die edle Liebe soll sich mit der höchsten Erkenntniß
vereinigen. So sich jemand dünken läßt: Er wisse
etwas; Der weiß noch nichts, wie er wissen soll.

Wahre Erkenntniß kann sich mit Stolz und Selbstge-
fälligkeit nicht vertragen. Es fehlet der besten Erkennt-
niß immer Eines noch -- wenn die Liebe fehlt. So
aber jemand Gott liebet, derselbe ist von ihm er-
kennt.
Der steht in der rechten innigsten Gemeinschaft
Gottes, der an Gott und allem seinem Willen herzliche
Freude hat. Was nun die Speise des Götzen-
opfers betrift, so wissen wir, daß ein Götze nichts
in der Welt sey, und daß kein andrer Gott sey,
ohne der Einzige. Und wie wohl solche sind,
die Götter genennt werden, es sey im Himmel
oder auf Erden; Sintemahl viele Götter und
viele Herren sind; So haben wir doch nur Ei-
nen Gott, nämlich den Vater, von welchem alle
Dinge sind und wir in Ihm. Und einen Herrn
Jesum Christum, durch welchen alle Dinge sind
und wir durch Ihn. Es hat aber nicht jo-
dermann das Wissen
oder die richtige Erkenntniß.
Denn Etliche machen ihnen noch ein Gewissen
über den Götzen (der Götzen wegen) und essen's
(nämlich, was ihm von dem Fleische angeboten wird,
das dem Götzen geopfert ward) als Götzenopfer.
Damit wird ihr Gewissen, weil es schwach ist,

befle-

Zinsgroſchen. Aergerniß.
ſen blähet auf; Aber die Liebe bauet oder beſſert.
(Sich der allerrichtigſten Erkenntniß rühmen, und groß
damit thun, iſt dem Geiſte des Chriſtenthums nicht ge-
mäß, die edle Liebe ſoll ſich mit der höchſten Erkenntniß
vereinigen. So ſich jemand dünken läßt: Er wiſſe
etwas; Der weiß noch nichts, wie er wiſſen ſoll.

Wahre Erkenntniß kann ſich mit Stolz und Selbſtge-
fälligkeit nicht vertragen. Es fehlet der beſten Erkennt-
niß immer Eines noch — wenn die Liebe fehlt. So
aber jemand Gott liebet, derſelbe iſt von ihm er-
kennt.
Der ſteht in der rechten innigſten Gemeinſchaft
Gottes, der an Gott und allem ſeinem Willen herzliche
Freude hat. Was nun die Speiſe des Götzen-
opfers betrift, ſo wiſſen wir, daß ein Götze nichts
in der Welt ſey, und daß kein andrer Gott ſey,
ohne der Einzige. Und wie wohl ſolche ſind,
die Götter genennt werden, es ſey im Himmel
oder auf Erden; Sintemahl viele Götter und
viele Herren ſind; So haben wir doch nur Ei-
nen Gott, nämlich den Vater, von welchem alle
Dinge ſind und wir in Ihm. Und einen Herrn
Jeſum Chriſtum, durch welchen alle Dinge ſind
und wir durch Ihn. Es hat aber nicht jo-
dermann das Wiſſen
oder die richtige Erkenntniß.
Denn Etliche machen ihnen noch ein Gewiſſen
über den Götzen (der Götzen wegen) und eſſen’s
(nämlich, was ihm von dem Fleiſche angeboten wird,
das dem Götzen geopfert ward) als Götzenopfer.
Damit wird ihr Gewiſſen, weil es ſchwach iſt,

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[253[273]/0281] Zinsgroſchen. Aergerniß. ſen blähet auf; Aber die Liebe bauet oder beſſert. (Sich der allerrichtigſten Erkenntniß rühmen, und groß damit thun, iſt dem Geiſte des Chriſtenthums nicht ge- mäß, die edle Liebe ſoll ſich mit der höchſten Erkenntniß vereinigen. So ſich jemand dünken läßt: Er wiſſe etwas; Der weiß noch nichts, wie er wiſſen ſoll. Wahre Erkenntniß kann ſich mit Stolz und Selbſtge- fälligkeit nicht vertragen. Es fehlet der beſten Erkennt- niß immer Eines noch — wenn die Liebe fehlt. So aber jemand Gott liebet, derſelbe iſt von ihm er- kennt. Der ſteht in der rechten innigſten Gemeinſchaft Gottes, der an Gott und allem ſeinem Willen herzliche Freude hat. Was nun die Speiſe des Götzen- opfers betrift, ſo wiſſen wir, daß ein Götze nichts in der Welt ſey, und daß kein andrer Gott ſey, ohne der Einzige. Und wie wohl ſolche ſind, die Götter genennt werden, es ſey im Himmel oder auf Erden; Sintemahl viele Götter und viele Herren ſind; So haben wir doch nur Ei- nen Gott, nämlich den Vater, von welchem alle Dinge ſind und wir in Ihm. Und einen Herrn Jeſum Chriſtum, durch welchen alle Dinge ſind und wir durch Ihn. Es hat aber nicht jo- dermann das Wiſſen oder die richtige Erkenntniß. Denn Etliche machen ihnen noch ein Gewiſſen über den Götzen (der Götzen wegen) und eſſen’s (nämlich, was ihm von dem Fleiſche angeboten wird, das dem Götzen geopfert ward) als Götzenopfer. Damit wird ihr Gewiſſen, weil es ſchwach iſt, befle-

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 253[273]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/281>, abgerufen am 26.11.2024.