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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Verklärung oder Verherrlichung Jesus.
konnte, als in dieser Geschichte. Gott wird gehört --
(der, der spricht: Dieß ist mein lieber Sohn!
der redet; Redet eigentlich, wirklich, buchstäblich.
Ich mögte auf dieß Wort einen Nachdruck gelegt wis-
sen; weil ich bald in allen neuern Schriften von Chri-
sten und Weltweisen lese -- "Es werde niemand so ein-
&q;fältig seyn zu glauben, daß Gott jemahls eigentlich
&q;geredet," das heißt, Töne gebildet habe, die der
Sprache der Menschen ähnlich waren -- und weil ich
mich im Innersten verpflichtet und gedrungen fühle, kei-
ne Gelegenheit vorbeygehen zu lassen, dieser Geist-und
Lebenleeren Weisheit der Welt entgegen zu arbeiten, so
viel ich vermag -- und zu fragen: Der das Ohr ge-
pflanzet hat; Sollte der nicht hören? Der das
Auge gestaltet hat; Sollte der nicht sehen?
Und
dieser Frage die Frage anzuschliessen -- der den Mund
geschaffen hat; Sollte der nicht sprechen?
Man
verzeihe diesen langen Zwischensatz -- und noch mehr
die Unweltweisheit meines blöden Geistes -- Wir
sind Thoren um Christus willen
-- sagte einst ein
tausendmahl weiserer, als ich bin -- Gott wird ge-
hört!
Er, den kein Mensch gesehen hat, noch se-
hen mag
-- anders als in seinem Ebenbilde, wird in
seinem verherrlichten Sohne von Angesichte zu Angesich-
te gesehen. Heilige Gottesmänner, die größten Pro-
pheten des alten Bundes werden gesehen und gehört,
werden in Verbindung und Unterhaltung mit dem
Herrn gesehen und gehört. Die sinnliche, überirdi-
sche Natur offenbahrt sich an Christus, und den bey-

den
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Verklärung oder Verherrlichung Jeſus.
konnte, als in dieſer Geſchichte. Gott wird gehört —
(der, der ſpricht: Dieß iſt mein lieber Sohn!
der redet; Redet eigentlich, wirklich, buchſtäblich.
Ich mögte auf dieß Wort einen Nachdruck gelegt wiſ-
ſen; weil ich bald in allen neuern Schriften von Chri-
ſten und Weltweiſen leſe — „Es werde niemand ſo ein-
&q;fältig ſeyn zu glauben, daß Gott jemahls eigentlich
&q;geredet,„ das heißt, Töne gebildet habe, die der
Sprache der Menſchen ähnlich waren — und weil ich
mich im Innerſten verpflichtet und gedrungen fühle, kei-
ne Gelegenheit vorbeygehen zu laſſen, dieſer Geiſt-und
Lebenleeren Weisheit der Welt entgegen zu arbeiten, ſo
viel ich vermag — und zu fragen: Der das Ohr ge-
pflanzet hat; Sollte der nicht hören? Der das
Auge geſtaltet hat; Sollte der nicht ſehen?
Und
dieſer Frage die Frage anzuſchlieſſen — der den Mund
geſchaffen hat; Sollte der nicht ſprechen?
Man
verzeihe dieſen langen Zwiſchenſatz — und noch mehr
die Unweltweisheit meines blöden Geiſtes — Wir
ſind Thoren um Chriſtus willen
— ſagte einſt ein
tauſendmahl weiſerer, als ich bin — Gott wird ge-
hört!
Er, den kein Menſch geſehen hat, noch ſe-
hen mag
— anders als in ſeinem Ebenbilde, wird in
ſeinem verherrlichten Sohne von Angeſichte zu Angeſich-
te geſehen. Heilige Gottesmänner, die größten Pro-
pheten des alten Bundes werden geſehen und gehört,
werden in Verbindung und Unterhaltung mit dem
Herrn geſehen und gehört. Die ſinnliche, überirdi-
ſche Natur offenbahrt ſich an Chriſtus, und den bey-

den
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[233[253]/0261] Verklärung oder Verherrlichung Jeſus. konnte, als in dieſer Geſchichte. Gott wird gehört — (der, der ſpricht: Dieß iſt mein lieber Sohn! der redet; Redet eigentlich, wirklich, buchſtäblich. Ich mögte auf dieß Wort einen Nachdruck gelegt wiſ- ſen; weil ich bald in allen neuern Schriften von Chri- ſten und Weltweiſen leſe — „Es werde niemand ſo ein- &q;fältig ſeyn zu glauben, daß Gott jemahls eigentlich &q;geredet,„ das heißt, Töne gebildet habe, die der Sprache der Menſchen ähnlich waren — und weil ich mich im Innerſten verpflichtet und gedrungen fühle, kei- ne Gelegenheit vorbeygehen zu laſſen, dieſer Geiſt-und Lebenleeren Weisheit der Welt entgegen zu arbeiten, ſo viel ich vermag — und zu fragen: Der das Ohr ge- pflanzet hat; Sollte der nicht hören? Der das Auge geſtaltet hat; Sollte der nicht ſehen? Und dieſer Frage die Frage anzuſchlieſſen — der den Mund geſchaffen hat; Sollte der nicht ſprechen? Man verzeihe dieſen langen Zwiſchenſatz — und noch mehr die Unweltweisheit meines blöden Geiſtes — Wir ſind Thoren um Chriſtus willen — ſagte einſt ein tauſendmahl weiſerer, als ich bin — Gott wird ge- hört! Er, den kein Menſch geſehen hat, noch ſe- hen mag — anders als in ſeinem Ebenbilde, wird in ſeinem verherrlichten Sohne von Angeſichte zu Angeſich- te geſehen. Heilige Gottesmänner, die größten Pro- pheten des alten Bundes werden geſehen und gehört, werden in Verbindung und Unterhaltung mit dem Herrn geſehen und gehört. Die ſinnliche, überirdi- ſche Natur offenbahrt ſich an Chriſtus, und den bey- den P 5

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 233[253]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/261>, abgerufen am 28.11.2024.