Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.Matthäus XVI. sichtbaren ewigen Gütern geschwächt oder gar ersticktwerden sollte. Aller Verlust, alle Aufopferungen sicht- barer Dinge, gegenwärtiger Güter, irdischer Freuden um Christus willen und im Hinblick auf die Zukunft -- ist wahrer Gewinn für den unsterblichen Geist, des- sen Gesinnungen und Thaten hienieden wichtig genug sind, den König des Himmels noch einmal zur Erde zurück zu bringen, um den Werth derselben öffentlich, feyr- lich, und unwiderruflich zu bestimmen. Wohl dem, dem dieser Gedanke wahr ist; Dem er als ein helles Licht vor der Seele schwebt; Der sich oft beym Anfange, Mit- tel und Ende seiner Handlungen sagt: "Das wird of- &q;fenbahr! Das wird einst vor Christus gewürdigt und &q;seine Würdigung dessen allbekannt werden. Ist's gut, &q;so wird es gelobt und belohnt werden; Ist's böse, so &q;wirds geahndet, herabgewürdigt gestraft werden. &q;Ein Augenblick kann in keine Vergleichung kommen &q;mit dem Werthe eines Jahrhunderts, eines Jahrtau- &q;sends. Ein um Christi willen vermißtes Vergnügen &q;einer Stunde, eines Tages -- Wie überschwenglich &q;wird es mit Einem Tage in der Zukunft vergolten! &q;Welche Erndte für eine so geringe unbeträchtliche Saat! &q;Welch eine Spekulation, an deren Klugheit keine des &q;klügsten Kaufmanns reicht -- Hier etwas zu verliehren &q;um Christus und der Tugend willen! Welch eine Thor- &q;heit, eine Welt zu gewinnen, die ich weder in meine &q;Seele auf, noch in die Ewigkeit mitnehmen kann! Was &q;ist aller Reichthum, den ich nicht geniessen kann -- &q;Wenn das Leben und die Freyheit des Lebens fehlt; Was &q;helfen
Matthäus XVI. ſichtbaren ewigen Gütern geſchwächt oder gar erſticktwerden ſollte. Aller Verluſt, alle Aufopferungen ſicht- barer Dinge, gegenwärtiger Güter, irdiſcher Freuden um Chriſtus willen und im Hinblick auf die Zukunft — iſt wahrer Gewinn für den unſterblichen Geiſt, deſ- ſen Geſinnungen und Thaten hienieden wichtig genug ſind, den König des Himmels noch einmal zur Erde zurück zu bringen, um den Werth derſelben öffentlich, feyr- lich, und unwiderruflich zu beſtimmen. Wohl dem, dem dieſer Gedanke wahr iſt; Dem er als ein helles Licht vor der Seele ſchwebt; Der ſich oft beym Anfange, Mit- tel und Ende ſeiner Handlungen ſagt: „Das wird of- &q;fenbahr! Das wird einſt vor Chriſtus gewürdigt und &q;ſeine Würdigung deſſen allbekannt werden. Iſt’s gut, &q;ſo wird es gelobt und belohnt werden; Iſt’s böſe, ſo &q;wirds geahndet, herabgewürdigt geſtraft werden. &q;Ein Augenblick kann in keine Vergleichung kommen &q;mit dem Werthe eines Jahrhunderts, eines Jahrtau- &q;ſends. Ein um Chriſti willen vermißtes Vergnügen &q;einer Stunde, eines Tages — Wie überſchwenglich &q;wird es mit Einem Tage in der Zukunft vergolten! &q;Welche Erndte für eine ſo geringe unbeträchtliche Saat! &q;Welch eine Spekulation, an deren Klugheit keine des &q;klügſten Kaufmanns reicht — Hier etwas zu verliehren &q;um Chriſtus und der Tugend willen! Welch eine Thor- &q;heit, eine Welt zu gewinnen, die ich weder in meine &q;Seele auf, noch in die Ewigkeit mitnehmen kann! Was &q;iſt aller Reichthum, den ich nicht genieſſen kann — &q;Wenn das Leben und die Freyheit des Lebens fehlt; Was &q;helfen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0256" n="228[248]"/><fw place="top" type="header">Matthäus <hi rendition="#aq">XVI.</hi></fw><lb/> ſichtbaren ewigen Gütern geſchwächt oder gar erſtickt<lb/> werden ſollte. Aller Verluſt, alle Aufopferungen ſicht-<lb/> barer Dinge, gegenwärtiger Güter, irdiſcher Freuden<lb/> um <hi rendition="#fr">Chriſtus</hi> willen und im Hinblick auf die Zukunft<lb/> — iſt wahrer Gewinn für den unſterblichen Geiſt, deſ-<lb/> ſen Geſinnungen und Thaten hienieden wichtig genug ſind,<lb/> den König des Himmels noch einmal zur Erde zurück<lb/> zu bringen, um den Werth derſelben öffentlich, feyr-<lb/> lich, und unwiderruflich zu beſtimmen. Wohl dem,<lb/> dem dieſer Gedanke wahr iſt; Dem er als ein helles Licht<lb/> vor der Seele ſchwebt; Der ſich oft beym Anfange, Mit-<lb/> tel und Ende ſeiner Handlungen ſagt: „Das wird of-<lb/> &q;fenbahr! Das wird einſt vor Chriſtus gewürdigt und<lb/> &q;ſeine Würdigung deſſen allbekannt werden. Iſt’s gut,<lb/> &q;ſo wird es gelobt und belohnt werden; Iſt’s böſe, ſo<lb/> &q;wirds geahndet, herabgewürdigt geſtraft werden.<lb/> &q;Ein Augenblick kann in keine Vergleichung kommen<lb/> &q;mit dem Werthe eines Jahrhunderts, eines Jahrtau-<lb/> &q;ſends. Ein um Chriſti willen vermißtes Vergnügen<lb/> &q;einer Stunde, eines Tages — Wie überſchwenglich<lb/> &q;wird es mit Einem Tage in der Zukunft vergolten!<lb/> &q;Welche Erndte für eine ſo geringe unbeträchtliche Saat!<lb/> &q;Welch eine Spekulation, an deren Klugheit keine des<lb/> &q;klügſten Kaufmanns reicht — Hier etwas zu verliehren<lb/> &q;um Chriſtus und der Tugend willen! Welch eine Thor-<lb/> &q;heit, eine Welt zu gewinnen, die ich weder in meine<lb/> &q;Seele auf, noch in die Ewigkeit mitnehmen kann! Was<lb/> &q;iſt aller Reichthum, den ich nicht genieſſen kann —<lb/> &q;Wenn das Leben und die Freyheit des Lebens fehlt; Was<lb/> <fw place="bottom" type="catch">&q;helfen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [228[248]/0256]
Matthäus XVI.
ſichtbaren ewigen Gütern geſchwächt oder gar erſtickt
werden ſollte. Aller Verluſt, alle Aufopferungen ſicht-
barer Dinge, gegenwärtiger Güter, irdiſcher Freuden
um Chriſtus willen und im Hinblick auf die Zukunft
— iſt wahrer Gewinn für den unſterblichen Geiſt, deſ-
ſen Geſinnungen und Thaten hienieden wichtig genug ſind,
den König des Himmels noch einmal zur Erde zurück
zu bringen, um den Werth derſelben öffentlich, feyr-
lich, und unwiderruflich zu beſtimmen. Wohl dem,
dem dieſer Gedanke wahr iſt; Dem er als ein helles Licht
vor der Seele ſchwebt; Der ſich oft beym Anfange, Mit-
tel und Ende ſeiner Handlungen ſagt: „Das wird of-
&q;fenbahr! Das wird einſt vor Chriſtus gewürdigt und
&q;ſeine Würdigung deſſen allbekannt werden. Iſt’s gut,
&q;ſo wird es gelobt und belohnt werden; Iſt’s böſe, ſo
&q;wirds geahndet, herabgewürdigt geſtraft werden.
&q;Ein Augenblick kann in keine Vergleichung kommen
&q;mit dem Werthe eines Jahrhunderts, eines Jahrtau-
&q;ſends. Ein um Chriſti willen vermißtes Vergnügen
&q;einer Stunde, eines Tages — Wie überſchwenglich
&q;wird es mit Einem Tage in der Zukunft vergolten!
&q;Welche Erndte für eine ſo geringe unbeträchtliche Saat!
&q;Welch eine Spekulation, an deren Klugheit keine des
&q;klügſten Kaufmanns reicht — Hier etwas zu verliehren
&q;um Chriſtus und der Tugend willen! Welch eine Thor-
&q;heit, eine Welt zu gewinnen, die ich weder in meine
&q;Seele auf, noch in die Ewigkeit mitnehmen kann! Was
&q;iſt aller Reichthum, den ich nicht genieſſen kann —
&q;Wenn das Leben und die Freyheit des Lebens fehlt; Was
&q;helfen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |