Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Matthäus XI.
himmlischen Ehren. Das, was Johannes sah und
hörte, war ihm nur vorübergehende Erscheinung. Der
Geringste der vollendeten Reichsgenossen des Meßias hat
mehr, als Erscheinungen. Er lebt, er ist ein Bürger in
der unsichtbaren Welt. Ihn beleuchtet nicht nur selten
etwa ein Strahl der himmlischen Herrlichkeit. Er
folgt dem göttlichen Lamme nach, wo es hin-
geht.
Wer reines, aufrichtigen Herzens ist, der wird
Gottes Angesicht in Jesus Christus unaufhörlich se-
hen. Er wird ihn sehen, wie Er ist, und Ihm
gleich seyn.
Bey aller seiner Grösse war Johannes
doch noch ein sterblicher Mensch -- Noch mit Fleisch
und Blut, dem Elemente der Sünde und des Todes
bekleidet -- der Geringste der Unsterblichen -- wie er-
haben muß Er über den größten aller Sterblichen seyn!

97.
Das gewaltleidende Reich Gottes.

Von den Tagen Johannes, des Täufers
bis hieher leidet das Himmelreich Gewalt, und
die Gewalt thun, reissen es zu sich. Denn alle
Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis
auf Johannes, und so ihr's wollt annehmen:
Er ist der Elias, der da soll zukünftig seyn. Wer
Ohren hat zu hören, der höre. Wem soll ich
aber dieß Geschlecht vergleichen? Es ist den Kind-
lein gleich, die am Markte sitzen und rufen gegen
ihre Gesellen: Wir haben euch gepfiffen, und
ihr wolltet nicht tanzen; Wir haben euch Klag-

lieder

Matthäus XI.
himmliſchen Ehren. Das, was Johannes ſah und
hörte, war ihm nur vorübergehende Erſcheinung. Der
Geringſte der vollendeten Reichsgenoſſen des Meßias hat
mehr, als Erſcheinungen. Er lebt, er iſt ein Bürger in
der unſichtbaren Welt. Ihn beleuchtet nicht nur ſelten
etwa ein Strahl der himmliſchen Herrlichkeit. Er
folgt dem göttlichen Lamme nach, wo es hin-
geht.
Wer reines, aufrichtigen Herzens iſt, der wird
Gottes Angeſicht in Jeſus Chriſtus unaufhörlich ſe-
hen. Er wird ihn ſehen, wie Er iſt, und Ihm
gleich ſeyn.
Bey aller ſeiner Gröſſe war Johannes
doch noch ein ſterblicher Menſch — Noch mit Fleiſch
und Blut, dem Elemente der Sünde und des Todes
bekleidet — der Geringſte der Unſterblichen — wie er-
haben muß Er über den größten aller Sterblichen ſeyn!

97.
Das gewaltleidende Reich Gottes.

Von den Tagen Johannes, des Täufers
bis hieher leidet das Himmelreich Gewalt, und
die Gewalt thun, reiſſen es zu ſich. Denn alle
Propheten und das Geſetz haben geweiſſagt bis
auf Johannes, und ſo ihr’s wollt annehmen:
Er iſt der Elias, der da ſoll zukünftig ſeyn. Wer
Ohren hat zu hören, der höre. Wem ſoll ich
aber dieß Geſchlecht vergleichen? Es iſt den Kind-
lein gleich, die am Markte ſitzen und rufen gegen
ihre Geſellen: Wir haben euch gepfiffen, und
ihr wolltet nicht tanzen; Wir haben euch Klag-

lieder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0176" n="148[168]"/><fw place="top" type="header">Matthäus <hi rendition="#aq">XI.</hi></fw><lb/>
himmli&#x017F;chen Ehren. Das, was <hi rendition="#fr">Johannes</hi> &#x017F;ah und<lb/>
hörte, war ihm nur vorübergehende Er&#x017F;cheinung. Der<lb/>
Gering&#x017F;te der vollendeten Reichsgeno&#x017F;&#x017F;en des Meßias hat<lb/>
mehr, als Er&#x017F;cheinungen. Er lebt, er i&#x017F;t ein Bürger in<lb/>
der un&#x017F;ichtbaren Welt. Ihn beleuchtet nicht nur &#x017F;elten<lb/>
etwa ein Strahl der himmli&#x017F;chen Herrlichkeit. <hi rendition="#fr">Er<lb/>
folgt dem göttlichen Lamme nach, wo es hin-<lb/>
geht.</hi> Wer reines, aufrichtigen Herzens i&#x017F;t, der wird<lb/>
Gottes Ange&#x017F;icht in <hi rendition="#fr">Je&#x017F;us Chri&#x017F;tus</hi> unaufhörlich &#x017F;e-<lb/>
hen. <hi rendition="#fr">Er wird ihn &#x017F;ehen, wie Er i&#x017F;t, und Ihm<lb/>
gleich &#x017F;eyn.</hi> Bey aller &#x017F;einer Grö&#x017F;&#x017F;e war <hi rendition="#fr">Johannes</hi><lb/>
doch noch ein &#x017F;terblicher Men&#x017F;ch &#x2014; Noch mit Flei&#x017F;ch<lb/>
und Blut, dem Elemente der Sünde und des Todes<lb/>
bekleidet &#x2014; der Gering&#x017F;te der Un&#x017F;terblichen &#x2014; wie er-<lb/>
haben muß Er über den größten aller Sterblichen &#x017F;eyn!</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>97.<lb/>
Das gewaltleidende Reich Gottes.</head><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Von den Tagen Johannes, des Täufers<lb/>
bis hieher leidet das Himmelreich Gewalt, und<lb/>
die Gewalt thun, rei&#x017F;&#x017F;en es zu &#x017F;ich. Denn alle<lb/>
Propheten und das Ge&#x017F;etz haben gewei&#x017F;&#x017F;agt bis<lb/>
auf Johannes, und &#x017F;o ihr&#x2019;s wollt annehmen:<lb/>
Er i&#x017F;t der Elias, der da &#x017F;oll zukünftig &#x017F;eyn. Wer<lb/>
Ohren hat zu hören, der höre. Wem &#x017F;oll ich<lb/>
aber dieß Ge&#x017F;chlecht vergleichen? Es i&#x017F;t den Kind-<lb/>
lein gleich, die am Markte &#x017F;itzen und rufen gegen<lb/>
ihre Ge&#x017F;ellen: Wir haben euch gepfiffen, und<lb/>
ihr wolltet nicht tanzen; Wir haben euch Klag-</hi><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">lieder</hi> </fw><lb/>
            </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148[168]/0176] Matthäus XI. himmliſchen Ehren. Das, was Johannes ſah und hörte, war ihm nur vorübergehende Erſcheinung. Der Geringſte der vollendeten Reichsgenoſſen des Meßias hat mehr, als Erſcheinungen. Er lebt, er iſt ein Bürger in der unſichtbaren Welt. Ihn beleuchtet nicht nur ſelten etwa ein Strahl der himmliſchen Herrlichkeit. Er folgt dem göttlichen Lamme nach, wo es hin- geht. Wer reines, aufrichtigen Herzens iſt, der wird Gottes Angeſicht in Jeſus Chriſtus unaufhörlich ſe- hen. Er wird ihn ſehen, wie Er iſt, und Ihm gleich ſeyn. Bey aller ſeiner Gröſſe war Johannes doch noch ein ſterblicher Menſch — Noch mit Fleiſch und Blut, dem Elemente der Sünde und des Todes bekleidet — der Geringſte der Unſterblichen — wie er- haben muß Er über den größten aller Sterblichen ſeyn! 97. Das gewaltleidende Reich Gottes. Von den Tagen Johannes, des Täufers bis hieher leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalt thun, reiſſen es zu ſich. Denn alle Propheten und das Geſetz haben geweiſſagt bis auf Johannes, und ſo ihr’s wollt annehmen: Er iſt der Elias, der da ſoll zukünftig ſeyn. Wer Ohren hat zu hören, der höre. Wem ſoll ich aber dieß Geſchlecht vergleichen? Es iſt den Kind- lein gleich, die am Markte ſitzen und rufen gegen ihre Geſellen: Wir haben euch gepfiffen, und ihr wolltet nicht tanzen; Wir haben euch Klag- lieder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/176
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 148[168]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/176>, abgerufen am 13.06.2024.