leicht selbst Rettung aus den Händen Herodes, der Ihn hatte ins Gefängniß sezen lassen, durch den Mes- sias gehofft haben mag? Oder ob Er die Frage: Bist du es, der da kömmt? Bloß seinen Schülern zu Lieb, und zur Stärkung Ihres Glaubens an Ihn ergehen lassen, lassen wir dahingestellt seyn. Für Ihn, oder sei- ne Schüler war Stärkung nöthig. Das ist aus der Frage und Antwort klar. Und worinn bestand diese Stärkung? In den schweigenden und redenden Zeugnis- sen von Ihm selbst, auf die sie der Herr aufmerksam machen wollte. "Thaten reden, wenn alle Menschen- &q;zungen verstummen würden. Wen meine äusserliche &q;ärmliche und duldsame Gestalt furchtsam machen und &q;niederschlagen mag, den richte der Anblick meiner wohl- &q;thätigen Gottesthaten wieder auf." Der Glaube soll, wie die Tugend mit Hindernissen und Widerwär- tigkeiten zu kämpfen haben. "Glücklich der, den mein &q;Pracht- und Geprängloses Wesen nicht irre führt! Wer &q;mehr auf das Göttliche schaut, das an Mir nicht zu &q;verkennen ist -- als auf den menschlichen nazarenischen &q;Mantel, in welchen meine Göttlichkeit verhüllt ist. -- &q;Mein Geschäft ist wohlthun, retten, helfen, herstellen, &q;in Ordnung bringen, was die Sünde zerrüttet, und der &q;allgemeine Druck der Natur verdorben hat. Welch &q;einen andern bessern Meßias wollt ihr erwarten? Wollt &q;Ihr mehr von ihm fordern, als was Ich täglich thue &q;-- Soll Er mehr können, als Blinden das Gesicht, &q;Tauben das Gehör, Stummen die Sprache, Todten &q;das Leben schenken? Und die armen, verachteten, ge-
&q;drückten
Matthäus XI.
leicht ſelbſt Rettung aus den Händen Herodes, der Ihn hatte ins Gefängniß ſezen laſſen, durch den Meſ- ſias gehofft haben mag? Oder ob Er die Frage: Biſt du es, der da kömmt? Bloß ſeinen Schülern zu Lieb, und zur Stärkung Ihres Glaubens an Ihn ergehen laſſen, laſſen wir dahingeſtellt ſeyn. Für Ihn, oder ſei- ne Schüler war Stärkung nöthig. Das iſt aus der Frage und Antwort klar. Und worinn beſtand dieſe Stärkung? In den ſchweigenden und redenden Zeugniſ- ſen von Ihm ſelbſt, auf die ſie der Herr aufmerkſam machen wollte. „Thaten reden, wenn alle Menſchen- &q;zungen verſtummen würden. Wen meine äuſſerliche &q;ärmliche und duldſame Geſtalt furchtſam machen und &q;niederſchlagen mag, den richte der Anblick meiner wohl- &q;thätigen Gottesthaten wieder auf.„ Der Glaube ſoll, wie die Tugend mit Hinderniſſen und Widerwär- tigkeiten zu kämpfen haben. „Glücklich der, den mein &q;Pracht- und Geprängloſes Weſen nicht irre führt! Wer &q;mehr auf das Göttliche ſchaut, das an Mir nicht zu &q;verkennen iſt — als auf den menſchlichen nazareniſchen &q;Mantel, in welchen meine Göttlichkeit verhüllt iſt. — &q;Mein Geſchäft iſt wohlthun, retten, helfen, herſtellen, &q;in Ordnung bringen, was die Sünde zerrüttet, und der &q;allgemeine Druck der Natur verdorben hat. Welch &q;einen andern beſſern Meßias wollt ihr erwarten? Wollt &q;Ihr mehr von ihm fordern, als was Ich täglich thue &q;— Soll Er mehr können, als Blinden das Geſicht, &q;Tauben das Gehör, Stummen die Sprache, Todten &q;das Leben ſchenken? Und die armen, verachteten, ge-
&q;drückten
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[144[164]/0172]
Matthäus XI.
leicht ſelbſt Rettung aus den Händen Herodes, der
Ihn hatte ins Gefängniß ſezen laſſen, durch den Meſ-
ſias gehofft haben mag? Oder ob Er die Frage: Biſt
du es, der da kömmt? Bloß ſeinen Schülern zu Lieb,
und zur Stärkung Ihres Glaubens an Ihn ergehen
laſſen, laſſen wir dahingeſtellt ſeyn. Für Ihn, oder ſei-
ne Schüler war Stärkung nöthig. Das iſt aus der
Frage und Antwort klar. Und worinn beſtand dieſe
Stärkung? In den ſchweigenden und redenden Zeugniſ-
ſen von Ihm ſelbſt, auf die ſie der Herr aufmerkſam
machen wollte. „Thaten reden, wenn alle Menſchen-
&q;zungen verſtummen würden. Wen meine äuſſerliche
&q;ärmliche und duldſame Geſtalt furchtſam machen und
&q;niederſchlagen mag, den richte der Anblick meiner wohl-
&q;thätigen Gottesthaten wieder auf.„ Der Glaube
ſoll, wie die Tugend mit Hinderniſſen und Widerwär-
tigkeiten zu kämpfen haben. „Glücklich der, den mein
&q;Pracht- und Geprängloſes Weſen nicht irre führt! Wer
&q;mehr auf das Göttliche ſchaut, das an Mir nicht zu
&q;verkennen iſt — als auf den menſchlichen nazareniſchen
&q;Mantel, in welchen meine Göttlichkeit verhüllt iſt. —
&q;Mein Geſchäft iſt wohlthun, retten, helfen, herſtellen,
&q;in Ordnung bringen, was die Sünde zerrüttet, und der
&q;allgemeine Druck der Natur verdorben hat. Welch
&q;einen andern beſſern Meßias wollt ihr erwarten? Wollt
&q;Ihr mehr von ihm fordern, als was Ich täglich thue
&q;— Soll Er mehr können, als Blinden das Geſicht,
&q;Tauben das Gehör, Stummen die Sprache, Todten
&q;das Leben ſchenken? Und die armen, verachteten, ge-
&q;drückten
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 144[164]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/172>, abgerufen am 16.02.2025.
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