Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Jesus -- ein Friedensstöhrer.
mögen gewarnet haben, machen das Christenthum zu-
gleich denselben unerträglich. Sie wollen auch in gleich-
gültigen Dingen nicht nachgeben; Sich so wenig als
wie möglich, nach ihnen bequemen, und dürfen ihren lieb-
losen Eigensinn noch mit dem Worte des Herrn decken
-- "Ich bin kommen, den Menschen zweyträch-
tig zu machen, wider seinen Vater, und die Toch-
ter wider ihre Mutter."
O Brüder! O Schwestern
in oder ausser meiner Vaterstadt! Laßt euch erbitten, nach-
zugeben, wo ihr vor dem Angesichte Christus nachge-
ben könnt, und hütet euch, wie lieb euch das Evange-
lium ist, vor aller geistlichstolzen Scharfrichterey und
frömmelnden Zweytrachtsstifterey. Aber ja, nach-
dem wir hierüber unser Herz gelärt, und unsre Leser
vor dem Misbrauch dieser Stelle gewarnt haben, seys
denn auch nicht minder deutlich und klar gesagt, und
widerhohlt: Niemand denke, ohne Widerspruch, Miß-
kanntheit, Haß der Seinigen, wenigstens eines Theils
der Seinigen, durchzukommen, wenn er den geraden Weg
des evangelischen Lebens betreten, und weder zur Rech-
ten noch zur Linken weichen will. Sey so klug, so
vorsichtig, so bescheiden, so nachgebend, so herablassend
du seyn kannst; Schweig zwanzigmahl in christlicher
Geduld, wo jeder andere sprechen würde -- Sey hun-
dertmahl gelassen, wo jeder andere zürnen würde --
Aber! Sey fest, wo du, nach dem Evangelio nicht
nachgeben kannst -- unerbittlich zu allem, was die Welt
gut, und Christus nicht gut heißt
-- Gehe weiter,
als die, so für die Besten gehalten werden, gehen --

Strafe
J 5

Jeſus — ein Friedensſtöhrer.
mögen gewarnet haben, machen das Chriſtenthum zu-
gleich denſelben unerträglich. Sie wollen auch in gleich-
gültigen Dingen nicht nachgeben; Sich ſo wenig als
wie möglich, nach ihnen bequemen, und dürfen ihren lieb-
loſen Eigenſinn noch mit dem Worte des Herrn decken
„Ich bin kommen, den Menſchen zweyträch-
tig zu machen, wider ſeinen Vater, und die Toch-
ter wider ihre Mutter.„
O Brüder! O Schweſtern
in oder auſſer meiner Vaterſtadt! Laßt euch erbitten, nach-
zugeben, wo ihr vor dem Angeſichte Chriſtus nachge-
ben könnt, und hütet euch, wie lieb euch das Evange-
lium iſt, vor aller geiſtlichſtolzen Scharfrichterey und
frömmelnden Zweytrachtsſtifterey. Aber ja, nach-
dem wir hierüber unſer Herz gelärt, und unſre Leſer
vor dem Misbrauch dieſer Stelle gewarnt haben, ſeys
denn auch nicht minder deutlich und klar geſagt, und
widerhohlt: Niemand denke, ohne Widerſpruch, Miß-
kanntheit, Haß der Seinigen, wenigſtens eines Theils
der Seinigen, durchzukommen, wenn er den geraden Weg
des evangeliſchen Lebens betreten, und weder zur Rech-
ten noch zur Linken weichen will. Sey ſo klug, ſo
vorſichtig, ſo beſcheiden, ſo nachgebend, ſo herablaſſend
du ſeyn kannſt; Schweig zwanzigmahl in chriſtlicher
Geduld, wo jeder andere ſprechen würde — Sey hun-
dertmahl gelaſſen, wo jeder andere zürnen würde —
Aber! Sey feſt, wo du, nach dem Evangelio nicht
nachgeben kannſt — unerbittlich zu allem, was die Welt
gut, und Chriſtus nicht gut heißt
— Gehe weiter,
als die, ſo für die Beſten gehalten werden, gehen —

Strafe
J 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0165" n="137[157]"/><fw place="top" type="header">Je&#x017F;us &#x2014; ein Friedens&#x017F;töhrer.</fw><lb/>
mögen gewarnet haben, machen das Chri&#x017F;tenthum zu-<lb/>
gleich den&#x017F;elben unerträglich. Sie wollen auch in gleich-<lb/>
gültigen Dingen nicht nachgeben; Sich &#x017F;o wenig als<lb/>
wie möglich, nach ihnen bequemen, und dürfen ihren lieb-<lb/>
lo&#x017F;en Eigen&#x017F;inn noch mit dem Worte des Herrn decken<lb/>
&#x2014; <hi rendition="#fr">&#x201E;Ich bin kommen, den Men&#x017F;chen zweyträch-<lb/>
tig zu machen, wider &#x017F;einen Vater, und die Toch-<lb/>
ter wider ihre Mutter.&#x201E;</hi> O Brüder! O Schwe&#x017F;tern<lb/>
in oder au&#x017F;&#x017F;er meiner Vater&#x017F;tadt! Laßt euch erbitten, nach-<lb/>
zugeben, wo ihr vor dem Ange&#x017F;ichte <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus</hi> nachge-<lb/>
ben könnt, und hütet euch, wie lieb euch das Evange-<lb/>
lium i&#x017F;t, vor aller gei&#x017F;tlich&#x017F;tolzen Scharfrichterey und<lb/>
frömmelnden Zweytrachts&#x017F;tifterey. Aber ja, nach-<lb/>
dem wir hierüber un&#x017F;er Herz gelärt, und un&#x017F;re Le&#x017F;er<lb/>
vor dem Misbrauch die&#x017F;er Stelle gewarnt haben, &#x017F;eys<lb/>
denn auch nicht minder deutlich und klar ge&#x017F;agt, und<lb/>
widerhohlt: Niemand denke, ohne Wider&#x017F;pruch, Miß-<lb/>
kanntheit, Haß der Seinigen, wenig&#x017F;tens eines Theils<lb/>
der Seinigen, durchzukommen, wenn er den geraden Weg<lb/>
des evangeli&#x017F;chen Lebens betreten, und weder zur Rech-<lb/>
ten noch zur Linken weichen will. Sey &#x017F;o klug, &#x017F;o<lb/>
vor&#x017F;ichtig, &#x017F;o be&#x017F;cheiden, &#x017F;o nachgebend, &#x017F;o herabla&#x017F;&#x017F;end<lb/>
du &#x017F;eyn kann&#x017F;t; Schweig zwanzigmahl in chri&#x017F;tlicher<lb/>
Geduld, wo jeder andere &#x017F;prechen würde &#x2014; Sey hun-<lb/>
dertmahl gela&#x017F;&#x017F;en, wo jeder andere zürnen würde &#x2014;<lb/>
Aber! Sey fe&#x017F;t, wo du, nach dem Evangelio nicht<lb/>
nachgeben kann&#x017F;t &#x2014; unerbittlich zu allem, was die <hi rendition="#fr">Welt<lb/>
gut, und Chri&#x017F;tus nicht gut heißt</hi> &#x2014; Gehe weiter,<lb/>
als die, &#x017F;o für die Be&#x017F;ten gehalten werden, gehen &#x2014;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Strafe</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137[157]/0165] Jeſus — ein Friedensſtöhrer. mögen gewarnet haben, machen das Chriſtenthum zu- gleich denſelben unerträglich. Sie wollen auch in gleich- gültigen Dingen nicht nachgeben; Sich ſo wenig als wie möglich, nach ihnen bequemen, und dürfen ihren lieb- loſen Eigenſinn noch mit dem Worte des Herrn decken — „Ich bin kommen, den Menſchen zweyträch- tig zu machen, wider ſeinen Vater, und die Toch- ter wider ihre Mutter.„ O Brüder! O Schweſtern in oder auſſer meiner Vaterſtadt! Laßt euch erbitten, nach- zugeben, wo ihr vor dem Angeſichte Chriſtus nachge- ben könnt, und hütet euch, wie lieb euch das Evange- lium iſt, vor aller geiſtlichſtolzen Scharfrichterey und frömmelnden Zweytrachtsſtifterey. Aber ja, nach- dem wir hierüber unſer Herz gelärt, und unſre Leſer vor dem Misbrauch dieſer Stelle gewarnt haben, ſeys denn auch nicht minder deutlich und klar geſagt, und widerhohlt: Niemand denke, ohne Widerſpruch, Miß- kanntheit, Haß der Seinigen, wenigſtens eines Theils der Seinigen, durchzukommen, wenn er den geraden Weg des evangeliſchen Lebens betreten, und weder zur Rech- ten noch zur Linken weichen will. Sey ſo klug, ſo vorſichtig, ſo beſcheiden, ſo nachgebend, ſo herablaſſend du ſeyn kannſt; Schweig zwanzigmahl in chriſtlicher Geduld, wo jeder andere ſprechen würde — Sey hun- dertmahl gelaſſen, wo jeder andere zürnen würde — Aber! Sey feſt, wo du, nach dem Evangelio nicht nachgeben kannſt — unerbittlich zu allem, was die Welt gut, und Chriſtus nicht gut heißt — Gehe weiter, als die, ſo für die Beſten gehalten werden, gehen — Strafe J 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/165
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 137[157]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/165>, abgerufen am 21.11.2024.