Ihr werdet gehasset werden um meines Na- mens willen von Jedermann. Der Jünger Chri- stus wird, so liebenswürdig er den guten Menschen ist, dennoch immer gewissen Menschen ein Gegenstand des Has- ses seyn; Und das um Christus willen. Die Gott- selig leben wollen in Christus Jesus, um sei- netwillen, als seine Jünger, die werden irgend eine Art von Verfolgung auszustehen haben; Sich durch kei- ne Klugheit und Vorsichtigkeit derselben ganz entziehen können. Bis auf einen gewissen Grad darf und soll Jedermann, auch vor den Augen des Weltmanns tu- gendhaft seyn -- Aber, drüber hinaus, ist, nach seinem Urtheile, wider alle Vernunft und gute Sitten. Und von Christus soll dabey, denkt oder sagt er, kein Wort gesprochen werden. Das Wort, um Christus wil- len, Christo zu lieb -- würde bey hundert Weltmen- schen, die es freylich sehr übel nehmen, wenn man sie Unchristen nennete -- ein übelangebrachtes, fanatisches, alles Gute verderbendes Wort seyn. Es ist so wahr, als etwas wahr ist: Je näher einer Christus ist, desto ferner ist er der Welt; Je ähnlicher Chri- stus, desto unähnlicher der Welt; Je unähnli- cher der Welt, desto verachteter desto gehaßter von der Welt. -- Doch sey dabey das allen Lesern auf die Seele gelegt: Wer Christus Jüngern um Christus wil- len, weil er Christus auf den Lippen und im Herzen hat,
haßt,
Matthäus X.
83. Haß um Chriſtus willen.
Matth. X. 22.
Ihr werdet gehaſſet werden um meines Na- mens willen von Jedermann. Der Jünger Chri- ſtus wird, ſo liebenswürdig er den guten Menſchen iſt, dennoch immer gewiſſen Menſchen ein Gegenſtand des Haſ- ſes ſeyn; Und das um Chriſtus willen. Die Gott- ſelig leben wollen in Chriſtus Jeſus, um ſei- netwillen, als ſeine Jünger, die werden irgend eine Art von Verfolgung auszuſtehen haben; Sich durch kei- ne Klugheit und Vorſichtigkeit derſelben ganz entziehen können. Bis auf einen gewiſſen Grad darf und ſoll Jedermann, auch vor den Augen des Weltmanns tu- gendhaft ſeyn — Aber, drüber hinaus, iſt, nach ſeinem Urtheile, wider alle Vernunft und gute Sitten. Und von Chriſtus ſoll dabey, denkt oder ſagt er, kein Wort geſprochen werden. Das Wort, um Chriſtus wil- len, Chriſto zu lieb — würde bey hundert Weltmen- ſchen, die es freylich ſehr übel nehmen, wenn man ſie Unchriſten nennete — ein übelangebrachtes, fanatiſches, alles Gute verderbendes Wort ſeyn. Es iſt ſo wahr, als etwas wahr iſt: Je näher einer Chriſtus iſt, deſto ferner iſt er der Welt; Je ähnlicher Chri- ſtus, deſto unähnlicher der Welt; Je unähnli- cher der Welt, deſto verachteter deſto gehaßter von der Welt. — Doch ſey dabey das allen Leſern auf die Seele gelegt: Wer Chriſtus Jüngern um Chriſtus wil- len, weil er Chriſtus auf den Lippen und im Herzen hat,
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[126[146]/0154]
Matthäus X.
83.
Haß um Chriſtus willen.
Ihr werdet gehaſſet werden um meines Na-
mens willen von Jedermann. Der Jünger Chri-
ſtus wird, ſo liebenswürdig er den guten Menſchen iſt,
dennoch immer gewiſſen Menſchen ein Gegenſtand des Haſ-
ſes ſeyn; Und das um Chriſtus willen. Die Gott-
ſelig leben wollen in Chriſtus Jeſus, um ſei-
netwillen, als ſeine Jünger, die werden irgend eine
Art von Verfolgung auszuſtehen haben; Sich durch kei-
ne Klugheit und Vorſichtigkeit derſelben ganz entziehen
können. Bis auf einen gewiſſen Grad darf und ſoll
Jedermann, auch vor den Augen des Weltmanns tu-
gendhaft ſeyn — Aber, drüber hinaus, iſt, nach ſeinem
Urtheile, wider alle Vernunft und gute Sitten. Und
von Chriſtus ſoll dabey, denkt oder ſagt er, kein Wort
geſprochen werden. Das Wort, um Chriſtus wil-
len, Chriſto zu lieb — würde bey hundert Weltmen-
ſchen, die es freylich ſehr übel nehmen, wenn man ſie
Unchriſten nennete — ein übelangebrachtes, fanatiſches,
alles Gute verderbendes Wort ſeyn. Es iſt ſo wahr,
als etwas wahr iſt: Je näher einer Chriſtus iſt,
deſto ferner iſt er der Welt; Je ähnlicher Chri-
ſtus, deſto unähnlicher der Welt; Je unähnli-
cher der Welt, deſto verachteter deſto gehaßter
von der Welt. — Doch ſey dabey das allen Leſern auf die
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 126[146]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/154>, abgerufen am 21.11.2024.
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