logische Studium sezte er auch in Halle fort: al- lein aus guten Gründen verließ er es, und diese wa- ren, wie er mir selbst gestand, folgende. Er hatte bey dem sehr bornirten Unterricht auf der Schule zu Fulda keine Gelegenheit gehabt, die morgenländi- schen Sprachen zu lernen, und war selbst im Grie- chischen eben kein Hexenmeister geworden. Nun hätte ihn zwar der Mangel an diesen Kenntnissen nicht hindern können, Theologie zu studieren, wenn er den gewöhnlichen Gang hätte mitmachen wollen: denn viele unsrer Herren werden ja auch Theolo- gen, ohne Hebräisch lesen oder Time dekliniren zu können. Aber Herr Stemmert dachte anders, und war überzeugt, daß ohne eine gründliche Kennt- niß der Bibelsprachen das ganze theologische Stu- dium ein bodenloses Ding sey: er hatte nicht Lust, sich mit dem Kametz Chatubh abzugeben, und ließ daher auch die Theologie. Dann bewog ihn hier- zu auch noch die eigentliche Beschaffenheit die- ses Studiums. Er meynte, die ganze Theologie sey eine bloß menschliche Erfindung, welche bloß ihres erdichteten höhern Ursprungs wegen ehrwür- dig aussähe, aber bey jeder nähern Untersuchung und Beleuchtung dahin stürzte. Dieß sey die Na- tur jeder Theologie, der heidnischen, jüdischen und christlichen, und in der christlichen sey die prote- stantische der katholischen so ähnlich wie ein Ey dem
logiſche Studium ſezte er auch in Halle fort: al- lein aus guten Gruͤnden verließ er es, und dieſe wa- ren, wie er mir ſelbſt geſtand, folgende. Er hatte bey dem ſehr bornirten Unterricht auf der Schule zu Fulda keine Gelegenheit gehabt, die morgenlaͤndi- ſchen Sprachen zu lernen, und war ſelbſt im Grie- chiſchen eben kein Hexenmeiſter geworden. Nun haͤtte ihn zwar der Mangel an dieſen Kenntniſſen nicht hindern koͤnnen, Theologie zu ſtudieren, wenn er den gewoͤhnlichen Gang haͤtte mitmachen wollen: denn viele unſrer Herren werden ja auch Theolo- gen, ohne Hebraͤiſch leſen oder Time dekliniren zu koͤnnen. Aber Herr Stemmert dachte anders, und war uͤberzeugt, daß ohne eine gruͤndliche Kennt- niß der Bibelſprachen das ganze theologiſche Stu- dium ein bodenloſes Ding ſey: er hatte nicht Luſt, ſich mit dem Kametz Chatubh abzugeben, und ließ daher auch die Theologie. Dann bewog ihn hier- zu auch noch die eigentliche Beſchaffenheit die- ſes Studiums. Er meynte, die ganze Theologie ſey eine bloß menſchliche Erfindung, welche bloß ihres erdichteten hoͤhern Urſprungs wegen ehrwuͤr- dig ausſaͤhe, aber bey jeder naͤhern Unterſuchung und Beleuchtung dahin ſtuͤrzte. Dieß ſey die Na- tur jeder Theologie, der heidniſchen, juͤdiſchen und chriſtlichen, und in der chriſtlichen ſey die prote- ſtantiſche der katholiſchen ſo aͤhnlich wie ein Ey dem
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0096"n="88"/>
logiſche Studium ſezte er auch in Halle fort: al-<lb/>
lein aus guten Gruͤnden verließ er es, und dieſe wa-<lb/>
ren, wie er mir ſelbſt geſtand, folgende. Er hatte bey<lb/>
dem ſehr bornirten Unterricht auf der Schule zu<lb/>
Fulda keine Gelegenheit gehabt, die morgenlaͤndi-<lb/>ſchen Sprachen zu lernen, und war ſelbſt im Grie-<lb/>
chiſchen eben kein Hexenmeiſter geworden. Nun<lb/>
haͤtte ihn zwar der Mangel an dieſen Kenntniſſen<lb/>
nicht hindern koͤnnen, Theologie zu ſtudieren, wenn<lb/>
er den gewoͤhnlichen Gang haͤtte mitmachen wollen:<lb/>
denn viele unſrer Herren werden ja auch Theolo-<lb/>
gen, ohne Hebraͤiſch leſen oder Time dekliniren zu<lb/>
koͤnnen. Aber Herr Stemmert dachte anders, und<lb/>
war uͤberzeugt, daß ohne eine gruͤndliche Kennt-<lb/>
niß der Bibelſprachen das ganze theologiſche Stu-<lb/>
dium ein bodenloſes Ding ſey: er hatte nicht Luſt,<lb/>ſich mit dem Kametz Chatubh abzugeben, und ließ<lb/>
daher auch die Theologie. Dann bewog ihn hier-<lb/>
zu auch noch die eigentliche Beſchaffenheit die-<lb/>ſes Studiums. Er meynte, die ganze Theologie<lb/>ſey eine bloß menſchliche Erfindung, welche bloß<lb/>
ihres erdichteten hoͤhern Urſprungs wegen ehrwuͤr-<lb/>
dig ausſaͤhe, aber bey jeder naͤhern Unterſuchung<lb/>
und Beleuchtung dahin ſtuͤrzte. Dieß ſey die Na-<lb/>
tur jeder Theologie, der heidniſchen, juͤdiſchen und<lb/>
chriſtlichen, und in der chriſtlichen ſey die prote-<lb/>ſtantiſche der katholiſchen ſo aͤhnlich wie ein Ey dem<lb/></p></div></body></text></TEI>
[88/0096]
logiſche Studium ſezte er auch in Halle fort: al-
lein aus guten Gruͤnden verließ er es, und dieſe wa-
ren, wie er mir ſelbſt geſtand, folgende. Er hatte bey
dem ſehr bornirten Unterricht auf der Schule zu
Fulda keine Gelegenheit gehabt, die morgenlaͤndi-
ſchen Sprachen zu lernen, und war ſelbſt im Grie-
chiſchen eben kein Hexenmeiſter geworden. Nun
haͤtte ihn zwar der Mangel an dieſen Kenntniſſen
nicht hindern koͤnnen, Theologie zu ſtudieren, wenn
er den gewoͤhnlichen Gang haͤtte mitmachen wollen:
denn viele unſrer Herren werden ja auch Theolo-
gen, ohne Hebraͤiſch leſen oder Time dekliniren zu
koͤnnen. Aber Herr Stemmert dachte anders, und
war uͤberzeugt, daß ohne eine gruͤndliche Kennt-
niß der Bibelſprachen das ganze theologiſche Stu-
dium ein bodenloſes Ding ſey: er hatte nicht Luſt,
ſich mit dem Kametz Chatubh abzugeben, und ließ
daher auch die Theologie. Dann bewog ihn hier-
zu auch noch die eigentliche Beſchaffenheit die-
ſes Studiums. Er meynte, die ganze Theologie
ſey eine bloß menſchliche Erfindung, welche bloß
ihres erdichteten hoͤhern Urſprungs wegen ehrwuͤr-
dig ausſaͤhe, aber bey jeder naͤhern Unterſuchung
und Beleuchtung dahin ſtuͤrzte. Dieß ſey die Na-
tur jeder Theologie, der heidniſchen, juͤdiſchen und
chriſtlichen, und in der chriſtlichen ſey die prote-
ſtantiſche der katholiſchen ſo aͤhnlich wie ein Ey dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/96>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.