Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

und diese Nörgeleien verursachten dann natürlicher
Weise, daß ich nirgends in einer penibelern Lage
war, als wenn ich mich zu Haus aufhalten mußte.

Ich gab mehrere Stunden und repetirte diesen
Winter über die christ-lutherische Dogmatik und
die Kirchengeschichte. Beyde Disciplinen haben
mir stets viel Vergnügen gemacht; nicht als wenn
es an und für sich angenehm wäre, eine Menge
unbeweisbarer hyperphysischer Lehrsätze zu lernen,
oder sich mit dem Gang des kirchlichen Despotis-
mus aus der Geschichte der Kirche bekannt zu ma-
chen, sondern weil beyde jeden denkenden Kopf so
sehr beruhigen über alles, was man ihm als offen-
bart aufdringen will: denn die Dogmatik und die
Kirchenhistorie sind die beste Widerlegung aller mög-
lichen Offenbarung, man müßte dann annehmen,
daß das ganze Menschengeschlecht etwan achtzehn-
hundert Jahre lang im Kopf verrückt gewesen sey.
Doch das gehört hier nicht her. Außer diesen theolo-
gisch-historischen Stunden unterrichtete ich auch noch
im Lateinischen, Französischen und Italienischen.

So lang ich außer meiner Wohnung war, hatte
ich heitere Sinnen, kam ich aber dahin zurück, so
machte mein sanftes Hannchen eine dermaßen
finstere Stirne, daß ich mich in dem Augenblick
weit weg wünschte. Daß es gleich von Anfang
unsres Ehejochs oftmals zum Wortwechsel kam,

und dieſe Noͤrgeleien verurſachten dann natuͤrlicher
Weiſe, daß ich nirgends in einer penibelern Lage
war, als wenn ich mich zu Haus aufhalten mußte.

Ich gab mehrere Stunden und repetirte dieſen
Winter uͤber die chriſt-lutheriſche Dogmatik und
die Kirchengeſchichte. Beyde Diſciplinen haben
mir ſtets viel Vergnuͤgen gemacht; nicht als wenn
es an und fuͤr ſich angenehm waͤre, eine Menge
unbeweisbarer hyperphyſiſcher Lehrſaͤtze zu lernen,
oder ſich mit dem Gang des kirchlichen Despotis-
mus aus der Geſchichte der Kirche bekannt zu ma-
chen, ſondern weil beyde jeden denkenden Kopf ſo
ſehr beruhigen uͤber alles, was man ihm als offen-
bart aufdringen will: denn die Dogmatik und die
Kirchenhiſtorie ſind die beſte Widerlegung aller moͤg-
lichen Offenbarung, man muͤßte dann annehmen,
daß das ganze Menſchengeſchlecht etwan achtzehn-
hundert Jahre lang im Kopf verruͤckt geweſen ſey.
Doch das gehoͤrt hier nicht her. Außer dieſen theolo-
giſch-hiſtoriſchen Stunden unterrichtete ich auch noch
im Lateiniſchen, Franzoͤſiſchen und Italieniſchen.

So lang ich außer meiner Wohnung war, hatte
ich heitere Sinnen, kam ich aber dahin zuruͤck, ſo
machte mein ſanftes Hannchen eine dermaßen
finſtere Stirne, daß ich mich in dem Augenblick
weit weg wuͤnſchte. Daß es gleich von Anfang
unſres Ehejochs oftmals zum Wortwechſel kam,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="23"/>
und die&#x017F;e No&#x0364;rgeleien verur&#x017F;achten dann natu&#x0364;rlicher<lb/>
Wei&#x017F;e, daß ich nirgends in einer penibelern Lage<lb/>
war, als wenn ich mich zu Haus aufhalten mußte.</p><lb/>
        <p>Ich gab mehrere <choice><sic>Stuuden</sic><corr>Stunden</corr></choice> und repetirte die&#x017F;en<lb/>
Winter u&#x0364;ber die chri&#x017F;t-lutheri&#x017F;che Dogmatik und<lb/>
die Kirchenge&#x017F;chichte. Beyde <choice><sic>Di&#x017F;ciplineu</sic><corr>Di&#x017F;ciplinen</corr></choice> haben<lb/>
mir &#x017F;tets viel Vergnu&#x0364;gen gemacht; nicht als wenn<lb/>
es an und fu&#x0364;r &#x017F;ich <choice><sic>angeuehm</sic><corr>angenehm</corr></choice> wa&#x0364;re, eine Menge<lb/>
unbeweisbarer hyperphy&#x017F;i&#x017F;cher Lehr&#x017F;a&#x0364;tze zu lernen,<lb/>
oder &#x017F;ich mit dem Gang des kirchlichen Despotis-<lb/>
mus aus der Ge&#x017F;chichte der Kirche bekannt zu ma-<lb/>
chen, &#x017F;ondern weil beyde jeden denkenden Kopf &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr beruhigen u&#x0364;ber alles, was man ihm als offen-<lb/>
bart aufdringen will: denn die Dogmatik und die<lb/>
Kirchenhi&#x017F;torie &#x017F;ind die be&#x017F;te Widerlegung aller mo&#x0364;g-<lb/>
lichen Offenbarung, man mu&#x0364;ßte dann annehmen,<lb/>
daß das ganze Men&#x017F;chenge&#x017F;chlecht etwan achtzehn-<lb/>
hundert Jahre lang im Kopf verru&#x0364;ckt gewe&#x017F;en &#x017F;ey.<lb/>
Doch das geho&#x0364;rt hier nicht her. Außer die&#x017F;en theolo-<lb/>
gi&#x017F;ch-hi&#x017F;tori&#x017F;chen Stunden unterrichtete ich auch noch<lb/>
im Lateini&#x017F;chen, Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen und Italieni&#x017F;chen.</p><lb/>
        <p>So lang ich außer meiner Wohnung war, hatte<lb/>
ich heitere Sinnen, kam ich aber dahin zuru&#x0364;ck, &#x017F;o<lb/>
machte mein <hi rendition="#g">&#x017F;anftes</hi> Hannchen eine dermaßen<lb/>
fin&#x017F;tere Stirne, daß ich mich in dem Augenblick<lb/>
weit weg wu&#x0364;n&#x017F;chte. Daß es gleich von Anfang<lb/>
un&#x017F;res Ehejochs oftmals zum Wortwech&#x017F;el kam,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0031] und dieſe Noͤrgeleien verurſachten dann natuͤrlicher Weiſe, daß ich nirgends in einer penibelern Lage war, als wenn ich mich zu Haus aufhalten mußte. Ich gab mehrere Stunden und repetirte dieſen Winter uͤber die chriſt-lutheriſche Dogmatik und die Kirchengeſchichte. Beyde Diſciplinen haben mir ſtets viel Vergnuͤgen gemacht; nicht als wenn es an und fuͤr ſich angenehm waͤre, eine Menge unbeweisbarer hyperphyſiſcher Lehrſaͤtze zu lernen, oder ſich mit dem Gang des kirchlichen Despotis- mus aus der Geſchichte der Kirche bekannt zu ma- chen, ſondern weil beyde jeden denkenden Kopf ſo ſehr beruhigen uͤber alles, was man ihm als offen- bart aufdringen will: denn die Dogmatik und die Kirchenhiſtorie ſind die beſte Widerlegung aller moͤg- lichen Offenbarung, man muͤßte dann annehmen, daß das ganze Menſchengeſchlecht etwan achtzehn- hundert Jahre lang im Kopf verruͤckt geweſen ſey. Doch das gehoͤrt hier nicht her. Außer dieſen theolo- giſch-hiſtoriſchen Stunden unterrichtete ich auch noch im Lateiniſchen, Franzoͤſiſchen und Italieniſchen. So lang ich außer meiner Wohnung war, hatte ich heitere Sinnen, kam ich aber dahin zuruͤck, ſo machte mein ſanftes Hannchen eine dermaßen finſtere Stirne, daß ich mich in dem Augenblick weit weg wuͤnſchte. Daß es gleich von Anfang unſres Ehejochs oftmals zum Wortwechſel kam,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/31
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/31>, abgerufen am 29.03.2024.