Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

tenberg, Leipzig und Strasburg: da aber das Schick-
sal seine Leute wunderlich führt, so gerieth mein guter
Vetter unter die französischen Soldaten, segelte
nach Amerika, und ward endlich Hofmeister in
Schlesien. Die Leser können leicht denken, daß
von einem Manne, welcher so wunderliche Umzüge
gemacht hat, gar viel Interessantes erzählt werden
könnte, aber ich schreibe ja meine und nicht mei-
nes Vetters Geschichte, und kann daher damit
nicht dienen. Vielleicht beschreibt er einst seine
Historie, und dann wäre es sehr unartig, wenn
ich ihm vorgreifen wollte.

Einige Wochen nach meines Vetters Abreise
kam ein Männchen nach Halle, dessen Logis ich
aber trotz meiner Untersuchungen nicht ausfindig
machen konnte. Das Männchen besuchte mich
früh Morgens, und beschied mich auf den Nachmit-
tag zu sich auf die sogenannte Loge, er habe mir
ein Project mitzutheilen, durch dessen Ausführung
wir beyde könnten auf immer glücklich werden. Ich
halte zwar blutwenig auf Projecte, weil mir bis-
her alle die, welche ich formirt hatte, oder welche
andre für mich formirten, gescheitert oder wenig-
stens mislungen waren, doch wollte ich dießmal
sehen, was das Männchen eigentlich haben wolle,
und ging auf die Loge, wo damals Mosjeh Diet-

tenberg, Leipzig und Strasburg: da aber das Schick-
ſal ſeine Leute wunderlich fuͤhrt, ſo gerieth mein guter
Vetter unter die franzoͤſiſchen Soldaten, ſegelte
nach Amerika, und ward endlich Hofmeiſter in
Schleſien. Die Leſer koͤnnen leicht denken, daß
von einem Manne, welcher ſo wunderliche Umzuͤge
gemacht hat, gar viel Intereſſantes erzaͤhlt werden
koͤnnte, aber ich ſchreibe ja meine und nicht mei-
nes Vetters Geſchichte, und kann daher damit
nicht dienen. Vielleicht beſchreibt er einſt ſeine
Hiſtorie, und dann waͤre es ſehr unartig, wenn
ich ihm vorgreifen wollte.

Einige Wochen nach meines Vetters Abreiſe
kam ein Maͤnnchen nach Halle, deſſen Logis ich
aber trotz meiner Unterſuchungen nicht ausfindig
machen konnte. Das Maͤnnchen beſuchte mich
fruͤh Morgens, und beſchied mich auf den Nachmit-
tag zu ſich auf die ſogenannte Loge, er habe mir
ein Project mitzutheilen, durch deſſen Ausfuͤhrung
wir beyde koͤnnten auf immer gluͤcklich werden. Ich
halte zwar blutwenig auf Projecte, weil mir bis-
her alle die, welche ich formirt hatte, oder welche
andre fuͤr mich formirten, geſcheitert oder wenig-
ſtens mislungen waren, doch wollte ich dießmal
ſehen, was das Maͤnnchen eigentlich haben wolle,
und ging auf die Loge, wo damals Mosjeh Diet-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0130" n="122"/>
tenberg, Leipzig und Strasburg: da aber das Schick-<lb/>
&#x017F;al &#x017F;eine Leute wunderlich fu&#x0364;hrt, &#x017F;o gerieth mein guter<lb/>
Vetter unter die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Soldaten, &#x017F;egelte<lb/>
nach Amerika, und ward endlich Hofmei&#x017F;ter in<lb/>
Schle&#x017F;ien. Die Le&#x017F;er ko&#x0364;nnen leicht denken, daß<lb/>
von einem Manne, welcher &#x017F;o wunderliche Umzu&#x0364;ge<lb/>
gemacht hat, gar viel Intere&#x017F;&#x017F;antes erza&#x0364;hlt werden<lb/>
ko&#x0364;nnte, aber ich &#x017F;chreibe ja meine und nicht mei-<lb/>
nes Vetters Ge&#x017F;chichte, und kann daher damit<lb/>
nicht dienen. Vielleicht be&#x017F;chreibt er ein&#x017F;t &#x017F;eine<lb/>
Hi&#x017F;torie, und dann wa&#x0364;re es &#x017F;ehr unartig, wenn<lb/>
ich ihm vorgreifen wollte.</p><lb/>
        <p>Einige Wochen nach meines Vetters Abrei&#x017F;e<lb/>
kam ein Ma&#x0364;nnchen nach Halle, de&#x017F;&#x017F;en Logis ich<lb/>
aber trotz meiner Unter&#x017F;uchungen nicht ausfindig<lb/>
machen konnte. Das Ma&#x0364;nnchen be&#x017F;uchte mich<lb/>
fru&#x0364;h Morgens, und be&#x017F;chied mich auf den Nachmit-<lb/>
tag zu &#x017F;ich auf die &#x017F;ogenannte Loge, er habe mir<lb/>
ein Project mitzutheilen, durch de&#x017F;&#x017F;en Ausfu&#x0364;hrung<lb/>
wir beyde ko&#x0364;nnten auf immer glu&#x0364;cklich werden. Ich<lb/>
halte zwar blutwenig auf Projecte, weil mir bis-<lb/>
her alle die, welche ich formirt hatte, oder welche<lb/>
andre fu&#x0364;r mich formirten, ge&#x017F;cheitert oder wenig-<lb/>
&#x017F;tens mislungen waren, doch wollte ich dießmal<lb/>
&#x017F;ehen, was das Ma&#x0364;nnchen eigentlich haben wolle,<lb/>
und ging auf die Loge, wo damals Mosjeh Diet-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0130] tenberg, Leipzig und Strasburg: da aber das Schick- ſal ſeine Leute wunderlich fuͤhrt, ſo gerieth mein guter Vetter unter die franzoͤſiſchen Soldaten, ſegelte nach Amerika, und ward endlich Hofmeiſter in Schleſien. Die Leſer koͤnnen leicht denken, daß von einem Manne, welcher ſo wunderliche Umzuͤge gemacht hat, gar viel Intereſſantes erzaͤhlt werden koͤnnte, aber ich ſchreibe ja meine und nicht mei- nes Vetters Geſchichte, und kann daher damit nicht dienen. Vielleicht beſchreibt er einſt ſeine Hiſtorie, und dann waͤre es ſehr unartig, wenn ich ihm vorgreifen wollte. Einige Wochen nach meines Vetters Abreiſe kam ein Maͤnnchen nach Halle, deſſen Logis ich aber trotz meiner Unterſuchungen nicht ausfindig machen konnte. Das Maͤnnchen beſuchte mich fruͤh Morgens, und beſchied mich auf den Nachmit- tag zu ſich auf die ſogenannte Loge, er habe mir ein Project mitzutheilen, durch deſſen Ausfuͤhrung wir beyde koͤnnten auf immer gluͤcklich werden. Ich halte zwar blutwenig auf Projecte, weil mir bis- her alle die, welche ich formirt hatte, oder welche andre fuͤr mich formirten, geſcheitert oder wenig- ſtens mislungen waren, doch wollte ich dießmal ſehen, was das Maͤnnchen eigentlich haben wolle, und ging auf die Loge, wo damals Mosjeh Diet-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/130
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/130>, abgerufen am 22.11.2024.