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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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werden es am besten wissen. Aber doch ists son-
derbar, daß ein Preußisches Gericht, besonders
ein unversitätisches drey volle Jahre warten konnte,
ehe es Unkosten forderte, und dann erst forderte,
als der Prorector, unter welchem die Sache vor-
gefallen war, längst verstorben, der Director aber
weit weg versezt war. Ich mache hier keine Anmer-
kungen, vielleicht machen diese einige sachkundige
Leser, und das ist mir genug.

Indessen lebte ich ziemlich ruhig, und hatte
gegen den Herbst 1798 das Vergnügen, mei-
nen Vetter Jacob Laukhard bey mir in Halle zu
sehen. Dieser rechtschaffne Mann hatte mit mir
einen Theil seiner ersten Jugend in Dolgesheim bey
Maynz zugebracht, wo damals der Inspector Kratz
eine Art lateinischer Schule errichtet hatte. Kratz
war ein Mann von Kenntnissen, das heißt, er
schrieb und sprach lateinisch ohne Schnitzer, las
die Griechischen Autoren ohne Version und ohne
Lexicon, wußte viel Geschichte, Geographie und
rechnete gut: dabey verstand er auch Französisch
und Englisch, und so war er dann allerdings der
gelehrteste Mann weit und breit herum, aber seine
Lehrmethode war abscheulich, und die Behandlung
der Schüler schrecklich: immer wurde zugeschla-
gen, und wer mit etwan sechs oder acht Lungen-
hiebe durchkam, für eine Schullection nämlich,

werden es am beſten wiſſen. Aber doch iſts ſon-
derbar, daß ein Preußiſches Gericht, beſonders
ein unverſitaͤtiſches drey volle Jahre warten konnte,
ehe es Unkoſten forderte, und dann erſt forderte,
als der Prorector, unter welchem die Sache vor-
gefallen war, laͤngſt verſtorben, der Director aber
weit weg verſezt war. Ich mache hier keine Anmer-
kungen, vielleicht machen dieſe einige ſachkundige
Leſer, und das iſt mir genug.

Indeſſen lebte ich ziemlich ruhig, und hatte
gegen den Herbſt 1798 das Vergnuͤgen, mei-
nen Vetter Jacob Laukhard bey mir in Halle zu
ſehen. Dieſer rechtſchaffne Mann hatte mit mir
einen Theil ſeiner erſten Jugend in Dolgesheim bey
Maynz zugebracht, wo damals der Inſpector Kratz
eine Art lateiniſcher Schule errichtet hatte. Kratz
war ein Mann von Kenntniſſen, das heißt, er
ſchrieb und ſprach lateiniſch ohne Schnitzer, las
die Griechiſchen Autoren ohne Verſion und ohne
Lexicon, wußte viel Geſchichte, Geographie und
rechnete gut: dabey verſtand er auch Franzoͤſiſch
und Engliſch, und ſo war er dann allerdings der
gelehrteſte Mann weit und breit herum, aber ſeine
Lehrmethode war abſcheulich, und die Behandlung
der Schuͤler ſchrecklich: immer wurde zugeſchla-
gen, und wer mit etwan ſechs oder acht Lungen-
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[120/0128] werden es am beſten wiſſen. Aber doch iſts ſon- derbar, daß ein Preußiſches Gericht, beſonders ein unverſitaͤtiſches drey volle Jahre warten konnte, ehe es Unkoſten forderte, und dann erſt forderte, als der Prorector, unter welchem die Sache vor- gefallen war, laͤngſt verſtorben, der Director aber weit weg verſezt war. Ich mache hier keine Anmer- kungen, vielleicht machen dieſe einige ſachkundige Leſer, und das iſt mir genug. Indeſſen lebte ich ziemlich ruhig, und hatte gegen den Herbſt 1798 das Vergnuͤgen, mei- nen Vetter Jacob Laukhard bey mir in Halle zu ſehen. Dieſer rechtſchaffne Mann hatte mit mir einen Theil ſeiner erſten Jugend in Dolgesheim bey Maynz zugebracht, wo damals der Inſpector Kratz eine Art lateiniſcher Schule errichtet hatte. Kratz war ein Mann von Kenntniſſen, das heißt, er ſchrieb und ſprach lateiniſch ohne Schnitzer, las die Griechiſchen Autoren ohne Verſion und ohne Lexicon, wußte viel Geſchichte, Geographie und rechnete gut: dabey verſtand er auch Franzoͤſiſch und Engliſch, und ſo war er dann allerdings der gelehrteſte Mann weit und breit herum, aber ſeine Lehrmethode war abſcheulich, und die Behandlung der Schuͤler ſchrecklich: immer wurde zugeſchla- gen, und wer mit etwan ſechs oder acht Lungen- hiebe durchkam, fuͤr eine Schullection naͤmlich,

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/128>, abgerufen am 28.04.2024.