Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

werden. Das Gelag dauerte bis früh sechs Uhr,
und nun denke man sich die Gestalt der beyden
Zimmer des Hn. v. H... und den lieblichen Geruch,
welcher daselbst herrschte! Hr. v. H... welcher
noch lebt, aber von der Gelehrsamkeit weiter kei-
nen Gebrauch machte, wird gewiß lachen, wenn
er diese Nachricht lesen sollte.

Freylich war das Späßchen doch noch etwas
feiner, als die Art, womit die Gießenser den
Frauenzimmern den Spaziergang auf dem Wall
verleideten. Auf dem Wall ist ein schöner Spa-
ziergang rund um die Stadt, aber wer einmal
drauf ist, muß entweder vorwärts oder rückwärts
gehen, da man bloß an den drey Thoren herunter
kommen kann: fast stets sahe man Studenten und
Frauenzimmer drauf herum spazieren, bis endlich
die Studenten die Schönen vertrieben. Dieß ge-
schah auf folgende von Hn. Hill, dem Oberzoto-
logen, angegebene Art. Zehn oder zwölf Stu-
denten zogen auf den Wall: da gingen sechs, acht
Mädchen oder Madamen mit einander; nun theil-
ten sich die Studenten, sechs liefen den Damen vor,
und sechs blieben zurück; die Damen kamen also in
die Mitte, aber die vordern Burschen sezten ihr Ge-
spräch mit den hinten Gebliebenen fort, und nun
wurde ein derbes Kapitel aus der Zotologie vor-
genommen, welches die armen Damen bis ans

werden. Das Gelag dauerte bis fruͤh ſechs Uhr,
und nun denke man ſich die Geſtalt der beyden
Zimmer des Hn. v. H... und den lieblichen Geruch,
welcher daſelbſt herrſchte! Hr. v. H... welcher
noch lebt, aber von der Gelehrſamkeit weiter kei-
nen Gebrauch machte, wird gewiß lachen, wenn
er dieſe Nachricht leſen ſollte.

Freylich war das Spaͤßchen doch noch etwas
feiner, als die Art, womit die Gießenſer den
Frauenzimmern den Spaziergang auf dem Wall
verleideten. Auf dem Wall iſt ein ſchoͤner Spa-
ziergang rund um die Stadt, aber wer einmal
drauf iſt, muß entweder vorwaͤrts oder ruͤckwaͤrts
gehen, da man bloß an den drey Thoren herunter
kommen kann: faſt ſtets ſahe man Studenten und
Frauenzimmer drauf herum ſpazieren, bis endlich
die Studenten die Schoͤnen vertrieben. Dieß ge-
ſchah auf folgende von Hn. Hill, dem Oberzoto-
logen, angegebene Art. Zehn oder zwoͤlf Stu-
denten zogen auf den Wall: da gingen ſechs, acht
Maͤdchen oder Madamen mit einander; nun theil-
ten ſich die Studenten, ſechs liefen den Damen vor,
und ſechs blieben zuruͤck; die Damen kamen alſo in
die Mitte, aber die vordern Burſchen ſezten ihr Ge-
ſpraͤch mit den hinten Gebliebenen fort, und nun
wurde ein derbes Kapitel aus der Zotologie vor-
genommen, welches die armen Damen bis ans

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0118" n="110"/>
werden. Das Gelag dauerte bis fru&#x0364;h &#x017F;echs Uhr,<lb/>
und nun denke man &#x017F;ich die Ge&#x017F;talt der beyden<lb/>
Zimmer des Hn. v. H... und den lieblichen Geruch,<lb/>
welcher da&#x017F;elb&#x017F;t herr&#x017F;chte! Hr. v. H... welcher<lb/>
noch lebt, aber von der Gelehr&#x017F;amkeit weiter kei-<lb/>
nen Gebrauch machte, wird gewiß lachen, wenn<lb/>
er die&#x017F;e Nachricht le&#x017F;en &#x017F;ollte.</p><lb/>
        <p>Freylich war das Spa&#x0364;ßchen doch noch etwas<lb/>
feiner, als die Art, womit die Gießen&#x017F;er den<lb/>
Frauenzimmern den Spaziergang auf dem Wall<lb/>
verleideten. Auf dem Wall i&#x017F;t ein &#x017F;cho&#x0364;ner Spa-<lb/>
ziergang rund um die Stadt, aber wer einmal<lb/>
drauf i&#x017F;t, muß entweder vorwa&#x0364;rts oder ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts<lb/>
gehen, da man bloß an den drey Thoren herunter<lb/>
kommen kann: fa&#x017F;t &#x017F;tets &#x017F;ahe man Studenten und<lb/>
Frauenzimmer drauf herum &#x017F;pazieren, bis endlich<lb/>
die Studenten die Scho&#x0364;nen vertrieben. Dieß ge-<lb/>
&#x017F;chah auf folgende von Hn. Hill, dem Oberzoto-<lb/>
logen, angegebene Art. Zehn oder zwo&#x0364;lf Stu-<lb/>
denten zogen auf den Wall: da gingen &#x017F;echs, acht<lb/>
Ma&#x0364;dchen oder Madamen mit einander; nun theil-<lb/>
ten &#x017F;ich die Studenten, &#x017F;echs liefen den Damen vor,<lb/>
und &#x017F;echs blieben zuru&#x0364;ck; die Damen kamen al&#x017F;o in<lb/>
die Mitte, aber die vordern Bur&#x017F;chen &#x017F;ezten ihr Ge-<lb/>
&#x017F;pra&#x0364;ch mit den hinten Gebliebenen fort, und nun<lb/>
wurde ein derbes Kapitel aus der Zotologie vor-<lb/>
genommen, welches die armen Damen bis ans<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0118] werden. Das Gelag dauerte bis fruͤh ſechs Uhr, und nun denke man ſich die Geſtalt der beyden Zimmer des Hn. v. H... und den lieblichen Geruch, welcher daſelbſt herrſchte! Hr. v. H... welcher noch lebt, aber von der Gelehrſamkeit weiter kei- nen Gebrauch machte, wird gewiß lachen, wenn er dieſe Nachricht leſen ſollte. Freylich war das Spaͤßchen doch noch etwas feiner, als die Art, womit die Gießenſer den Frauenzimmern den Spaziergang auf dem Wall verleideten. Auf dem Wall iſt ein ſchoͤner Spa- ziergang rund um die Stadt, aber wer einmal drauf iſt, muß entweder vorwaͤrts oder ruͤckwaͤrts gehen, da man bloß an den drey Thoren herunter kommen kann: faſt ſtets ſahe man Studenten und Frauenzimmer drauf herum ſpazieren, bis endlich die Studenten die Schoͤnen vertrieben. Dieß ge- ſchah auf folgende von Hn. Hill, dem Oberzoto- logen, angegebene Art. Zehn oder zwoͤlf Stu- denten zogen auf den Wall: da gingen ſechs, acht Maͤdchen oder Madamen mit einander; nun theil- ten ſich die Studenten, ſechs liefen den Damen vor, und ſechs blieben zuruͤck; die Damen kamen alſo in die Mitte, aber die vordern Burſchen ſezten ihr Ge- ſpraͤch mit den hinten Gebliebenen fort, und nun wurde ein derbes Kapitel aus der Zotologie vor- genommen, welches die armen Damen bis ans

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/118
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/118>, abgerufen am 27.04.2024.