Gießen, oder der Wirth in der Karthaune zu Frank- furt am Mayn.
Der Brief des Kneipier Boos befremdete mich nicht wenig, aber ich fand gar bald, daß ein Irr- thum vorgefallen seyn müßte, denn da sich die Schuld von den Jahren 1783 und 84 herschrieb, so konnte ich sie nicht gemacht haben, weil ich da- mals in Halle Kollegia las, und nicht einmal mein Bruder konnte jenes Laus Deo contrahirt ha- ben. Ich fand für gut, gar nicht zu antworten, und nun verklagte mich Meister Boos der Kneipen- wirth beym Prorektor der Universität, welcher damals Hr. Pr. Klügel war. Ich wurde citirt, versäumte aber den Termin, und siehe da, ich wur- de contumacirt. Allein ob ich gleich mich vor dieser Contumazsentenz gar nicht zu fürchten hatte, und zwar wegen den zu Göttingen wenigstens auf dem Papier, geltenden Gesetzen, so schrieb ich doch an den Prorector, und bat mir einen neuen Termin aus, und nun konnte ich hinlänglich beweisen, daß ich an dem Tage meiner Promotion in Halle nicht 8 gr. 6 pf. in Göttingen auf einer Kneipe verzeh- ren konnte. Diese Vertheidigung wurde dem Knei- pier zugesendet, und da er seinen Irrthum einsah, wurden die Akten reponirt. Sonst muß ich doch dem Mosjeh Boos wohlmeinend rathen, daß er, wenn er wieder einmal klagen will, sich einen an-
Gießen, oder der Wirth in der Karthaune zu Frank- furt am Mayn.
Der Brief des Kneipier Boos befremdete mich nicht wenig, aber ich fand gar bald, daß ein Irr- thum vorgefallen ſeyn muͤßte, denn da ſich die Schuld von den Jahren 1783 und 84 herſchrieb, ſo konnte ich ſie nicht gemacht haben, weil ich da- mals in Halle Kollegia las, und nicht einmal mein Bruder konnte jenes Laus Deo contrahirt ha- ben. Ich fand fuͤr gut, gar nicht zu antworten, und nun verklagte mich Meiſter Boos der Kneipen- wirth beym Prorektor der Univerſitaͤt, welcher damals Hr. Pr. Kluͤgel war. Ich wurde citirt, verſaͤumte aber den Termin, und ſiehe da, ich wur- de contumacirt. Allein ob ich gleich mich vor dieſer Contumazſentenz gar nicht zu fuͤrchten hatte, und zwar wegen den zu Goͤttingen wenigſtens auf dem Papier, geltenden Geſetzen, ſo ſchrieb ich doch an den Prorector, und bat mir einen neuen Termin aus, und nun konnte ich hinlaͤnglich beweiſen, daß ich an dem Tage meiner Promotion in Halle nicht 8 gr. 6 pf. in Goͤttingen auf einer Kneipe verzeh- ren konnte. Dieſe Vertheidigung wurde dem Knei- pier zugeſendet, und da er ſeinen Irrthum einſah, wurden die Akten reponirt. Sonſt muß ich doch dem Mosjeh Boos wohlmeinend rathen, daß er, wenn er wieder einmal klagen will, ſich einen an-
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Gießen, oder der Wirth in der Karthaune zu Frank-
furt am Mayn.
Der Brief des Kneipier Boos befremdete mich
nicht wenig, aber ich fand gar bald, daß ein Irr-
thum vorgefallen ſeyn muͤßte, denn da ſich die
Schuld von den Jahren 1783 und 84 herſchrieb,
ſo konnte ich ſie nicht gemacht haben, weil ich da-
mals in Halle Kollegia las, und nicht einmal
mein Bruder konnte jenes Laus Deo contrahirt ha-
ben. Ich fand fuͤr gut, gar nicht zu antworten,
und nun verklagte mich Meiſter Boos der Kneipen-
wirth beym Prorektor der Univerſitaͤt, welcher
damals Hr. Pr. Kluͤgel war. Ich wurde citirt,
verſaͤumte aber den Termin, und ſiehe da, ich wur-
de contumacirt. Allein ob ich gleich mich vor dieſer
Contumazſentenz gar nicht zu fuͤrchten hatte, und
zwar wegen den zu Goͤttingen wenigſtens auf dem
Papier, geltenden Geſetzen, ſo ſchrieb ich doch an den
Prorector, und bat mir einen neuen Termin aus,
und nun konnte ich hinlaͤnglich beweiſen, daß ich
an dem Tage meiner Promotion in Halle nicht
8 gr. 6 pf. in Goͤttingen auf einer Kneipe verzeh-
ren konnte. Dieſe Vertheidigung wurde dem Knei-
pier zugeſendet, und da er ſeinen Irrthum einſah,
wurden die Akten reponirt. Sonſt muß ich doch
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/114>, abgerufen am 23.11.2024.
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