Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

Pastor-Primarius in einer Reichsstadt, Leibarzt,
oder wohl gar General und Minister werden
können, als andre es konnten: denn meine we-
nigen Kenntnisse sollten mir bey der allmächti-
gen Leitung des Schicksals, welches die Griechen
Eimarmene *) nennen, eben so wenig im Wege
gewesen seyn, als sie es andern waren und noch
sind. Aber auch vom leidigen Schicksal abge-
sehen, hätte ich mir vielleicht durch Schmiegen
und Biegen eine Bedeutung verschaffen können,
die so manche auf diesen Wegen erlangt haben.
Doch es sollte einmal nicht seyn, und jetzt, da
ich dieses schreibe, ists zu spät, mir eine Lage zu
suchen, in welcher mich die Leute von unten auf
anschauen und sagen dürften: hic est, **) das
heißt: seht einmal an, aus dem Laukhard ist
doch auch noch ein Mann geworden.

Ob ich nun gleich als ein unbedeutender
Mensch, das ist, ohne Amt, ohne Reichthum,

*) Diese Göttin soll nach dem Zeugniß des Jamblichus im
Leben des Pythagoras sehr partheyisch seyn, und doch
will der weise Kaiser Marcus Aurelius im 4ten Buche
seiner Selbstphilosophie, daß der Mensch ihr, dieser
Partheylichkeit ungeachtet, willig gehorchen und folgen
müsse. Freylich wenn die Eimarmene unwiderstehlich
ist, so wäre es Thorheit ihr entgegen zu streben.
**) Persius Sat. I.
A2

Paſtor-Primarius in einer Reichsſtadt, Leibarzt,
oder wohl gar General und Miniſter werden
koͤnnen, als andre es konnten: denn meine we-
nigen Kenntniſſe ſollten mir bey der allmaͤchti-
gen Leitung des Schickſals, welches die Griechen
Ειμαϱμενη *) nennen, eben ſo wenig im Wege
geweſen ſeyn, als ſie es andern waren und noch
ſind. Aber auch vom leidigen Schickſal abge-
ſehen, haͤtte ich mir vielleicht durch Schmiegen
und Biegen eine Bedeutung verſchaffen koͤnnen,
die ſo manche auf dieſen Wegen erlangt haben.
Doch es ſollte einmal nicht ſeyn, und jetzt, da
ich dieſes ſchreibe, iſts zu ſpaͤt, mir eine Lage zu
ſuchen, in welcher mich die Leute von unten auf
anſchauen und ſagen duͤrften: hic eſt, **) das
heißt: ſeht einmal an, aus dem Laukhard iſt
doch auch noch ein Mann geworden.

Ob ich nun gleich als ein unbedeutender
Menſch, das iſt, ohne Amt, ohne Reichthum,

*) Dieſe Goͤttin ſoll nach dem Zeugniß des Jamblichus im
Leben des Pythagoras ſehr partheyiſch ſeyn, und doch
will der weiſe Kaiſer Marcus Aurelius im 4ten Buche
ſeiner Selbſtphiloſophie, daß der Menſch ihr, dieſer
Partheylichkeit ungeachtet, willig gehorchen und folgen
muͤſſe. Freylich wenn die Ειμαϱμενη unwiderſtehlich
iſt, ſo waͤre es Thorheit ihr entgegen zu ſtreben.
**) Perſius Sat. I.
A2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0011" n="3"/>
Pa&#x017F;tor-Primarius in einer Reichs&#x017F;tadt, Leibarzt,<lb/>
oder wohl gar General und Mini&#x017F;ter werden<lb/>
ko&#x0364;nnen, als andre es konnten: denn meine we-<lb/>
nigen Kenntni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ollten mir bey der allma&#x0364;chti-<lb/>
gen Leitung des Schick&#x017F;als, welches die Griechen<lb/>
&#x0395;&#x03B9;&#x03BC;&#x03B1;&#x03F1;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BD;&#x03B7; <note place="foot" n="*)">Die&#x017F;e Go&#x0364;ttin &#x017F;oll nach dem Zeugniß des Jamblichus im<lb/>
Leben des Pythagoras &#x017F;ehr partheyi&#x017F;ch &#x017F;eyn, und doch<lb/>
will der wei&#x017F;e Kai&#x017F;er Marcus Aurelius im 4ten Buche<lb/>
&#x017F;einer Selb&#x017F;tphilo&#x017F;ophie, daß der Men&#x017F;ch ihr, die&#x017F;er<lb/>
Partheylichkeit ungeachtet, willig gehorchen und folgen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Freylich wenn die &#x0395;&#x03B9;&#x03BC;&#x03B1;&#x03F1;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BD;&#x03B7; unwider&#x017F;tehlich<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o wa&#x0364;re es Thorheit ihr entgegen zu &#x017F;treben.</note> nennen, eben &#x017F;o wenig im Wege<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, als &#x017F;ie es andern waren und noch<lb/>
&#x017F;ind. Aber auch vom leidigen Schick&#x017F;al abge-<lb/>
&#x017F;ehen, ha&#x0364;tte ich mir vielleicht durch Schmiegen<lb/>
und Biegen eine Bedeutung ver&#x017F;chaffen ko&#x0364;nnen,<lb/>
die &#x017F;o manche auf die&#x017F;en Wegen erlangt haben.<lb/>
Doch es &#x017F;ollte einmal nicht &#x017F;eyn, und jetzt, da<lb/>
ich die&#x017F;es &#x017F;chreibe, i&#x017F;ts zu &#x017F;pa&#x0364;t, mir eine Lage zu<lb/>
&#x017F;uchen, in welcher mich die Leute von unten auf<lb/>
an&#x017F;chauen und &#x017F;agen du&#x0364;rften: <hi rendition="#aq">hic e&#x017F;t,</hi> <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#aq">Per&#x017F;ius Sat. I.</hi></note> das<lb/>
heißt: &#x017F;eht einmal an, aus dem Laukhard i&#x017F;t<lb/>
doch auch noch ein Mann geworden.</p><lb/>
        <p>Ob ich nun gleich als ein unbedeutender<lb/>
Men&#x017F;ch, das i&#x017F;t, ohne Amt, ohne Reichthum,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0011] Paſtor-Primarius in einer Reichsſtadt, Leibarzt, oder wohl gar General und Miniſter werden koͤnnen, als andre es konnten: denn meine we- nigen Kenntniſſe ſollten mir bey der allmaͤchti- gen Leitung des Schickſals, welches die Griechen Ειμαϱμενη *) nennen, eben ſo wenig im Wege geweſen ſeyn, als ſie es andern waren und noch ſind. Aber auch vom leidigen Schickſal abge- ſehen, haͤtte ich mir vielleicht durch Schmiegen und Biegen eine Bedeutung verſchaffen koͤnnen, die ſo manche auf dieſen Wegen erlangt haben. Doch es ſollte einmal nicht ſeyn, und jetzt, da ich dieſes ſchreibe, iſts zu ſpaͤt, mir eine Lage zu ſuchen, in welcher mich die Leute von unten auf anſchauen und ſagen duͤrften: hic eſt, **) das heißt: ſeht einmal an, aus dem Laukhard iſt doch auch noch ein Mann geworden. Ob ich nun gleich als ein unbedeutender Menſch, das iſt, ohne Amt, ohne Reichthum, *) Dieſe Goͤttin ſoll nach dem Zeugniß des Jamblichus im Leben des Pythagoras ſehr partheyiſch ſeyn, und doch will der weiſe Kaiſer Marcus Aurelius im 4ten Buche ſeiner Selbſtphiloſophie, daß der Menſch ihr, dieſer Partheylichkeit ungeachtet, willig gehorchen und folgen muͤſſe. Freylich wenn die Ειμαϱμενη unwiderſtehlich iſt, ſo waͤre es Thorheit ihr entgegen zu ſtreben. **) Perſius Sat. I. A2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/11
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/11>, abgerufen am 04.12.2024.