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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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allerdings richten müsse. Denn der Vortrag des
Religionsunterrichts darf nicht der Willkühr oder,
wie Einige sagen, der Einsicht eines Jeden über-
lassen werden. Die meisten Herren haben gar we-
nig liberale Einsicht, und richten sich blos nach
dem, was sie gelernt, oder vielmehr, was sie
obenhin im Collegium gehört, oder in einem leicht-
geschriebnen Buche gelesen haben; und hängen da-
her eben so von Autorität ab, wie die dicksten Or-
thodoxen von den symbolischen Büchern. Soll man
solchen unwissenden Menschen, worunter sehr viele
gewaltige Dummköpfe, Heuchler oder Schurken
sind *), es überlassen, über die Gestalt der kirch-
lichen Dogmen und ihres Vortrags selbst zu entschei-
den? Dieses würde ein sehr buntschäckiges Gewand
der Religionstheorie anzetteln, und am Ende Ver-
wirrungen und gänzlichen Verfall der doch wirklich
nicht ganz schlechten Lehre der protestantischen
Kirche hervorbringen, und so dem alten Papst-
thume, dem Aberglauben, und dem Sektengeiste
die Thüre wieder öffnen.

Man beruft sich, oder könnte sich wenigstens
auf das Beyspiel des Hn. Schulz, ehemals Pfar-
rers in Gielsdorf, berufen, welcher von allem

*) Dieser Ausdruck ist hart: aber ich habe Belege mehr als zu-
viel dazu.

allerdings richten muͤſſe. Denn der Vortrag des
Religionsunterrichts darf nicht der Willkuͤhr oder,
wie Einige ſagen, der Einſicht eines Jeden uͤber-
laſſen werden. Die meiſten Herren haben gar we-
nig liberale Einſicht, und richten ſich blos nach
dem, was ſie gelernt, oder vielmehr, was ſie
obenhin im Collegium gehoͤrt, oder in einem leicht-
geſchriebnen Buche geleſen haben; und haͤngen da-
her eben ſo von Autoritaͤt ab, wie die dickſten Or-
thodoxen von den ſymboliſchen Buͤchern. Soll man
ſolchen unwiſſenden Menſchen, worunter ſehr viele
gewaltige Dummkoͤpfe, Heuchler oder Schurken
ſind *), es uͤberlaſſen, uͤber die Geſtalt der kirch-
lichen Dogmen und ihres Vortrags ſelbſt zu entſchei-
den? Dieſes wuͤrde ein ſehr buntſchaͤckiges Gewand
der Religionstheorie anzetteln, und am Ende Ver-
wirrungen und gaͤnzlichen Verfall der doch wirklich
nicht ganz ſchlechten Lehre der proteſtantiſchen
Kirche hervorbringen, und ſo dem alten Papſt-
thume, dem Aberglauben, und dem Sektengeiſte
die Thuͤre wieder oͤffnen.

Man beruft ſich, oder koͤnnte ſich wenigſtens
auf das Beyſpiel des Hn. Schulz, ehemals Pfar-
rers in Gielsdorf, berufen, welcher von allem

*) Dieſer Ausdruck iſt hart: aber ich habe Belege mehr als zu-
viel dazu.
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[310/0314] allerdings richten muͤſſe. Denn der Vortrag des Religionsunterrichts darf nicht der Willkuͤhr oder, wie Einige ſagen, der Einſicht eines Jeden uͤber- laſſen werden. Die meiſten Herren haben gar we- nig liberale Einſicht, und richten ſich blos nach dem, was ſie gelernt, oder vielmehr, was ſie obenhin im Collegium gehoͤrt, oder in einem leicht- geſchriebnen Buche geleſen haben; und haͤngen da- her eben ſo von Autoritaͤt ab, wie die dickſten Or- thodoxen von den ſymboliſchen Buͤchern. Soll man ſolchen unwiſſenden Menſchen, worunter ſehr viele gewaltige Dummkoͤpfe, Heuchler oder Schurken ſind *), es uͤberlaſſen, uͤber die Geſtalt der kirch- lichen Dogmen und ihres Vortrags ſelbſt zu entſchei- den? Dieſes wuͤrde ein ſehr buntſchaͤckiges Gewand der Religionstheorie anzetteln, und am Ende Ver- wirrungen und gaͤnzlichen Verfall der doch wirklich nicht ganz ſchlechten Lehre der proteſtantiſchen Kirche hervorbringen, und ſo dem alten Papſt- thume, dem Aberglauben, und dem Sektengeiſte die Thuͤre wieder oͤffnen. Man beruft ſich, oder koͤnnte ſich wenigſtens auf das Beyſpiel des Hn. Schulz, ehemals Pfar- rers in Gielsdorf, berufen, welcher von allem *) Dieſer Ausdruck iſt hart: aber ich habe Belege mehr als zu- viel dazu.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/314>, abgerufen am 22.11.2024.