mir endlich gleichviel, ob ich die Nacht auf einem Eck- steine an der Straße, oder auf der Pritsche der Hauptwache, oder in einer gemeinen Schenke, oder in der Stube eines interessirten Theilnehmers, oder in meiner, oder sonst anderswo vertaumelte. Ich wollte oft austoben, und gerieth in Händel, und ward das Gespräch der Müßigen und Scha- denfrohen, oder das Gespötte der Kinder. Klei- dungsstücke, Wäsche und Bücher achtete ich damals eben so wenig, als Geld und mich. Man konnte mir alles abschwatzen oder nehmen, ja, man hätte Anstalt machen können, mich zu tödten, und ich blieb unbekümmert. Wer kann das Seine achten, wenn er aufhört, Sich zu achten! -- Wenn ich von Hn. Bispink eine Zeitlang wegblieb aus Rüge meines Bewußtseyns, so entschuldigte ich mich wahr und unwahr. Kurz, mein Vorsatz, mich ihm zu fügen, war vor Schmerz und Be- täubung längst und arg dahin.
Hr. Bispink aufmerksam gemacht durch al- lerhand Gerüchte und durch mein stätes Hin- und Herwanken, ob ich in Halle weiter bleiben, oder es verlassen sollte, merkte meine Krankheit näher, und ließ es an Warnung, Trost oder Lauge nicht fehlen, je nachdem ich es verdiente, oder er mich empfänglich fand. Aber was halfs! Nur die Zeit konnte meinen Schmerz lindern und mich über
mir endlich gleichviel, ob ich die Nacht auf einem Eck- ſteine an der Straße, oder auf der Pritſche der Hauptwache, oder in einer gemeinen Schenke, oder in der Stube eines intereſſirten Theilnehmers, oder in meiner, oder ſonſt anderswo vertaumelte. Ich wollte oft austoben, und gerieth in Haͤndel, und ward das Geſpraͤch der Muͤßigen und Scha- denfrohen, oder das Geſpoͤtte der Kinder. Klei- dungsſtuͤcke, Waͤſche und Buͤcher achtete ich damals eben ſo wenig, als Geld und mich. Man konnte mir alles abſchwatzen oder nehmen, ja, man haͤtte Anſtalt machen koͤnnen, mich zu toͤdten, und ich blieb unbekuͤmmert. Wer kann das Seine achten, wenn er aufhoͤrt, Sich zu achten! — Wenn ich von Hn. Bispink eine Zeitlang wegblieb aus Ruͤge meines Bewußtſeyns, ſo entſchuldigte ich mich wahr und unwahr. Kurz, mein Vorſatz, mich ihm zu fuͤgen, war vor Schmerz und Be- taͤubung laͤngſt und arg dahin.
Hr. Bispink aufmerkſam gemacht durch al- lerhand Geruͤchte und durch mein ſtaͤtes Hin- und Herwanken, ob ich in Halle weiter bleiben, oder es verlaſſen ſollte, merkte meine Krankheit naͤher, und ließ es an Warnung, Troſt oder Lauge nicht fehlen, je nachdem ich es verdiente, oder er mich empfaͤnglich fand. Aber was halfs! Nur die Zeit konnte meinen Schmerz lindern und mich uͤber
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mir endlich gleichviel, ob ich die Nacht auf einem Eck-
ſteine an der Straße, oder auf der Pritſche der
Hauptwache, oder in einer gemeinen Schenke,
oder in der Stube eines intereſſirten Theilnehmers,
oder in meiner, oder ſonſt anderswo vertaumelte.
Ich wollte oft austoben, und gerieth in Haͤndel,
und ward das Geſpraͤch der Muͤßigen und Scha-
denfrohen, oder das Geſpoͤtte der Kinder. Klei-
dungsſtuͤcke, Waͤſche und Buͤcher achtete ich damals
eben ſo wenig, als Geld und mich. Man konnte
mir alles abſchwatzen oder nehmen, ja, man haͤtte
Anſtalt machen koͤnnen, mich zu toͤdten, und ich
blieb unbekuͤmmert. Wer kann das Seine achten,
wenn er aufhoͤrt, Sich zu achten! — Wenn ich
von Hn. Bispink eine Zeitlang wegblieb aus
Ruͤge meines Bewußtſeyns, ſo entſchuldigte ich
mich wahr und unwahr. Kurz, mein Vorſatz,
mich ihm zu fuͤgen, war vor Schmerz und Be-
taͤubung laͤngſt und arg dahin.
Hr. Bispink aufmerkſam gemacht durch al-
lerhand Geruͤchte und durch mein ſtaͤtes Hin- und
Herwanken, ob ich in Halle weiter bleiben, oder
es verlaſſen ſollte, merkte meine Krankheit naͤher,
und ließ es an Warnung, Troſt oder Lauge nicht
fehlen, je nachdem ich es verdiente, oder er mich
empfaͤnglich fand. Aber was halfs! Nur die
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/290>, abgerufen am 22.11.2024.
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