Auch für diesesmal wurde ich entlassen, jedoch bedenklich ermahnt, mich genau zu besinnen, denn mit solchem Galimathias würde man sich nicht mehr begnügen lassen. Ich merkte wohl, daß man nicht im Sinne hatte, mich zu verderben: denn sonst hätte man ganz anders zu Werke gehen können. Indessen konnte ich mich vor der völligen Absolution doch nicht beruhigen, und das geringste, was ich mir zur Strafe vorstellte, war Einsper- rung bis auf den Frieden.
Endlich kam ich zum drittenmale vor. Man wiederholte viele Fragen, und schrieb meine Ant- worten genau auf. Nachdem dieses geschehen war, wurde mir alles vorgelesen, und ich gefragt: ob ich noch Einiges zu meiner Vertheidigung zu sagen hätte? Ich verneinte dieses, und der Anklä- ger, welcher mir die Akten vorgelesen hatte, sagte zum Präsidenten: ich sehe keine Ursache, diesen Mann anzuklagen. Der Präsident erwiederte, daß man die Sache noch genauer untersuchen müßte u. d. gl.
Wenn ich noch jezt so bey mir selbst überlege, warum man nicht genauer untersucht hat, und warum man mich sobald frey sprach, so denke ich, daß dieses vorzüglich darum geschah, weil man Männer nicht gern in Verdrieslichkeiten verwickeln wollte, welche sehr reelle Dienste der Republik
Auch fuͤr dieſesmal wurde ich entlaſſen, jedoch bedenklich ermahnt, mich genau zu beſinnen, denn mit ſolchem Galimathias wuͤrde man ſich nicht mehr begnuͤgen laſſen. Ich merkte wohl, daß man nicht im Sinne hatte, mich zu verderben: denn ſonſt haͤtte man ganz anders zu Werke gehen koͤnnen. Indeſſen konnte ich mich vor der voͤlligen Abſolution doch nicht beruhigen, und das geringſte, was ich mir zur Strafe vorſtellte, war Einſper- rung bis auf den Frieden.
Endlich kam ich zum drittenmale vor. Man wiederholte viele Fragen, und ſchrieb meine Ant- worten genau auf. Nachdem dieſes geſchehen war, wurde mir alles vorgeleſen, und ich gefragt: ob ich noch Einiges zu meiner Vertheidigung zu ſagen haͤtte? Ich verneinte dieſes, und der Anklaͤ- ger, welcher mir die Akten vorgeleſen hatte, ſagte zum Praͤſidenten: ich ſehe keine Urſache, dieſen Mann anzuklagen. Der Praͤſident erwiederte, daß man die Sache noch genauer unterſuchen muͤßte u. d. gl.
Wenn ich noch jezt ſo bey mir ſelbſt uͤberlege, warum man nicht genauer unterſucht hat, und warum man mich ſobald frey ſprach, ſo denke ich, daß dieſes vorzuͤglich darum geſchah, weil man Maͤnner nicht gern in Verdrieslichkeiten verwickeln wollte, welche ſehr reelle Dienſte der Republik
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Auch fuͤr dieſesmal wurde ich entlaſſen, jedoch
bedenklich ermahnt, mich genau zu beſinnen, denn
mit ſolchem Galimathias wuͤrde man ſich nicht
mehr begnuͤgen laſſen. Ich merkte wohl, daß
man nicht im Sinne hatte, mich zu verderben:
denn ſonſt haͤtte man ganz anders zu Werke gehen
koͤnnen. Indeſſen konnte ich mich vor der voͤlligen
Abſolution doch nicht beruhigen, und das geringſte,
was ich mir zur Strafe vorſtellte, war Einſper-
rung bis auf den Frieden.
Endlich kam ich zum drittenmale vor. Man
wiederholte viele Fragen, und ſchrieb meine Ant-
worten genau auf. Nachdem dieſes geſchehen
war, wurde mir alles vorgeleſen, und ich gefragt:
ob ich noch Einiges zu meiner Vertheidigung zu
ſagen haͤtte? Ich verneinte dieſes, und der Anklaͤ-
ger, welcher mir die Akten vorgeleſen hatte, ſagte
zum Praͤſidenten: ich ſehe keine Urſache, dieſen
Mann anzuklagen. Der Praͤſident erwiederte,
daß man die Sache noch genauer unterſuchen
muͤßte u. d. gl.
Wenn ich noch jezt ſo bey mir ſelbſt uͤberlege,
warum man nicht genauer unterſucht hat, und
warum man mich ſobald frey ſprach, ſo denke ich,
daß dieſes vorzuͤglich darum geſchah, weil man
Maͤnner nicht gern in Verdrieslichkeiten verwickeln
wollte, welche ſehr reelle Dienſte der Republik
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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