damals nicht vermögend, mich zu überzeugen, daß der Tod kein Uebel sey. Nur die Vorstellung, daß es vielleicht noch gut gehen könnte, richtete mich auf, und ließ mich wieder Muth fassen. Wie wahr ist es doch, was Tibullus so schön sagt:
credula vitam Spes fovet, et melius cras fore, semper ait.
Ich wurde das anderemal verhört, aber auch da verwickelte ich mich, und hätte beynahe den ganzen Handel verrathen. Ich behauptete näm- lich: Dentzel hätte allen Anerbietungen der Feinde kein Gehör gegeben. Welchen Anerbietun- gen? fragte der Präsident. Je nun, erwiederte ich, welche die Preußen ihm gemacht haben. Also weist du doch, daß die Preußen dem Dentzel Anerbietungen gemacht haben? -- Ich merkte gleich, daß ich vor aller Angst recht dummes Zeug geplaudert hatte, und wollte Ausflüchte suchen: aber der Präsident verfolgte seine Idee, und ich kam arg in die Klemme. Ich habe sagen hören, ich weis nicht wo; man hat gesagt, ich weis nicht, wer; ich habe gedacht, ich weis nicht, weswegen -- das war so ohngefähr, was ich dem dringenden Zusetzen des Inquisitors entgegen sezte.
damals nicht vermoͤgend, mich zu uͤberzeugen, daß der Tod kein Uebel ſey. Nur die Vorſtellung, daß es vielleicht noch gut gehen koͤnnte, richtete mich auf, und ließ mich wieder Muth faſſen. Wie wahr iſt es doch, was Tibullus ſo ſchoͤn ſagt:
credula vitam Spes fovet, et melius cras fore, ſemper ait.
Ich wurde das anderemal verhoͤrt, aber auch da verwickelte ich mich, und haͤtte beynahe den ganzen Handel verrathen. Ich behauptete naͤm- lich: Dentzel haͤtte allen Anerbietungen der Feinde kein Gehoͤr gegeben. Welchen Anerbietun- gen? fragte der Praͤſident. Je nun, erwiederte ich, welche die Preußen ihm gemacht haben. Alſo weiſt du doch, daß die Preußen dem Dentzel Anerbietungen gemacht haben? — Ich merkte gleich, daß ich vor aller Angſt recht dummes Zeug geplaudert hatte, und wollte Ausfluͤchte ſuchen: aber der Praͤſident verfolgte ſeine Idee, und ich kam arg in die Klemme. Ich habe ſagen hoͤren, ich weis nicht wo; man hat geſagt, ich weis nicht, wer; ich habe gedacht, ich weis nicht, weswegen — das war ſo ohngefaͤhr, was ich dem dringenden Zuſetzen des Inquiſitors entgegen ſezte.
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damals nicht vermoͤgend, mich zu uͤberzeugen,
daß der Tod kein Uebel ſey. Nur die Vorſtellung,
daß es vielleicht noch gut gehen koͤnnte, richtete
mich auf, und ließ mich wieder Muth faſſen.
Wie wahr iſt es doch, was Tibullus ſo ſchoͤn
ſagt:
credula vitam
Spes fovet, et melius cras fore, ſemper ait.
Ich wurde das anderemal verhoͤrt, aber auch
da verwickelte ich mich, und haͤtte beynahe den
ganzen Handel verrathen. Ich behauptete naͤm-
lich: Dentzel haͤtte allen Anerbietungen der
Feinde kein Gehoͤr gegeben. Welchen Anerbietun-
gen? fragte der Praͤſident. Je nun, erwiederte
ich, welche die Preußen ihm gemacht haben.
Alſo weiſt du doch, daß die Preußen dem Dentzel
Anerbietungen gemacht haben? — Ich merkte
gleich, daß ich vor aller Angſt recht dummes Zeug
geplaudert hatte, und wollte Ausfluͤchte ſuchen:
aber der Praͤſident verfolgte ſeine Idee, und ich
kam arg in die Klemme. Ich habe ſagen hoͤren,
ich weis nicht wo; man hat geſagt, ich weis
nicht, wer; ich habe gedacht, ich weis nicht,
weswegen — das war ſo ohngefaͤhr, was ich dem
dringenden Zuſetzen des Inquiſitors entgegen
ſezte.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/23>, abgerufen am 21.11.2024.
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