Im Jahr 1795, im Jänner, befahl das hochwürdige Konsistorium zu Darmstadt, dessen geistliches Oberhaupt Herr Olf, der Superinten- dent ist, -- das weltliche kenne ich nicht, es muß aber Hrn. Olf beygestimmt haben -- daß in Zukunft alle Scheine, welche die Geistlichen aus- stellen würden, auf Stempelpapier geschrieben seyn sollten; und wer dagegen handelte, sollte um 10 Thaler gestraft werden. [E]in Pfarrer im Lich- tenbergischen machte nachher die Anfrage: ob denn auch die Nachtmalsscheine, (bey den Katholiken heißen sie Beichtzettel) welche meist an arme Dienstboten gestellt würden, auf Stempelpapier ge- schrieben werden sollten? Dieses, fügte er hinzu, würde wohl höchst unbillig seyn, weil auf diese Art das Nachtmal selbst mit einer Art von Taxe belegt und dadurch verhaßt gemacht werden würde. -- Herr Venator, Superintendent zu Kork, schickte, wie natürlich, die Frage des biedern Pfarrers nach Darmstadt ans Konsistorium. Die Herren darinn, statt einer vernünftigen Vorstellung Gehör zu ge- ben, ergrimmten heftig darüber, und schickten eine äußerst grobe Resolution nomine Serenissimi -- daß sich doch die nomina Serenissimorum zum Deckel aller Gräuel so oft müssen misbrauchen las- sen, besonders der ehrwürdige Name des recht- schaffnen Landgrafen von Darmstadt! --
Im Jahr 1795, im Jaͤnner, befahl das hochwuͤrdige Konſiſtorium zu Darmſtadt, deſſen geiſtliches Oberhaupt Herr Olf, der Superinten- dent iſt, — das weltliche kenne ich nicht, es muß aber Hrn. Olf beygeſtimmt haben — daß in Zukunft alle Scheine, welche die Geiſtlichen aus- ſtellen wuͤrden, auf Stempelpapier geſchrieben ſeyn ſollten; und wer dagegen handelte, ſollte um 10 Thaler geſtraft werden. [E]in Pfarrer im Lich- tenbergiſchen machte nachher die Anfrage: ob denn auch die Nachtmalsſcheine, (bey den Katholiken heißen ſie Beichtzettel) welche meiſt an arme Dienſtboten geſtellt wuͤrden, auf Stempelpapier ge- ſchrieben werden ſollten? Dieſes, fuͤgte er hinzu, wuͤrde wohl hoͤchſt unbillig ſeyn, weil auf dieſe Art das Nachtmal ſelbſt mit einer Art von Taxe belegt und dadurch verhaßt gemacht werden wuͤrde. — Herr Venator, Superintendent zu Kork, ſchickte, wie natuͤrlich, die Frage des biedern Pfarrers nach Darmſtadt ans Konſiſtorium. Die Herren darinn, ſtatt einer vernuͤnftigen Vorſtellung Gehoͤr zu ge- ben, ergrimmten heftig daruͤber, und ſchickten eine aͤußerſt grobe Reſolution nomine Sereniſſimi — daß ſich doch die nomina Sereniſſimorum zum Deckel aller Graͤuel ſo oft muͤſſen misbrauchen laſ- ſen, beſonders der ehrwuͤrdige Name des recht- ſchaffnen Landgrafen von Darmſtadt! —
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Im Jahr 1795, im Jaͤnner, befahl das
hochwuͤrdige Konſiſtorium zu Darmſtadt, deſſen
geiſtliches Oberhaupt Herr Olf, der Superinten-
dent iſt, — das weltliche kenne ich nicht, es
muß aber Hrn. Olf beygeſtimmt haben — daß
in Zukunft alle Scheine, welche die Geiſtlichen aus-
ſtellen wuͤrden, auf Stempelpapier geſchrieben
ſeyn ſollten; und wer dagegen handelte, ſollte um
10 Thaler geſtraft werden. Ein Pfarrer im Lich-
tenbergiſchen machte nachher die Anfrage: ob denn
auch die Nachtmalsſcheine, (bey den Katholiken
heißen ſie Beichtzettel) welche meiſt an arme
Dienſtboten geſtellt wuͤrden, auf Stempelpapier ge-
ſchrieben werden ſollten? Dieſes, fuͤgte er hinzu,
wuͤrde wohl hoͤchſt unbillig ſeyn, weil auf dieſe Art das
Nachtmal ſelbſt mit einer Art von Taxe belegt und
dadurch verhaßt gemacht werden wuͤrde. — Herr
Venator, Superintendent zu Kork, ſchickte, wie
natuͤrlich, die Frage des biedern Pfarrers nach
Darmſtadt ans Konſiſtorium. Die Herren darinn,
ſtatt einer vernuͤnftigen Vorſtellung Gehoͤr zu ge-
ben, ergrimmten heftig daruͤber, und ſchickten eine
aͤußerſt grobe Reſolution nomine Sereniſſimi —
daß ſich doch die nomina Sereniſſimorum zum
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ſen, beſonders der ehrwuͤrdige Name des recht-
ſchaffnen Landgrafen von Darmſtadt! —
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/221>, abgerufen am 21.11.2024.
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