Nachmittag. Die Etapes, meynte er, stände[n] nur des Nachmittags offen, und jezt habe er zu thun: -- er war ein Wagner, und arbeitete in seiner Werkstätte. Aber sein Geselle sagte ihm: er sollte sich schämen, einen Reisenden um der Ver- säumniß von einer Viertelstunde willen aufzuhal- ten: und ich wurde befriedigt.
Da ich keinen Feuerstahl hatte, so mußte ich in den Dörfern fleißig einsprechen, wegen mei- ner Pfeife, deren wohlthätige Wirkung ich beson- ders auf dieser beschwerlichen Reise empfunden habe. Fast allerwegen, wo ich einsprach, gab man mir ein Glas Wein, oder doch ein Glas boite - so nennen die Leute einen Aufguß auf die nicht ausgekelterten Weintrester, der hernach gährt, und von den Aermern getrunken wird. Nicht selten both man mir Brod und Kuchen aus türkischem Waizen oder Mais an: diese Kuchen, so wie auch das Muß aus demselben nennen die Leute Gotes, wenn ich anders dieses Wort recht schreibe. Ich würde -- so mensch- lich und gastfrey ist auch der gemeinste Franzose im Durchschnitt -- gewiß durchkommen seyn, wenn ich auch keinen Etape von der Nation ge- nossen hätte.
In Besancon kam ich ziemlich zeitig an, und erhielt mein Quartier, zum Ausruhen, bey
Nachmittag. Die Etapes, meynte er, ſtaͤnde[n] nur des Nachmittags offen, und jezt habe er zu thun: — er war ein Wagner, und arbeitete in ſeiner Werkſtaͤtte. Aber ſein Geſelle ſagte ihm: er ſollte ſich ſchaͤmen, einen Reiſenden um der Ver- ſaͤumniß von einer Viertelſtunde willen aufzuhal- ten: und ich wurde befriedigt.
Da ich keinen Feuerſtahl hatte, ſo mußte ich in den Doͤrfern fleißig einſprechen, wegen mei- ner Pfeife, deren wohlthaͤtige Wirkung ich beſon- ders auf dieſer beſchwerlichen Reiſe empfunden habe. Faſt allerwegen, wo ich einſprach, gab man mir ein Glas Wein, oder doch ein Glas boite – ſo nennen die Leute einen Aufguß auf die nicht ausgekelterten Weintreſter, der hernach gaͤhrt, und von den Aermern getrunken wird. Nicht ſelten both man mir Brod und Kuchen aus tuͤrkiſchem Waizen oder Mais an: dieſe Kuchen, ſo wie auch das Muß aus demſelben nennen die Leute Gotes, wenn ich anders dieſes Wort recht ſchreibe. Ich wuͤrde — ſo menſch- lich und gaſtfrey iſt auch der gemeinſte Franzoſe im Durchſchnitt — gewiß durchkommen ſeyn, wenn ich auch keinen Etape von der Nation ge- noſſen haͤtte.
In Beſançon kam ich ziemlich zeitig an, und erhielt mein Quartier, zum Ausruhen, bey
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0154"n="150"/>
Nachmittag. Die <hirendition="#aq">Etapes,</hi> meynte er, ſtaͤnde<supplied>n</supplied><lb/>
nur des Nachmittags offen, und jezt habe er zu<lb/>
thun: — er war ein Wagner, und arbeitete in<lb/>ſeiner Werkſtaͤtte. Aber ſein Geſelle ſagte ihm: er<lb/>ſollte ſich ſchaͤmen, einen Reiſenden um der Ver-<lb/>ſaͤumniß von einer Viertelſtunde willen aufzuhal-<lb/>
ten: und ich wurde befriedigt.</p><lb/><p>Da ich keinen Feuerſtahl hatte, ſo mußte ich<lb/>
in den Doͤrfern fleißig einſprechen, wegen mei-<lb/>
ner Pfeife, deren wohlthaͤtige Wirkung ich beſon-<lb/>
ders auf dieſer beſchwerlichen Reiſe empfunden<lb/>
habe. Faſt allerwegen, wo ich einſprach, gab<lb/>
man mir ein Glas Wein, oder doch ein Glas<lb/><hirendition="#aq">boite</hi>–ſo nennen die Leute einen Aufguß auf<lb/>
die nicht ausgekelterten Weintreſter, der hernach<lb/>
gaͤhrt, und von den Aermern getrunken wird.<lb/>
Nicht ſelten both man mir Brod und Kuchen<lb/>
aus tuͤrkiſchem Waizen oder Mais an: dieſe<lb/>
Kuchen, ſo wie auch das Muß aus demſelben<lb/>
nennen die Leute <hirendition="#aq">Gotes,</hi> wenn ich anders dieſes<lb/>
Wort recht ſchreibe. Ich wuͤrde —ſo menſch-<lb/>
lich und gaſtfrey iſt auch der gemeinſte Franzoſe<lb/>
im Durchſchnitt — gewiß durchkommen ſeyn,<lb/>
wenn ich auch keinen <hirendition="#aq">Etape</hi> von der Nation ge-<lb/>
noſſen haͤtte.</p><lb/><p>In <hirendition="#g">Beſançon</hi> kam ich ziemlich zeitig an,<lb/>
und erhielt mein Quartier, zum Ausruhen, bey<lb/></p></div></body></text></TEI>
[150/0154]
Nachmittag. Die Etapes, meynte er, ſtaͤnden
nur des Nachmittags offen, und jezt habe er zu
thun: — er war ein Wagner, und arbeitete in
ſeiner Werkſtaͤtte. Aber ſein Geſelle ſagte ihm: er
ſollte ſich ſchaͤmen, einen Reiſenden um der Ver-
ſaͤumniß von einer Viertelſtunde willen aufzuhal-
ten: und ich wurde befriedigt.
Da ich keinen Feuerſtahl hatte, ſo mußte ich
in den Doͤrfern fleißig einſprechen, wegen mei-
ner Pfeife, deren wohlthaͤtige Wirkung ich beſon-
ders auf dieſer beſchwerlichen Reiſe empfunden
habe. Faſt allerwegen, wo ich einſprach, gab
man mir ein Glas Wein, oder doch ein Glas
boite – ſo nennen die Leute einen Aufguß auf
die nicht ausgekelterten Weintreſter, der hernach
gaͤhrt, und von den Aermern getrunken wird.
Nicht ſelten both man mir Brod und Kuchen
aus tuͤrkiſchem Waizen oder Mais an: dieſe
Kuchen, ſo wie auch das Muß aus demſelben
nennen die Leute Gotes, wenn ich anders dieſes
Wort recht ſchreibe. Ich wuͤrde — ſo menſch-
lich und gaſtfrey iſt auch der gemeinſte Franzoſe
im Durchſchnitt — gewiß durchkommen ſeyn,
wenn ich auch keinen Etape von der Nation ge-
noſſen haͤtte.
In Beſançon kam ich ziemlich zeitig an,
und erhielt mein Quartier, zum Ausruhen, bey
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/154>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.