Fürsten und einer Nation ist es der Löwe im Garne: die Maus ist nur nicht immer gleich da, um die Maschen zu zerfressen. Man vergißt es zuweilen, daß man nichts vermag, wenn man von der allge- meinen Einstimmung, welche den Willen Aller nach einem und demselben Ziele eilen macht, nicht unterstüzt wird. In diesem Zustande des Irrthums handeln wollen, heißt, sich Unfällen, oder höch- stens einem schnell vorübergehenden Erfolge aus- stellen. Dieß beweißt die Erfahrung aller Zeiten. Fürsten errichten Heere: aber welche Anstrengung und Kosten verursacht ihnen dieses! Wie viel ver- schiedene Triebwerke müssen sie anbringen, wie viel verschiedene Plane überdenken, um nur eine einzige elende Legion auszuheben! Auf wie vielerley Pri- vatinteresse müssen sie schonende Rücksicht nehmen, indem sie die Rekruten ausheben! Wie viel Zeit ver- läuft, ehe diese Neugeworbenen im Felde erschei- nen können! Das Uebel ist nicht groß, wenn es ein Fürst ist, gegen den man Krieg führt: führt man ihn aber gegen eine Nation, so steht diese auf und marschirt: und es ist leicht einzusehen, auf wessen Seite der Vortheil seyn werde. Es ist wahr: eine Nation, welche auf diese Weise sich erhebt, hat nicht den einnehmenden Anblick, den ein ge- dientes Regiment giebt, wenn es in Parade geord- net steht, wo alle Soldaten wie in Einem Tiegel
Fuͤrſten und einer Nation iſt es der Loͤwe im Garne: die Maus iſt nur nicht immer gleich da, um die Maſchen zu zerfreſſen. Man vergißt es zuweilen, daß man nichts vermag, wenn man von der allge- meinen Einſtimmung, welche den Willen Aller nach einem und demſelben Ziele eilen macht, nicht unterſtuͤzt wird. In dieſem Zuſtande des Irrthums handeln wollen, heißt, ſich Unfaͤllen, oder hoͤch- ſtens einem ſchnell voruͤbergehenden Erfolge aus- ſtellen. Dieß beweißt die Erfahrung aller Zeiten. Fuͤrſten errichten Heere: aber welche Anſtrengung und Koſten verurſacht ihnen dieſes! Wie viel ver- ſchiedene Triebwerke muͤſſen ſie anbringen, wie viel verſchiedene Plane uͤberdenken, um nur eine einzige elende Legion auszuheben! Auf wie vielerley Pri- vatintereſſe muͤſſen ſie ſchonende Ruͤckſicht nehmen, indem ſie die Rekruten ausheben! Wie viel Zeit ver- laͤuft, ehe dieſe Neugeworbenen im Felde erſchei- nen koͤnnen! Das Uebel iſt nicht groß, wenn es ein Fuͤrſt iſt, gegen den man Krieg fuͤhrt: fuͤhrt man ihn aber gegen eine Nation, ſo ſteht dieſe auf und marſchirt: und es iſt leicht einzuſehen, auf weſſen Seite der Vortheil ſeyn werde. Es iſt wahr: eine Nation, welche auf dieſe Weiſe ſich erhebt, hat nicht den einnehmenden Anblick, den ein ge- dientes Regiment giebt, wenn es in Parade geord- net ſteht, wo alle Soldaten wie in Einem Tiegel
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Fuͤrſten und einer Nation iſt es der Loͤwe im Garne:
die Maus iſt nur nicht immer gleich da, um die
Maſchen zu zerfreſſen. Man vergißt es zuweilen,
daß man nichts vermag, wenn man von der allge-
meinen Einſtimmung, welche den Willen Aller
nach einem und demſelben Ziele eilen macht, nicht
unterſtuͤzt wird. In dieſem Zuſtande des Irrthums
handeln wollen, heißt, ſich Unfaͤllen, oder hoͤch-
ſtens einem ſchnell voruͤbergehenden Erfolge aus-
ſtellen. Dieß beweißt die Erfahrung aller Zeiten.
Fuͤrſten errichten Heere: aber welche Anſtrengung
und Koſten verurſacht ihnen dieſes! Wie viel ver-
ſchiedene Triebwerke muͤſſen ſie anbringen, wie viel
verſchiedene Plane uͤberdenken, um nur eine einzige
elende Legion auszuheben! Auf wie vielerley Pri-
vatintereſſe muͤſſen ſie ſchonende Ruͤckſicht nehmen,
indem ſie die Rekruten ausheben! Wie viel Zeit ver-
laͤuft, ehe dieſe Neugeworbenen im Felde erſchei-
nen koͤnnen! Das Uebel iſt nicht groß, wenn es
ein Fuͤrſt iſt, gegen den man Krieg fuͤhrt: fuͤhrt
man ihn aber gegen eine Nation, ſo ſteht dieſe auf
und marſchirt: und es iſt leicht einzuſehen, auf
weſſen Seite der Vortheil ſeyn werde. Es iſt wahr:
eine Nation, welche auf dieſe Weiſe ſich erhebt,
hat nicht den einnehmenden Anblick, den ein ge-
dientes Regiment giebt, wenn es in Parade geord-
net ſteht, wo alle Soldaten wie in Einem Tiegel
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/95>, abgerufen am 24.11.2024.
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