weit dem Thore Rousseau auf dem Walle, zwey junge Männer todt gefunden, welche sich die Nacht, und wahrscheinlich ohne alle Zeugen geschlagen hatten. Der eine lag auf der bloßen Erde, und neben ihm zwey blutige Degen; der andere auf einer Bank in einiger Entfernung vom ersten, wohin er sich ohne Zweifel nach dem Stich noch geschleppt hatte. Sie mußten sich zugleich verwundet haben: man hat aber weder die Ursache ihres Zweykampfs, noch die Umstände desselben näher erfahren können. Ohn- weit der Stadt wurde auch ein Volontär mit einem Stich in der Brust todt gefunden: wahrscheinlich hatte dieser sich mit einem Kameraden herumge- schlagen, denn seine Wunde war von einem Bajo- net. Es ist nämlich bekannt, daß die Volontärs, wenn sie keine Degen oder Säbel haben, das Bajonet zu solchen rasenden Geschäften zu brauchen pflegen.
Daß die Franzosen nicht mehr an Gespenster glauben, habe ich in Dijon auch erfahren. Unsre
brav und tapfer achtete, der sich nicht wenigstens drey- mal duellirt hatte. Brav und tapfer wollte aber hernach auch der Gemeine seyn. Dieß Vorurtheil hat lange geherrscht, war allgemein, Standes-mäßig und tief eingewurzelt. Die neue Regierung wird daher noch lange laviren müssen, bis es bey den lebhaften Franzosen eine herrschende Ueberzeugung werde: daß Tapferkeit und Gewandtheit eines Stiers und Mörders das eben nicht sey, worin der vernünftige und brave Mann seine Ehre suchen müsse.
weit dem Thore Rouſſeau auf dem Walle, zwey junge Maͤnner todt gefunden, welche ſich die Nacht, und wahrſcheinlich ohne alle Zeugen geſchlagen hatten. Der eine lag auf der bloßen Erde, und neben ihm zwey blutige Degen; der andere auf einer Bank in einiger Entfernung vom erſten, wohin er ſich ohne Zweifel nach dem Stich noch geſchleppt hatte. Sie mußten ſich zugleich verwundet haben: man hat aber weder die Urſache ihres Zweykampfs, noch die Umſtaͤnde deſſelben naͤher erfahren koͤnnen. Ohn- weit der Stadt wurde auch ein Volontaͤr mit einem Stich in der Bruſt todt gefunden: wahrſcheinlich hatte dieſer ſich mit einem Kameraden herumge- ſchlagen, denn ſeine Wunde war von einem Bajo- net. Es iſt naͤmlich bekannt, daß die Volontaͤrs, wenn ſie keine Degen oder Saͤbel haben, das Bajonet zu ſolchen raſenden Geſchaͤften zu brauchen pflegen.
Daß die Franzoſen nicht mehr an Geſpenſter glauben, habe ich in Dijon auch erfahren. Unſre
brav und tapfer achtete, der ſich nicht wenigſtens drey- mal duellirt hatte. Brav und tapfer wollte aber hernach auch der Gemeine ſeyn. Dieß Vorurtheil hat lange geherrſcht, war allgemein, Standes-mäßig und tief eingewurzelt. Die neue Regierung wird daher noch lange laviren müſſen, bis es bey den lebhaften Franzoſen eine herrſchende Ueberzeugung werde: daß Tapferkeit und Gewandtheit eines Stiers und Mörders das eben nicht ſey, worin der vernünftige und brave Mann ſeine Ehre ſuchen müſſe.
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weit dem Thore Rouſſeau auf dem Walle, zwey
junge Maͤnner todt gefunden, welche ſich die Nacht,
und wahrſcheinlich ohne alle Zeugen geſchlagen
hatten. Der eine lag auf der bloßen Erde, und neben
ihm zwey blutige Degen; der andere auf einer Bank
in einiger Entfernung vom erſten, wohin er ſich
ohne Zweifel nach dem Stich noch geſchleppt hatte.
Sie mußten ſich zugleich verwundet haben: man
hat aber weder die Urſache ihres Zweykampfs, noch
die Umſtaͤnde deſſelben naͤher erfahren koͤnnen. Ohn-
weit der Stadt wurde auch ein Volontaͤr mit einem
Stich in der Bruſt todt gefunden: wahrſcheinlich
hatte dieſer ſich mit einem Kameraden herumge-
ſchlagen, denn ſeine Wunde war von einem Bajo-
net. Es iſt naͤmlich bekannt, daß die Volontaͤrs,
wenn ſie keine Degen oder Saͤbel haben, das Bajonet
zu ſolchen raſenden Geſchaͤften zu brauchen pflegen.
Daß die Franzoſen nicht mehr an Geſpenſter
glauben, habe ich in Dijon auch erfahren. Unſre
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*) brav und tapfer achtete, der ſich nicht wenigſtens drey-
mal duellirt hatte. Brav und tapfer wollte aber hernach
auch der Gemeine ſeyn. Dieß Vorurtheil hat lange geherrſcht,
war allgemein, Standes-mäßig und tief eingewurzelt. Die
neue Regierung wird daher noch lange laviren müſſen, bis es
bey den lebhaften Franzoſen eine herrſchende Ueberzeugung
werde: daß Tapferkeit und Gewandtheit eines Stiers und
Mörders das eben nicht ſey, worin der vernünftige und brave
Mann ſeine Ehre ſuchen müſſe.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/503>, abgerufen am 16.02.2025.
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