wobey auch eine große Procession und feierliche Musik war, und erhabne Hymnen zu Ehren des Ur- wesens gesungen wurden. Ich habe einige Reden gelesen, welche an diesem Tage hin und wieder in Frankreich sind gehalten worden, und habe daraus ersehen, daß ein Republikaner von Gott sich ganz andre Vorstellun[g]en macht, als der, welcher in ei- ner Monarchie lebt. *)Voltaire hat wohl Recht, daß der Mensch sich den lieben Gott nach seiner Lage denke, wie denn einmal ein Eremit Gott den heiligen Geist, als Eremiten in einer Eremitage mit der Kutte bekleidet, mahlte. -- Der Unterthan des Despoten macht aus Gott einen König, und giebt ihm alle Eigenschaften desselben, sogar einen Hofstaat, Armeen, Feinde u. dgl. Bey dem denkenden Republikaner findet ein ganz andrer Be- griff Eingang: Der würde nie ein Wesen verehren können, dessen bloßer, unbedingter Wille Gesetz ist. Sein Gott muß mit Weisheit regieren, mehr lenken durch Vernunft, als durch Strafen u. s. w.
Bey diesem Nationalfeste vergaß sich ein frem- der gefangner Offizier so sehr, daß er des Abends spät im National-Habit, den ihm eine weibliche Bekanntschaft gegeben hatte, mit der Kokarde auf dem Hute einem Balle beywohnte. Er mogte zu-
*) In der erwähnten Ausbeute soll eine Probe davon vor- kommen.
wobey auch eine große Proceſſion und feierliche Muſik war, und erhabne Hymnen zu Ehren des Ur- weſens geſungen wurden. Ich habe einige Reden geleſen, welche an dieſem Tage hin und wieder in Frankreich ſind gehalten worden, und habe daraus erſehen, daß ein Republikaner von Gott ſich ganz andre Vorſtellun[g]en macht, als der, welcher in ei- ner Monarchie lebt. *)Voltaire hat wohl Recht, daß der Menſch ſich den lieben Gott nach ſeiner Lage denke, wie denn einmal ein Eremit Gott den heiligen Geiſt, als Eremiten in einer Eremitage mit der Kutte bekleidet, mahlte. — Der Unterthan des Deſpoten macht aus Gott einen Koͤnig, und giebt ihm alle Eigenſchaften deſſelben, ſogar einen Hofſtaat, Armeen, Feinde u. dgl. Bey dem denkenden Republikaner findet ein ganz andrer Be- griff Eingang: Der wuͤrde nie ein Weſen verehren koͤnnen, deſſen bloßer, unbedingter Wille Geſetz iſt. Sein Gott muß mit Weisheit regieren, mehr lenken durch Vernunft, als durch Strafen u. ſ. w.
Bey dieſem Nationalfeſte vergaß ſich ein frem- der gefangner Offizier ſo ſehr, daß er des Abends ſpaͤt im National-Habit, den ihm eine weibliche Bekanntſchaft gegeben hatte, mit der Kokarde auf dem Hute einem Balle beywohnte. Er mogte zu-
*) In der erwähnten Ausbeute ſoll eine Probe davon vor- kommen.
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wobey auch eine große Proceſſion und feierliche
Muſik war, und erhabne Hymnen zu Ehren des Ur-
weſens geſungen wurden. Ich habe einige Reden
geleſen, welche an dieſem Tage hin und wieder in
Frankreich ſind gehalten worden, und habe daraus
erſehen, daß ein Republikaner von Gott ſich ganz
andre Vorſtellungen macht, als der, welcher in ei-
ner Monarchie lebt. *) Voltaire hat wohl
Recht, daß der Menſch ſich den lieben Gott nach
ſeiner Lage denke, wie denn einmal ein Eremit
Gott den heiligen Geiſt, als Eremiten in einer
Eremitage mit der Kutte bekleidet, mahlte. —
Der Unterthan des Deſpoten macht aus Gott einen
Koͤnig, und giebt ihm alle Eigenſchaften deſſelben,
ſogar einen Hofſtaat, Armeen, Feinde u. dgl. Bey dem
denkenden Republikaner findet ein ganz andrer Be-
griff Eingang: Der wuͤrde nie ein Weſen verehren
koͤnnen, deſſen bloßer, unbedingter Wille Geſetz
iſt. Sein Gott muß mit Weisheit regieren, mehr
lenken durch Vernunft, als durch Strafen u. ſ. w.
Bey dieſem Nationalfeſte vergaß ſich ein frem-
der gefangner Offizier ſo ſehr, daß er des Abends
ſpaͤt im National-Habit, den ihm eine weibliche
Bekanntſchaft gegeben hatte, mit der Kokarde auf
dem Hute einem Balle beywohnte. Er mogte zu-
*) In der erwähnten Ausbeute ſoll eine Probe davon vor-
kommen.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/499>, abgerufen am 25.11.2024.
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